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Auch Studierende betroffen

PCB belastet Klima am KIT

Die PCB-Belastung in vier Gebäuden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schloss und die damit verbundene Informationspolitik beschäftigen die Mitarbeiter der Universität weiterhin.

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BETROFFENE GEBÄUDE: Diese KIT-Bauten in der Nähe des Karlsruher Schlosses weisen sehr hohe PCB-Werte auf. Seit Ende August sind sie deswegen geschlossen. Foto: Jörg Donecker

Die PCB-Belastung in vier Gebäuden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in unmittelbarer Nachbarschaft zum Karlsruher Schloss und die damit verbundene Informationspolitik beschäftigen die Mitarbeiter der Universität weiterhin. Denn die Chemikalie kann gesundheitsgefährdend sein und ist wahrscheinlich sogar krebserregend.

Das KIT hatte die Kollegiengebäude 20.11 bis 20.14 wegen überschrittener Messwerte Ende August geschlossen. Dennoch wird der KIT-Leitung vorgeworfen, dass sie ihre Fürsorgepflicht nicht erfülle. Eine Angestellte zeigte sich erschüttert, dass das Problem schon seit 2001 bekannt sei.

„Wilhelmi-Platten“ als Hauptgrund für die PCB-Belastung

Das zuständige Bauamt von Vermögen und Bau Baden-Württemberg (VBA) bestätigte auf Anfrage der BNN das Wissen um die PCB-Belastung seit 2001. Grund dafür sind nach Aussagen des KIT vor allem belastete Deckenplatten, sogenannte „Wilhelmi-Platten“. Damals hätten alle Messwerte bis auf einen unter dem relevanten Grenzwert gelegen. Nach BNN-Informationen soll es dann 2009 erste Hinweise darauf gegeben haben, dass das PCB am KIT ein größeres Problem sei.

Neue Grenzwerte im Baurecht seit 2014

Im Jahr 2014 wurden schließlich neue Grenzwerte im Baurecht eingeführt, teilte das Gesundheitsamt Karlsruhe mit. „Ein uns später bekannt gewordenes, auf Initiative von betroffenen Mitarbeitern erstelltes Gutachten gab im November 2014 Hinweise auf die PCB-Belastung“, sagte Amtsleiter Peter Friebel.

Vorsorgewert für PCB überschritten

Daraufhin hätten Universität und VBA weitere Untersuchungen veranlasst. „Diese Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass der Vorsorgewert überschritten, der Interventionswert von 3 000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft aber unterschritten war“, erklärte KIT-Pressesprecherin Monika Landgraf. Der Interventionswert sagt laut VBA aus, dass eine Sanierung mittelfristig erfolgen sollte, um damit den Vorsorgewert zu erreichen.

PCB ist die Abkürzung für polychlorierte Biphenyle, eine Gruppe chemischer Verbindungen. Es ist schwer entflammbar und widerstandsfähig. Deswegen wurde PCB bis in die 1980er-Jahre vielfältig eingesetzt – etwa als Weichmacher in Kunststoffen oder als Dichtungsmasse in Gebäuden. Es kann zu Atemwegserkrankungen und Leberfunktionsstörungen führen, außerdem ist es wahrscheinlich krebserregend. In Deutschland wurde die Verwendung von PCB 1989 bis auf wenige Ausnahmen verboten.

PCB-Verbindung 118 in den Fokus gerückt

Jedoch sei durch die geänderte Richtlinie noch etwas anderes in den Blickpunkt gerückt: die spezielle PCB-Verbindung 118, laut Gesundheitsamt ein Indikator für dioxinähnliches PCB. Hier zeigten die Messungen Werte, die „umgehend expositionsmindernde Maßnahmen zur Verringerung der Raumluftkonzentration von PCB“ verlangten, wie das KIT mitteilte.

Regelmäßige Lüftungs- und Reinigungsmaßnahmen

Die Universität habe deswegen 2015 regelmäßige Lüftungs- und Reinigungsmaßnahmen eingeleitet. Gleichzeitig sollten nach Angaben von VBA die Planungen für eine Sanierung beginnen. „Für diese Voruntersuchungen wurden von Vermögen und Bau in Abstimmung mit dem KIT weitere Messungen mit dem Ziel veranlasst, einen abgesicherten Jahresmittelwert zu bekommen, der die Bewertungsgrundlage nach PCB-Richtlinie darstellt“, heißt es von VBA.

10 000 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Luft

Nach Angaben der Universität schwankten die gemessenen Einzelwerte in den vergangenen Monaten, der höchste lag jedoch im August dieses Jahres bei 10 000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft – mehr als das Dreifache des Interventionswerts. Auch der PCB-118-Wert stand im Fokus. „Dieser Wert wurde bei vielen Messungen um ein Mehrfaches überschritten, insbesondere bei den im Sommer bei sehr hohen Temperaturen durchgeführten Messungen“, erklärte Friebel, Leiter des Gesundheitsamts.

Nutzung der Gebäude wurde unverzüglich eingestellt

„Daher hat sich das KIT am 31. August kurzfristig und vorsorglich entschlossen, unverzüglich die Nutzung der Gebäude einzustellen, um eine gesundheitliche Gefährdung der Beschäftigten und Studierenden auszuschließen“, sagte KIT-Pressesprecherin Landgraf. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden umgehend gebeten, im Home-Office zu arbeiten. Manche Beschäftigte konnten kurzfristig auch in Büros von Kolleginnen und Kollegen in anderen Gebäuden unterkommen.“ Das Prüfungssekretariat und das Dekanat der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften seien bereits am Kronenplatz untergebracht. Im Dezember erfolge der Umzug in die Blücherstraße.

„Task Force PCB“ unter Leitung von KIT-Vizepräsident Breuer

Die Universität wies darauf hin, dass sie die Beschwerden ihrer Mitarbeiter ernst nehme. „Bereits seit 2015 gibt es ein medizinisches Beratungsangebot seitens des KIT, welches Personen, die der PCB-Belastung ausgesetzt waren, nutzen können“, teilte Landgraf mit. Darüber hinaus sei im Oktober eine „Task Force PCB“ unter Leitung von Vizepräsident Ulrich Breuer eingerichtet worden, die wöchentlich tage. Die Gebäude seien von VBA in den Sanierungsplan aufgenommen worden.

Untersuchung von „Sekundärquellen“

Auch müssen nach Angaben des KIT sogenannte „Sekundärquellen“ untersucht werden. Dabei handele es sich um Gegenstände, die sich über Jahre in belasteten Räumen befanden und dadurch zu viel PCB aufgenommen haben könnten. Erkenntnisse über höhere Messwerte aus dem Jahr 2009 seien dem KIT nicht bekannt.

Gesundheitsamt: Betroffenheit von Studierenden erst seit Mai 2016 bekannt

Das Gesundheitsamt machte darauf aufmerksam, dass es aufgrund entsprechender Hinweise im Wesentlichen von einer Arbeitsplatzproblematik ausgegangen sei. „Dass auch Studierende sich längere Zeit in den Gebäuden aufhalten, wurde dem Gesundheitsamt durch ein Gespräch mit betroffenen Mitarbeitern und Studierenden im Mai 2016 bekannt“, sagte Amtsleiter Friebel. Für die Beschäftigten sei das KIT verantwortlich, für Studierende auch seine Behörde. Friebel erklärte jedoch, dass in den Gebäuden in der Vergangenheit keine unmittelbare Gesundheitsgefahr bestanden habe.

Auch HsKA hat Probleme mit PCB

Das Problem scheint jedenfalls ganz oben angekommen zu sein: Auf der Personalversammlung in der vergangenen Woche soll KIT-Präsident Holger Hanselka gesagt haben, dass das Präsidium wisse, wie ernst das PCB-Thema sei. Das KIT steht auch nicht alleine da: Die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft (HsKA) hat ebenfalls ein PCB-Problem, wenn auch nach Aussage von Kanzlerin Daniela Schweitzer mit viel niedrigeren Werten als am KIT.

Update 18.11.2016

Jan Knopf, Leiter der Arbeitsstelle Bertolt Brecht (ABB), sorgt sich um seine Sammlung. Die Brecht-Unterlagen sind in dem mit PCB belasteten Bau 20.12 untergebracht. „Niemand hat mir je gesagt, dass irgendeine Gefährdung bestehen könnte. Dass jetzt alles kontaminiert sein könnte, ist eine Katastrophe“, sagte der 72-Jährige den BNN. Die Sammlung sei einzigartig und würde Literaturwissenschaftler aus der ganzen Welt anziehen. Knopf müsse immer wieder auf eigenes Risiko die ABB aufsuchen, um Materialien für die Arbeit heranzuziehen.

Auch er kritisierte die Informationspolitik des KIT. Knopf habe erst Ende Juli durch einen Aushang erfahren, dass die PCB-Belastung sich auf seine Arbeit auswirken könnte: „Für mich war das wie ein Schlag ins Gesicht.“ Die ABB ist eine der wichtigsten Anlaufstellen der Brecht-Forschung. Nach dem Archiv in Berlin verwaltet sie die umfangreichste Materialsammlung über das Leben und das Werk des Schriftstellers.

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