Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet erstmals seit Mai mehr als 1.000 Neuinfektionen mit Covid-19 innerhalb eines Tages. Damit ist ein wichtiger Schwellenwert überschritten, die Angst vor einer zweiten Corona-Welle wächst.
In Baden-Württemberg ist das Infektionsgeschehen jedoch weiter überschaubar, in den einzelnen Landkreisen steigen die Zahlen der Neuinfektionen nur langsam. Wie groß ist also die Gefahr eines zweiten, gegebenenfalls regionalen Lockdowns? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.
Wie viele Neuinfektionen gibt es aktuell in Baden-Württemberg?
Stand 6. August haben sich laut Landesgesundheitsamt im Vergleich zum Vortag in Baden-Württemberg 68 Personen neu mit dem Coronavirus infiziert. Der R-Faktor liegt im Durchschnitt der vergangenen vier Tage bei 0,90. Der Wert gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 3,1. Diese Zahl steht für die Zahl der Neuinfektionen, die auf 100.000 Einwohner kommen.
Wie viele neu infizierte Menschen sind Reiserückkehrer?
Seit der Aufhebung der Reisewarnung für EU-Länder am 15. Juni sind insgesamt 433 Covid-19-Fälle bekannt geworden, bei denen sich die Infizierten mutmaßlich im Ausland angesteckt haben (Stand: 6. August). Das entspricht einem Anteil an den Neuinfektionen von 17,9 Prozent. Rund 22 Prozent der Ansteckungen fanden dabei nach Angaben des Landesgesundheitsamts in Serbien statt (96 Infizierte), der Balkan ist insgesamt stark betroffen. Dort befinden sich bei Party-Urlaubern beliebte Ziele, beispielsweise in Kroatien.
Ist eine zweite Corona-Welle in Baden-Württemberg bislang nur aufgrund der späten Sommerferien ausgeblieben?
Der späte Ferienbeginn könnte laut Landesgesundheitsamt bei der Zahl der Neuinfektionen eine Rolle spielen. Seit einigen Wochen seien die Zahlen in Baden-Württemberg leicht angestiegen, ebenso die Neuinfektionen, die im Zusammenhang mit einer Reise stehen. Verstärkte Testungen an Bahnhöfen und Flughäfen könnten weitere Corona-Fälle ans Licht bringen.
Baden-Württemberg und Bayern waren anfangs stark von Corona betroffen, verzeichnen nun jedoch vergleichsweise geringe Neuinfektionszahlen. Was läuft hier besser?
Insgesamt sind die Covid-19-Fallzahlen in Deutschland im internationalen Vergleich eher niedrig. Auf diesem niedrigen Niveau könne es bundesweit betrachtet zu Schwankungen kommen, gibt das Landesgesundheitsamt zu bedenken. Diese würden keine Trends abbilden. Der späte Ferienbeginn in Baden-Württemberg und Bayern könnte eine Rolle spielen. Eine zwingende Verbindung lässt sich aber nicht ziehen.
Gibt es besonders betroffene Landkreise?
Zuletzt stark betroffen war der Landkreis Göppingen. Der Leiter des Göppinger Gesundheitsamts, Heinz Pöhler, führt die steigenden Infektionszahlen unter anderem auf Reiserückkehrer aus den Balkanländern zurück. So seien beispielsweise mindestens neun Teilnehmer einer Abifahrt nach Kroatien positiv auf das Coronavirus getestet worden. Weitere Testergebnisse stünden noch aus, teilt das Landratsamt Göppingen mit. „Dieser Fall zeigt deutlich das Risiko von Reisen und Partys während einer Pandemie, und wie schnell das Virus innerhalb einer Gruppe um sich greifen kann”, sagt Pöhler.
Müssen wir uns auf einen regionalen Lockdown vorbereiten?
Mit einem regionalen oder überregionalen Lockdown rechnet das Landesgesundheitsamt aktuell nicht. Die Sieben-Tage-Inzidenz liege in Baden-Württemberg momentan bei rund drei bis vier Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und damit weit entfernt vom kritischen Wert von 50 pro 100.000 Einwohner.
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen erwartet jedoch noch in diesem Jahr eine erneute Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey hervor, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” in Auftrag gegeben hatte.
Wie wird in Baden-Württemberg aktuell auf Corona getestet?
In Baden-Württemberg wird derzeit nach der Test-Strategie des Sozialministeriums von Juni breitflächig und zielgerichtet auf Covid-19 getestet. Flächendeckend kann einmalig auch in Alten- und Pflegeheimen getestet werden. Die Entscheidung treffen die Gesundheitsämter.
Die Teststrategie wurde dahingehend weiterentwickelt, dass Personen mit Symptomen einer Covid-19-Infektion schnell getestet und gegebenenfalls unter Quarantäne gestellt werden können. Kern der neuen Teststrategie ist auch die Testung von Kontaktpersonen ohne Krankheitssymptome. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Monitoring bei Ärzten, medizinischem Personal und neu eingewiesenen Krankenhauspatienten.
Wie funktionieren die Corona-Tests an Flughäfen?
Alle Reiserückkehrer können sich an den Flughäfen Stuttgart, Friedrichshafen und am Baden-Airpark kostenlos auf Corona testen lassen. Die Tests werden vor Ort durch Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vorgenommen. Daneben können sich Reiserückkehrer innerhalb von 72 Stunden auch bei einem niedergelassenen Arzt testen lassen.
Für Rückkehrer aus einem Risikogebiet ist der Test ab dem kommenden Samstag verpflichtend. Welche Staaten als Risikogebiete gelten, veröffentlicht das baden-württembergische Sozialministerium auf seiner Website www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de.
Rückkehrer aus einem Risikogebiet müssen sich bis zum Erhalt eines negativen Testergebnisses in Quarantäne begeben. Wer innerhalb von 48 Stunden vor der Rückreise nach Deutschland negativ getestet wurde, muss in Deutschland keinen weiteren Test machen.
Gibt es alternative Test-Strategien?
Ja, die gibt es. Der Virologe Christian Drosten schlägt eine neue Test-Strategie vor, sollte es zu einer zweiten Welle kommen. Statt auf einzelne Corona-Fälle sollten sich die Behörden dann auf Gruppen konzentrieren, in denen sich viele Menschen mit dem Virus infiziert haben. In Japan habe man auf diese Art einen Lockdown verhindern können. Wenn sich ein Mitglied eines dieser sogenannten Cluster infiziert habe, könne auch eine Isolation von fünf Tagen ausreichen, so Drosten. Entscheidend dabei sei eine Testung auf die Infektiosität. Bei einer niedrigen Viruslast ist ein Patient nicht mehr ansteckend.