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Mehr Geld im Ruhestand?

Bundesfinanzhof entscheidet über Doppelbesteuerung von Renten: Hoffnung auf mehr Netto vom Brutto

Die 2005 von der damaligen Bundesregierung beschlossene Umstellung bei der Rentenbesteuerung sorgt seit Jahren für Ärger. Nun entscheidet das höchste deutsche Finanzgericht über die mögliche Doppelbesteuerung der Alterseinkünfte.

Zwei Rentner sitzen auf einer Bank. (zu dpa: Steigende Lebenserwartung bringt vielen nicht mehr Zeit in Rente) +++ dpa-Bildfunk +++
Der Bundesfinanzhof entscheidet in Kürze über die Musterklage von zwei Rentnern gegen die Doppelbesteuerung ihrer Altersbezüge. Foto: Sebastian Kahnert/dpa/dpa-Zentralbild

Haben Rentner in Deutschland in den vergangenen Jahren zu viel Steuern bezahlen müssen, weil der Fiskus sowohl bei den Beiträgen als auch bei den ausbezahlten Renten abkassierte? Seit Jahren schon sorgt die im Jahr 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beschlossene Umstellung der Rentenbesteuerung für Streit. Nun steht eine Entscheidung des höchsten deutschen Finanzgerichts bevor.

Am Mittwoch verhandelt der Bundesfinanzhof (BFH) in München die Musterklagen von zwei Rentnern, die gegen die Doppelbesteuerung ihrer Altersbezüge zu Felde zogen. Unterstützt werden sie vom Bund der Steuerzahler. Das mit Spannung erwartete Urteil wird voraussichtlich Ende Mai verkündet.

Während Millionen Ruheständler auf mehr Netto vom Brutto hoffen, befürchtet Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Steuerausfälle und eventuelle Rückzahlungen in Milliardenhöhe.

Komplizierte Materie

Die Materie ist kompliziert. Bis 2005 galt das Prinzip der vorgelagerten Besteuerung – die Arbeitnehmer mussten Steuern auf die Rentenbeiträge bezahlen, im Gegenzug war die Rente in der Regel steuerfrei, im Gegensatz zu den Pensionen der Beamten, die voll versteuert werden mussten.

2002 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Ungleichbehandlung bei der Besteuerung der Altersbezüge als verfassungswidrig und forderte den Gesetzgeber auf, bis 2005 eine Neuregelung zu beschließen. Rot-Grün stellte daraufhin auch bei den Renten auf das Prinzip nachgelagerte Besteuerung um, das schrittweise bis 2040 eingeführt wird.

Arbeitnehmer können seitdem die Aufwendungen für die Altersvorsorge zum Teil von der Steuer absetzen, im Gegenzug wird im Alter die entsprechende Einkommensteuer fällig, wenn die Rente mit möglichen weiteren Einkünften das steuerfreie Existenzminimum übersteigt.

Während die Besteuerung der Rentenbeiträge Jahr für Jahr sinkt, steigt gleichzeitig der steuerpflichtige Anteil der ausbezahlten Rente. Von 2005 bis 2020 belief sich der Anstieg auf zwei Prozent pro Jahr, seitdem auf ein Prozent. Zudem werden die Rentenerhöhungen schon während der Übergangszeit voll besteuert.

Experten warnten schon 2007 vor dem Problem

Schon 2007 warnten Experten wie der damalige Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, dass dieses System „in erheblichem Umfang gegen das Verbot der Zweifachbesteuerung verstößt“. Das Problem stelle sich „gleichermaßen“ für Selbstständige wie für abhängig Beschäftigte, die zwischen 2021 und 2058 in Rente gehen.

Selbstständige wie Zahnärzte, Rechtsanwälte oder Architekten, die einerseits in ein berufsständisches Versorgungswerk einzahlen und anderseits zusätzlich freiwillig Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichten, könne es schon früher treffen. Das aber wäre verfassungswidrig, hatte doch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2002 ausdrücklich verlangt, dass eine doppelte Besteuerung vermieden werden müsse.

Auch der BFH-Richter Egmont Kulosa warnte vor zwei Jahren in einem Aufsatz in einem juristischen Fachblatt vor dem Problem: „Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übungen, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen“, schrieb er.

Denn während sie ihre Rentenbezüge nach 2040 voll versteuern müssten, könnten sie ihre Beiträge nur 15 Jahre lang, nämlich erst ab 2025, zu 100 Prozent als Vorsorgeaufwendungen absetzen. Zuvor dagegen nur teilweise. Dies sei aus seiner Sicht „evident“ verfassungswidrig.

140.000 Einsprüche gegen Rentenbescheide

Der Bund der Steuerzahlen verweist dagegen darauf, dass es bereits jetzt Rentner gebe, die doppelt zur Kasse gebeten werden. So haben nach Angaben des Bundesfinanzministeriums in rund 142.000 Fällen Senioren Einspruch gegen ihren Steuerbescheid eingelegt, weil sie möglicherweise doppelt Steuern zahlen müssen, wie aus einer Antwort aus dem Haus von Olaf Scholz auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht.

Der Bund der Steuerzahler rät daher allen Rentnern, Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einzulegen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt. Nicht auszuschließen, dass der 10. Senat des Bundesfinanzhofes das Bundesverfassungsgericht anrufen wird. Sollte der BFH hingegen die Musterklage abweisen, können die Kläger ihrerseits Karlsruhe anrufen.

Das Bundesfinanzministerium hält dagegen an seiner Auffassung fest, dass es keine Doppelbesteuerung gebe und die Regelung verfassungskonform ist. So habe das Verfassungsgericht in der Vergangenheit mehr als zehn Verfassungsbeschwerden in dieser Sache wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgewiesen. Gleichwohl ist die Nervosität im Haus von Finanzminister Olaf Scholz groß: Sollten die Rentner am Ende Recht bekommen, könnte es für den Staat richtig teuer werden.

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