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Pro und Kontra Alkoholverbot

Sollte Glühwein auf den Weihnachtsmärkten in Corona-Zeiten verboten werden?

Wenn die Stimmung steigt, kommt möglicherweise die Disziplin zu kurz, und die wird in Corona-Zeiten dringend gebraucht. In der Diskussion um ein Alkoholverbot auf Weihnachtsmärkten und darüber hinaus hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann erst einmal eine salomonische Entscheidung getroffen.

Zwei Besucherinnen stoßen in der Weihnachtszeit 2019 auf einem Weihnachtsmarkt mit Glühwein an.
Romantisch oder gefährlich: Zum diskutierten Glühweinverbot in Pandemiezeiten sind die Meinungen geteilt. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Ministeropräsident Kretschmann überlässt es den Kommunen, ob sie bei einem Ansteigen der Infektionszahlen den Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit einschränken wollen. Hilft ein Glühweinverbot gegen Corona? Zwei BNN-Autoren haben widersprüchliche Ansichten.

Pro

von
Wenn Oma das Virus überlebt, gibt’s mehr Geschenke

Von Roland Weisenburger

Was? Alkoholverbot? Erst der Abstand, dann die Masken, und jetzt auch noch Weihnachten ganz ohne Glühwein?

Naja, nicht wirklich. Wenn alle brav Abstand halten, Masken tragen und Hände waschen, dann bleibt uns die Prohibition doch erspart. In allen Städten und Landkreisen mit Infektionszahlen unter 50 pro 100.000 Einwohnern dürften auch nach einer Verschärfung der Corona-Verordnung weiter Viertele geschlotzt, Krüge gestemmt und reichlich Glühwein genossen werden.

Nur wenn sich das Virus ausbreitet und die kritische Marke erreicht, heißt es nüchtern bleiben. Es sind eben nicht die Politiker und auch keine Verwaltungsbeamte, die uns den Alkohol wegnehmen wollen. Es ist das tödliche Virus, das keinen Spaß versteht. Es hat weltweit bereits über eine Million Menschen getötet. Und sein Hunger scheint längst noch nicht gestillt. Der feuchtfröhliche Feierabend-Ausklang am Glühweinstand ist ihm dabei die geeignete Startrampe, um sich in die gesellschaftliche Umlaufbahn zu schießen.

Sein bester Verbündeter ist die laute und feuchte Aussprache, die Umarmung und die allzu freundliche Verbrüderung – all das, was uns in betrunkenem Zustand so viel leichter fällt. Da kann ein Besoffener in der Schunkel-Runde mit einem engagiert erzählten Witz und dem dazu gehörenden Speichelauswurf ausspucken, was hunderte Maskenträger an den Supermarktkassen zuvor diszipliniert zurückgehalten haben.

Wenn die Seuche vorbei ist, der Impfstoff gefunden und das Virus besiegt, dann können wir uns gerne alle treffen, auf einen Glühwein oder zwei oder mehr. Und wenn wir uns zuvor an alle notwendigen Regeln halten, sind dann auch noch alle unter uns, die an dieser großen Nach-Corona-Party teilnehmen wollen. Für ein langes Leben voll vieler künftiger Weihnachtsmärkte sollte man den einen bei heißem Tee, Kinderpunsch oder Schokolade doch aushalten können.

Keine Angst: Ob mit oder ohne Glühwein, Weihnachten kommt auf jeden Fall. Und die Geschenke werden umso üppiger, je mehr Omas und Opas die Pandemie unbeschadet überstehen.

Kontra

von
Mit neuen Verboten zu drohen, ist der falsche Ansatz

Von Daniel Gräber

Weihnachtsmärkte ohne Glühwein? Das wäre wie ein Oktoberfest ohne Bier. Sollte es tatsächlich zu einem adventlichen Alkoholverbot kommen, kann man die Märkte gleich ganz absagen.

Die baden-württembergische Landesregierung hat die Glühweinliebhaber zwar erst einmal beruhigt: Zu einem pauschalen, flächendeckenden Verbot soll es – Stand jetzt – nicht kommen. Doch Vater Staats drohender Zeigefinger schwingt weiterhin in der Luft.

Es ist dieser erzieherische Gestus der Anti-Corona-Politik, der einer wachsenden Zahl an Bürgern in Deutschland missfällt. Nach Monaten voller Einschränkungen, die sich nicht immer als sinnvoll erwiesen haben, verheerende Nebenwirkungen hatten und in einigen Fällen juristisch nicht haltbar waren, dürstet es sie wieder nach Freiheit. Der starke Staat, der zu Beginn der Pandemie zögerlich, dann aber heftig durchgegriffen hat, wird zunehmend nicht nur als Schutz sondern auch als Bedrohung wahrgenommen.

Mit neuen Verboten zu drohen, ist daher der falsche Ansatz. Es gilt vielmehr, kluge Wege zu finden, wie wir mit dem Virus leben können – und abzuwägen, welche Risiken wir zu tragen bereit sind. Dabei muss es auch darum gehen, welche Folgen ein staatlicher Eingriff hat. Dem Ziel, die Verbreitung des Virus einzudämmen, darf nicht alles andere untergeordnet werden.

Schon jetzt leiden Gastronomen, Brauereien und Weingüter unter den Folgen der Zwangsschließungen, abgesagter Feste und Veranstaltungen. Die aktuelle Diskussion über Alkoholverbote sorgt für neue massive Unsicherheit. Und das kann Folgen haben. Wenn Gasthäuser, Winzerbetriebe und Traditionsbrauereien untergehen, stirbt gerade im Südwesten auch ein Stück Kultur.

Für den einzelnen Bürger weckt die Debatte zudem ungute historische Assoziationen. Die Prohibitionspolitik ist in den USA Anfang des 19. Jahrhunderts gescheitert. Und in der DDR verstanden es die Machthaber zwar, ihre Bürger einzusperren und zu bespitzeln. Für ausreichend Schnaps und Bier war in der sozialistischen Mangelwirtschaft aber immer gesorgt.

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