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Wirtschaft

Verteidiger der Bonpflicht: Wirt beklagt Steuerhinterziehung in der Gastronomie

Die Bonpflicht ist ihm nicht genug. Ein Gastwirt aus Ravensburg verklagt den Finanzminister, weil er in der Gastronomie massenhafte Steuerhinterziehung dulde. Eine neue Kontrollsoftware könnte helfen. Aber auch der kann sich ein findiger Unternehmer entziehen.

Bargeld lacht: Das Finanzamt versucht mit Bonpflicht und Sicherungssoftware für mehr Steuerehrlichkeit bei Bargeld-Geschäften zu sorgen. Eine Pflicht, moderne Kassen einzusetzen, besteht aber nicht. Dagegen klagt ein Wirt aus Ravensburg.
Bargeld lacht: Das Finanzamt versucht mit Bonpflicht und Sicherungssoftware für mehr Steuerehrlichkeit bei Bargeld-Geschäften zu sorgen. Eine Pflicht, moderne Kassen einzusetzen, besteht aber nicht. Dagegen klagt ein Wirt aus Ravensburg. Foto: dpa

Wenn Bargeld fließt, schaut das Finanzamt in die Röhre. Rund zehn Milliarden Euro jährlich, so Experten, gehen dem Fiskus durch die Lappen, weil in Wirtshäusern, Imbissbuden und Ladengeschäften Umsätze unregistriert und unversteuert eingesteckt werden.

Momentan reden viele und schimpfen die meisten über die Bonpflicht , dabei ist sie nur der kleine Teil einer großen Strategie der Finanzbehörden, für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.

Gastwirt verklagt das Finanzministerium

Der Finanzminister steht unter Druck, denn ein Wirt vom Bodensee hat ihn verklagt. In der Gastronomie, so der Vorwurf, würden so viel Steuern hinterzogen, dass der ehrliche Wirt gar nicht mehr konkurrenzfähig sein könne. „Wo das Bargeld dominiert, tut sich ein Hinterziehungs-Sumpf auf. Wer ehrlich seine Steuern zahlt und alle Mitarbeiter ordnungsgemäß beschäftigt, der kann nicht überleben“, sagt Klaus Baldauf, ein Mann aus Ravensburg, der die ganze Thematik quasi berufsbedingt in sich vereinigt.

Die vom Staat geduldete Massen-Steuerhinterziehung führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen.
Klaus Baldauf, Wirt und Steueranwalt

Baldauf ist Steueranwalt und Wirt in einer Person. Er sieht die Gleichbehandlung in Gefahr, wenn er in seiner Branche mit Steuerbetrügern konkurrieren muss und ihm der Staat nicht zu Hilfe kommt. „Die vom Staat geduldete Massen-Steuerhinterziehung“, so Baldauf, „führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen.“ Seine Klage liegt derzeit beim Bundesfinanzhof in München. Der Gastwirt hofft, mit seinem Anliegen bis vor das Bundesverfassungsgericht zu kommen.

Das Finanzamt hat derzeit schlechte Karten, wenn es darum geht, den Umsatz und damit die Steuerschuld von Kneipen und Restaurants zu ermitteln. „Es gibt sieben Betrugsprogramme, mit denen der Wirt am Abend seine Registrierkasse manipulieren kann. Da kann er praktisch selbst entscheiden, wie viel Umsatz er gemacht haben und wie viel Steuern er zahlen will“, weiß Baldauf.

Finanzamt blickt bald online in die Ladenkasse

Das soll sich ändern. „Spätestens ab September sind die Unternehmer verpflichtet, ihre elektronischen Registrierkassen mit einer Überwachungssoftware auszustatten, die dem Finanzamt den permanenten Blick in die Ladenkasse erlaubt, live und in Echtzeit“, erklärt Waldemar Fretz, Gastwirt aus Stutensee und gleichzeitig stellvertretender Landesvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga.

Diese Sicherungssoftware ist quasi die große Schwester der umstrittenen Bonpflicht. Der Papierbon, ausgedruckt und dem Kunden angeboten, dokumentiert, dass alle Umsätze elektronisch ordnungsgemäß registriert werden.

Es gibt gar keine Pflicht zur Registrierkasse

Gemeinsam mit der Sicherungssoftware müsste dann eigentlich dafür gesorgt sein, dass tatsächlich jeder Cent versteuert und damit jedes Unternehmen gleich behandelt wird.

„Ja müsste, gäbe es da nicht den Skandal, dass es gar keine Pflicht gibt, elektronische Registrierkassen zu nutzen“, wirft der Ravensburger Gastwirt ein. Er fürchtet, mit Einführung der Sicherungssoftware der Finanzämter beginne die Flucht in die offenen Ladenkassen. Denn: Bonpflicht und Überwachungssoftware funktioniert nur mit elektronischen Registrierkassen.

Es gibt Betriebe, die ihre Umsätze in Schachteln sammeln
Sprecherin des Finanzministeriums Stuttgart

Und eine Pflicht, seine Geschäfte über ein modernes Kassensystem abzuwickeln und nicht in eine Zigarrenkiste oder einen großen Geldbeutel, gibt es nicht. Das heißt, wer sich nicht in die Kasse schauen lassen will, der schafft einfach keine an.

Baldauf hält diese Regelung für verfassungswidrig. „Wer will, entscheidet am Abend selbst, wie viel Umsatz er in seine Bücher schreibt. Mit einer Prüfung durchs Finanzamt muss er statistisch alle 70 Jahre rechnen. Und wenn er tatsächlich erwischt wird, dann kann man ihm allenfalls den einen geschönten Tagesumsatz nachweisen. Wie sollte man beweisen, dass er das schon das ganze Jahr ´über so macht.“

Das Finanzministerium in Stuttgart bestätigt, dass es Betriebe gibt, die ihre Umsätze in „Geldkassetten oder Schachteln“ sammeln.

Dehoga glaubt nicht an Hinterziehung im großen Stil

Wie viele das derzeit sind, weiß die Ministeriumssprecherin nicht. Dehoga-Funktionär Fretz schätzt, dass viele der rund 6.000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 50.000 Euro in den Geldbeutel abrechnen. Er glaubt aber nicht, dass in seiner Branche Steuer in großem Stil hinterzogen wird. „Das Finanzamt kann ja überprüfen, wie viel Bier eingekauft und wie viel ausgeschenkt wurde. Allenfalls bei einem chinesischen Imbiss könnte ich mir vorstellen, dass die Zutaten schwierig nachzurechnen sind.“ Der klagende Gastwirt aus Ravensburg ist da anderer Meinung. Er fürchtet, dass deutlich mehr Unternehmen künftig zum System der offenen Kasse wechseln könnten.

Nach Umstellung in Tschechien: Weniger Betriebe, mehr Umsatz

In Tschechien habe die Einführung von Kassenpflicht, Bonpflicht und Online-Überwachung sehr gut funktioniert. „Dort haben über 400 Gastronomiebetriebe zu gemacht und der Umsatz der übrigen hat sich verdoppelt.“

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Gerade in Bäckereien – hier die Firma Dietsche in der Rastatter Innenstadt – stößt die ab 1. Januar geltende Bonpflicht auf wenig Gegenliebe. Foto: Collet

Ohne eine Kassenpflicht laufe die Überwachung aber ins Leere. „Insbesondere bei Familienbetrieben, wo man nicht fürchten muss, dass Angestellte in die Kasse greifen, ist der Trend zur offenen Kasse zu befürchten.“

Bundesfinanzhof muss entscheiden

Schließlich sei es für Gastronomen gar nicht so einfach, sich auf einen Schlag ehrlich zu machen. „Wenn Sie genau dann, wenn die Sicherungssoftware kommt, in der Steuererklärung einen starken Umsatzanstieg angeben, wird selbst ein Finanzbeamter misstrauisch und schaut vielleicht etwas genauer hin“, so Baldauf.

All zu viel Hoffnung hat er aber nicht. Vor Gericht wollte er durchsetzen, als ehrlicher Wirt künftig nur noch so wenig Steuern bezahlen zu müssen, wie seine hinterziehenden Kollegen.

Die Klage wurde vom Finanzbericht Baden-Württemberg abgeschmettert. Eine „Gleichheit im Unrecht“, so die Richter, könne es nicht geben. Über die Revision beim Bundesfinanzhof wird wohl im Laufe des Jahres entschieden.

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