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Lügen und Manipulation

Russische Propaganda in Corona-Zeiten soll Europa destabilisieren

In der Corona-Krise wirft die EU Russland gezielte Verbreitung von Falschinformationen und eine Manipulation der Öffentlichkeit vor. Staatsnahe russische Medien würden die Pandemie instrumentalisieren, „oft durch direktes infrage stellen der Glaubwürdigkeit der EU“, heißt es in einem aktuellen Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Die Bundesregierung ist speziell über den TV-Kanal RT Deutsch besorgt.

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Prorussische Propaganda und tendenziöse, antiwestliche Berichterstattung sind Bestandteile der Programme, die der staatliche Sender RT unter anderem in Deutschland ausstrahlt. Das Bild zeigt einen RT-Regieraum in Moskau. Foto: AFP Foto: None

Zu flotter elektronischer Musik flimmern auf dem Bildschirm Aufnahmen von einem halb nackten, schwarzen Mann hinter einem Zaun und einem Kriegsschiff, das Raketen abfeuert. „Willkommen beim ,Fehlenden Part‘“, begrüßt die Zuschauer eine Frau mit schulterlangen braunen Haaren.

Bundestag soll „mit Geld um sich geschmissen“ haben

Jasmin Kosubek ist der Star des russischen Senders RT Deutsch, den man per Satellit oder Kabel in vielen Wohnstuben zwischen Flensburg und Konstanz empfangen kann. Gleich zu Beginn der 30-minütigen Sendung setzt die Moderatorin den Ton mit der Aussage, dass deutsche Politiker sich selbst nicht an das Kontaktverbot hielten und der Bundestag in der Corona-Notlage „nur mit Geld um sich geschmissen“ habe.

Es folgt ein Bericht, in dem die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes als ein Mittel dargestellt wird, um die „Erprobung von Impfstoffen an der Bevölkerung zu erleichtern“ und Ausgangssperren zu verhängen, „die alleine vom Gesundheitsminister bestimmt werden“. Als nächstes schaltet Kosubek per Video zum Ökonomen Markus Kral. Seine düstere Botschaft: „Diese Rezession wird eine Depression werden“.

Medienkonzern hat ein geschätztes Jahresbudget von 430 Millionen Euro

Der 2014 gestartete Kanal RT Deutsch ist unter Fachleuten als eine Propagandaschleuder des Kreml bekannt. Sein Mutterkonzern „Rossija segodnja“ mit Sitz in Moskau gehört der russischen Regierung und verfügt 2020 über ein geschätztes Budget von 430 Millionen Euro, um weltweit „eine gerechte Behandlung Russlands“ zu erwirken.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

RT erreichte nach eigenen Angaben vor zwei Jahren rund 100 Millionen Menschen in 47 Ländern. Jasmin Kosubek hat in den deutschen sozialen Medien mehr als 26.000 Abonnenten und Fans, die die junge Frau als „fescheste Moderatorin der westlichen Welt“ feiern.

Bundesamt für Verfassungsschutz hat den TV-Kanal im Blick

Es findet also durchaus Gehör, was RT Deutsch gerade in der Corona-Krise verbreitet. Das scheint jetzt auch der Bundesregierung Sorgen zu machen. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und andere Behörden den staatlichen russischen Sender beobachten.

Die Begründung: „Gezielte Falschinformationen“ könnten die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohen. „Wenn die Menschen gezielt mit falschen Informationen versorgt werden, dann entsteht Verunsicherung“, sagte der Agentur AFP ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin.

840.000 Menschen sehen „Corona: Die Epidemie, die nie da war“

Etwa 840.000 Menschen haben sich auf YouTube das Video mit dem Titel „Corona: ,Die Epidemie, die nie da war‘“ angesehen. In diesem Beitrag aus dem „fehlenden Part“ vom 20. März erklärt ein deutscher Internist die Corona-Tests als unzuverlässig und zweifelt an der Gefahr durch das Virus. Danach spekuliert Kosubek, ob der „Sicherheitsapparat“ jetzt die „dystopischen Ausgangssperren“ werde durchsetzen können oder nicht.

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Wenig später lässt die Journalistin einen „Pionier der alternativen Medienszene“ zu Wort kommen. „Der Systemcrash ist in vollem Gange“, verkündet dieser: „Wir fahren mit Karacho gegen die Wand.“

Medien als Waffe im Informationskrieg

Die Politologin und Osteuropa-Historikerin Susanne Spahn sieht in solchen Sendungen eine Mission: „Russische Medien sind in eine Maschinerie integriert, die sich als Waffe in einem Informationskrieg versteht“, sagte sie in der vergangenen Woche in einem Webinar der Friedrich-Naumann-Stimmung zum Thema „Russische Desinformation zu Covid-19“. Spahn vermutet, dass die negative Darstellung der angeblich „defekten deutschen Demokratie“ eine Spaltung der Gesellschaft bewirken und Deutschland insgesamt schwächen soll.

Das gilt nicht erst seit ein paar Wochen. Bereits 2015 warb die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf der Münchner Sicherheitskonferenz dafür, das „zerstörerische Narrativ“ der russischen Propaganda zu entlarven. Auch ihre Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, kritisierte vor einem Jahr scharf die aus Moskau gesteuerte „Destabilisierung“ Deutschlands. „Durch schwache Nachbarn soll die eigene Stärke gefördert werden“, so die CDU-Politikerin.

Außenminister Maas fordert Maßnahmen gegen Desinformation

In der Corona-Krise ist diese Destabilisierung auch ein Thema für die Nato geworden. Es gebe „einige“, die versuchten, die Lage propagandistisch auszunutzen, „um sich selber in einem besseren Licht erscheinen zu lassen“, sagte Außenminister Heiko Maas am Donnerstag vor einer Videoschalte mit seinen Nato-Amtskollegen. In der Allianz und der EU müsse auf Desinformationen, die einen „staatlichen Hintergrund“ hätten, mit „Gegenmaßnahmen“ reagiert werden, forderte Maas.

Zumindest die Europäer wehren sich jetzt mit Fakten gegen Fakes: Das Internetportal „EUvsDisinfo“ stellt russische Falschnachrichten und Manipulationsversuche im Netz bloß; es hat nach eigenen Angaben seit 22. Januar 152 Beispiele gesammelt. Darunter die Behauptungen, die EU zerfalle und dass die Pandemie eine Folge des „moralischen Verfalls“ der westlichen Welt sei, die homosexuellen Ehen legalisiert habe.

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