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Ralf Becker und Markus Kauczinski

Alte KSC-Connection baut Corona-Opfer Dresden auf

Dynamo Dresden fühlte sich als größtes Corona-Opfer im deutschen Fußball. Der Abstieg in die Dritte Liga hinterließ Spuren. Sportgeschäftsführer Ralf Becker und Cheftrainer Markus Kauczinski sind alte Karlsruher Bekannte. Zusammen leisten sie beim Club an der Elbe Aufbauarbeit.

Dresdens Cheftrainer Markus Kauczinski (links) zusammen mit Sportdirektor Ralf Becker bei der Sommervorbereitung. Beide Ex-KSCler leisten in Dresden Aufbauarbeit.
Dresdens Cheftrainer Markus Kauczinski (links) zusammen mit Sportdirektor Ralf Becker bei der Sommervorbereitung. Beide Ex-KSCler leisten in Dresden Aufbauarbeit. Foto: Dennis Hetzschold/imago images

An die Wut und die Tränen des Dresdner Profis Chris Löwe vor der Sky-Kamera werden im Dezember einschlägige Jahresrückblicke erinnern. „Wäre dasselbe mit München oder Dortmund passiert?“, hatte der verheulte Fußballer am 18. Juni rhetorisch in den Raum gestellt. Inmitten seiner Tirade aus Ohnmacht: Die Bosse der Deutschen Fußball Liga (DFL) säßen „in ihren 5.000-Euro-Bürostühlen, und wir sind die Idioten, die den ganzen Scheiß ausbaden müssen“.

Auch Markus Kauczinski und sein Interview drei Tage später, nach einem 1:0 beim SV Sandhausen, gehört zur Geschichte des bislang größten Corona-Opfers im deutschen Fußball. Was das 1:0 wert sei, wollte Fernsehmann Marcus Lindemann von ihm wissen. „Ja, nichts“, antwortete Kauczinski. „Wir sind abgestiegen. Oder habe ich etwas nicht mitgekriegt?“

Lindemann erwähnte die theoretische Chance, dass Dynamo am letzten Spieltag die um 14 Tore schlechtere Tordifferenz gegenüber dem KSC aufholen könnte. „Soll das ein Witz sein? Wollen Sie mich jetzt hier verarschen, oder was?“, blaffte Kauczinski. Seine Mannschaft hatte im Anschluss an eine 14-tägige häuslichen Quarantäne acht Ligapartien in nur 21 Tagen bestritten. Und war am Ende das, was fast jeder schon wusste: abgestiegen.

Gang vor das Zivilgericht ohne Aussicht

Das Sportgericht des Deutschen Fußball Bundes (DFB) wird später nichts von einer „Wettbewerbsverzerrung“ wissen wollen und die von Dynamo vorgeschlagene Aufstockung der Zweiten Liga auf 20 Clubs nicht erwägen. Eine Woche vor dem Liga-Ende hatten die Dresdner eine Hamburger Anwaltskanzlei eingeschaltet.

„Mit ihr zusammen waren wir auch bei der DFL und haben verschiedene Gespräche geführt. Da ging es um das Zivilrechtliche und das Sportliche. Am Ende war es einfach so, dass der Aussicht auf Erfolg, in welcher Form auch immer, als minimal erachtet wurde. So haben wir uns einstimmig dazu entschieden, auch wenn wir es als ungerecht ansehen, die Situation zu akzeptieren und unsere Kräfte für die Zukunft bündeln und sportlich eine gute Reaktion zeigen.“ Das erzählt Dresdens Sportgeschäftsführer Ralf Becker den Badischen Neuesten Nachrichten.

Auch sagt er: „Ich war ein Jahr raus aus dem Geschäft. Da sieht man die Gesellschaft und natürlich auch den Fußball etwas mit Abstand. Ich fand, dass die DFL, im Vergleich zur Dritten Liga, ein sehr gutes Bild abgegeben hat. Das einzige, was ich im Nachgang etwas schade fand: Jeder Verein hat, um das Große und Ganze zu retten, seine Interessen erst mal hinten angestellt. Nachdem alles gerettet war, dachte ich nicht, dass man Fragen nach Gerechtigkeit und Chancengleichheit stellen müsste. Da bin ich eines Besseren belehrt worden. Das Thema Solidarität hat in Frankfurt nicht mehr zu einem Nachdenken geführt, ob es nicht noch andere Wege als den eingeschlagenen gegeben hätte.“

Riesenumbruch dauert an

Sieben Wochen sind seit den medialen Eklats auf den letzten Metern zum Abstieg vergangen. Löwe spielt weiter für Dynamo, Kauczinski baut auch mit ihm neu auf. Die Situation ähnelt der, wie er sie 2012 beim KSC zu meistern hatte. Becker mischt seit dem 1. Juli mit. Zusammen mit dem Cheftrainer, einem Bekannten aus gemeinsamen Tagen beim KSC, muss der 49 Jahre alte Leonberger Ordnung in den Drittliga-Kader des sächsischen Traditionsclubs und in dessen aufgewühlte Gefühlswelten bringen.

„Viele Spieler waren ausgeliehen, viele Verträge liefen durch den Abstieg aus. Am ersten Tag bin ich mit Markus und unserem Kaderplaner Kristian Walter einen halben Tag zusammengesessen und wir haben die Situation analysiert. Wir haben jetzt 20 Spieler verloren, Stand jetzt zwölf Spieler verpflichtet“, sagt Becker, der erst im März seinen Lebensmittelpunkt nach Stuttgart zurückverlegt hatte.

Nachdem alles gerettet war, dachte ich nicht, dass man Fragen nach Gerechtigkeit und Chancengleichheit stellen müsste. Da bin ich eines Besseren belehrt worden.
Ralf Becker, Sportchef Dynamo Dresden

Patrick Weihrauch (Arminia Bielefeld), Julius Kade (Union Berlin), Yannick Stark (SV Darmstadt 98), Tim Knipping (Jahn Regensburg) und Jonathan Meier (FSV Mainz 05) zählen zu den namhafteren Zugängen. „Es wird kein Spieler verpflichtet, den entweder ich oder der Trainer nicht möchte. Das ist ein Grundsatz, den wir hier verfolgen“, berichtet der Sportgeschäftsführer der Sachsen.

Ralf Becker war einst Trainerassistent bei Edmund Becker, als der KSC zwischen 2007 und 2009 zuletzt in der Bundesliga spielte. Während dieser Zeit verbrachten die Beckers und der damals im Nachwuchsleistungszentrum beschäftigte Kauczinski im KSC-Clubhaus häufig ihre Mittagspausen gemeinsam.

Emotionalität und Verbundenheit

Viele Jahre sind ins Land gezogen. Ralf Becker war später Sportdirektor bei Holstein Kiel und Sportvorstand beim Hamburger SV, nun wirkt der Ex-Profi (u.a. Bayer Leverkusen, Stuttgarter Kickers, KSC) erstmals im Osten. Was ihn reizte, das Angebot anzunehmen? „Ich finde, dass der Verein mit seiner Tradition und seiner Fankultur wahnsinnig interessant ist. Es gibt eine Etage höher erfolgreichere Vereine mit viel, viel weniger Emotionalität und Verbundenheit zur Stadt und ihren Fans. Ich bin froh, hier zu sein, und werde alles dafür tun, damit wir in den kommenden Jahren wieder erfolgreichere Zeiten haben“, fällt Becker dazu ein. Und die Stadt, die er als „sehr schön und offen“ beschreibt.

Das Klima um den Verein erlebt er bislang anders als es ihm negative Schlagzeilen Glauben machten. „Viele Klischees, die an Dynamo haften, kann ich nicht bestätigen. Der Verein wird von manchen immer mal wieder in eine Schublade als rechter Verein geschoben, das sehe ich überhaupt nicht. Die Fan-Basis ist breit.“ Die frühere Karlsruher Connection an der Elbe sei „voller Zuversicht und davon überzeugt, dass wir gut aufgestellt sind. Wir wollen direkt performen und gute Leistungen und Ergebnisse erbringen. Wir gehen die Sache positiv an“. Die alte SG Dynamo bemüht sich mit Fußball-Knowhow aus dem Ländle um eine bessere Zukunft.

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