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Interview mit Trauerbegleiterin

„Keine Verabschiedung ist wie die andere“

Trauerarbeit hat viele Gesichter und sie kann helfen, mit dem Verlust eines lieben Menschen besser fertig zu werden. Trauerbegleiterin Meike Trojansky weiß, dass es vielen Hinterbliebenen hilft, letzte Aufgaben nicht ausschließlich den Bestattern zu überlassen.

Meike Trojanski, Pastoralreferentin der Seelsorgeeinheit Allerheiligen in Karlsruhe
Meike Trojansky, Pastoralreferentin und Sterbebegleiterin Foto: Meike Trojansky

Alles geht. Das ist ein Grundsatz der Gegenwart. Inzwischen ist auch bei Tod, Trauer und Bestattung deutlich mehr möglich, als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Dennoch bieten die Kirchen überlieferte Rituale an, die den Umgang mit Sterben und Verlust leichter machen sollen. Wie viel Individualität und wie viel ritualisierte Tradition ist nötig, um dem Tod gut zu begegnen?

Eine Expertin in Sachen Abschiednehmen und Trauerbegleitung ist Meike Trojansky. Mit der Pastoralreferentin der Katholischen Seelsorgeeinheit Allerheiligen in Karlsruhe sprach unser Redaktionsmitglied Roland Weisenburger.

Frau Trojansky, der Umgang mit dem Tod wandelt sich. Früher kam der Tod nach Hause, in die Wohnung, direkt in die Familie. Heute hat sich das Sterben zu großen Teilen in die Krankenhäuser verlagert. Wie gehen die Menschen mit ihrer Trauer um?
Meike Trojansky

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Menschen, die bekommen in der Trauer um einen lieben Menschen kein Wort mehr heraus, andere sprudeln fast über. Manche halten es nicht aus, mit dem Verstorbenen in einem Raum zu bleiben, andere halten die Hand noch die ganze Nacht, singen und beten mit dem Toten.

Früher war Trauer stark von religiösen Ritualen geprägt. Spielen die heute noch eine Rolle?
Meike Trojansky

Ich komme vom Dorf. Da kann man noch am Totengeläut erkennen, ob ein Mann gestorben ist, eine Frau oder ein Kind. Man kommt vor der Beerdigung zum Rosenkranz zusammen, es folgt das Sechs-Wochen-Amt und ein Gedenken nach einem Jahr.

Das klingt fast wie das Gedächtnistraining beim Lernen von Vokabeln.
Meike Trojansky

Auf jeden Fall helfen diese Rituale durch Aktivität ein Gegengewicht zu Gefühlen wie Ohnmacht oder Hilflosigkeit zu bilden. Sie helfen, Unfassbares begreiflich zu machen und geben die Möglichkeit, den Abschied von dem Verstorbenen zu gestalten. Sie sind auch wichtig, wenn im Lebensumfeld dem Verlust keine Beachtung mehr geschenkt wird.

Und eine gute Sterbebegleitung erkennt, wie viel Ritual und wie viel Individualität die Trauernden brauchen?
Meike Trojansky

Keine Verabschiedung ist wie die andere. Es gibt Trauernde, die empfinden das Waschen, Ankleiden und Zurechtmachen des Leichnams als eine Wohltat, als einen letzten Dienst an dem Verstorbenen. Das kann helfen, den Tod zu begreifen und loszulassen. Es geht nie darum, was die Kirche da alles Schöne zu bieten hat, sondern was der Angehörige, was die Familie jetzt braucht.

Kinder gehen oftmals ganz anders mit dem Tod um. Viele Erwachsene sind sich unsicher, wie man mit den Kindern darüber sprechen soll.
Meike Trojansky

Viele Bedenken, die man da als Erwachsener hat, treffen gar nicht zu. Wenn Kinder fragen, wie kommt die Oma in die Dose und meinen damit die Urne, dann sollte man sich dem stellen. Das ist nochmal eine ganz andere Verabschiedung und die kann auch den Erwachsenen helfen. Man kann Kindern die Möglichkeit geben, am Grab Luftballons steigen zu lassen, mit Grüßen an die gestorbene Oma. Ein Bestatter hat mir mal erzählt, er hat als Kind seinem Großvater ein Kuscheltier in den Sarg gelegt und ein identisches Kuscheltier behalten. Damit konnte er mit dem Opa in Kontakt bleiben.

Corona macht nicht nur das Leben, sondern auch das Sterben sehr viel schwieriger.
Meike Trojansky

Vieles von dem, was hilft, den Abschied zu verarbeiten, ist unter diesen Umständen nicht mehr möglich. Angehörige werden vom Sterbenden nicht wiedererkannt. Im Gegenteil. Es macht ihnen Angst, wenn da einer kommt, im vollen Schutzornat, und sie auch noch berühren will. Ein Abschied am offenen Sarg ist bei Menschen, die an dem Virus gestorben sind, nicht mehr erlaubt. All das behindert den Trauerprozess. Hinterbliebene hadern sehr damit, wenn sie sich nicht angemessen verabschieden können. Das kann lange nachwirken.

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