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Ex-Präsident Georgiens inhaftiert

Wirbel um gefallenen Hoffnungsträger

Einst verkörperte er den demokratischen Aufbruch Georgiens, nun schwebt der gescheiterte Reformer hinter Gittern in Lebensgefahr: Ex-Präsident Michail Saakaschwili macht Wirbel mit einem Video, das ihn stark abgemagert zeigt.

Michail Saakaschwili, früherer Präsident von Georgien, ist in Haft erkrankt und ringt nach Angaben seiner Familie mit dem Tod.
Michail Saakaschwili, früherer Präsident von Georgien, ist in Haft erkrankt und ringt nach Angaben seiner Familie mit dem Tod. Foto: Irakli Gedenidze /dpa/Reuters/AP

Die Bilder rütteln auf. Ein Patient mit schütterem Haar und eingefallenen Wangen zieht vor der Kamera sein T-Shirt hoch und entblößt seinen stark abgemagerten Oberkörper, auf dem sich die Rippen deutlich abzeichnen. Gebrechlich und krank wirkt Michail Saakaschwili, früherer Präsident Georgiens, in der Videoaufnahme aus einem Gefängniskrankenhaus, die im Internet für Aufsehen sorgt. Der stechende Blick des 55-Jährigen erinnert an frühere Zeiten; sonst aber ist der einst füllige Mann nicht wiederzuerkennen.

Der zu einer Gerichtsverhandlung per Video zugeschaltete Saakaschwili behauptet, im Gefängnis vergiftet worden zu sein und seit seiner Festnahme im Oktober 2021 die Hälfte seines Körpergewichts verloren zu haben – angeblich etwa 60 Kilogramm. Nach Angaben seiner Familie droht ihm ohne medizinische Behandlung der Tod. Er sei „geistig fit und dazu bereit, seiner Heimat zu dienen“, sagt Saakaschwili selbst und stellt klar: „Ich habe keine Verbrechen begangen und bin absolut unschuldig.“

Früher jüngster Staatschef Europas

Es ist der vorläufige Tiefpunkt in der politischen Achterbahn-Karriere des gescheiterten Ex-Reformers aus dem Kaukasus, mit dem einst sehr viele Hoffnungen verbunden waren. Der ehemalige Jurist mit langjähriger Erfahrung in einer US-Anwaltskanzlei war 2004 als jüngster Staatschef Europas angetreten, um ein kriselndes Land in den „demokratischsten Staat unter den früheren Sowjetrepubliken“ zu verwandeln. Damals war Saakaschwili gerade 36 Jahre alt.

Der fließend Englisch sprechende Ex-Justizminister wurde zum Liebling der westlichen Regierungen, nachdem er sich an die Spitze der „Rosenrevolution“ gestellt hatte, die die korrumpierte Machtelite in seinem Heimatland friedlich weggefegt hat. Saakaschwili setzte tatsächlich wichtige Reformen um und steigerte die Effizienz des Staatsapparats. Nach seiner Wiederwahl 2008 fiel er allerdings bei den Wählern und Verbündeten in Ungnade, die sich an seinem zunehmend autoritären Politikstil und angeblichen Missbrauch von Steuermitteln gestört haben. Später wurde ihm sogar die georgische Staatsbürgerschaft entzogen.

Saakaschwili wurde jedoch zum Ukrainer und leitete von 2015 bis 2016 die Verwaltung der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer. Wegen eines Konflikts mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko verlor er später den Job und seinen Pass. Der folgende Machthaber in Kiew, Wolodymyr Selenskyj, gab jedoch dem staatenlosen Ex-Gouverneur die Staatsbürgerschaft per Dekret zurück. Er gilt heute als größter Unterstützer des prominenten Häftlings.

Seit der Veröffentlichung der verstörenden Videoaufnahmen von Saakaschwili macht Selenskyj Druck auf die Regierung in Tiflis, seinem Landsmann die Ausreise in die Ukraine zu ermöglichen. Denn: „Keine Regierung in Europa hat das Recht, Menschen zu exekutieren.“

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