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Brisanz mal nur auf dem Platz

KSC gegen Stuttgart: Derby unter Geister-Vorzeichen

Für die Fans des Karlsruher SC ist es das Spiel des Jahres. Eigentlich. Und für die Polizei das Duell des KSC gegen den VfB Stuttgart die heikelste Aufgabe der Saison. Eigentlich. Doch weil wegen den Folgen der Corona-Pandemie auch in der Zweiten Fußball-Bundesliga ohne Zuschauer gespielt wird, steht das Derby am Sonntag im Karlsruher Wildpark unter besonderen Vorzeichen.

Geisterstimmung schon im Hinspiel: Wegen eines umstrittenen Polizei-Einsatzes war der KSC-Block in Stuttgart nur mäßig gefüllt.
Geisterstimmung schon vor Corona: Wegen eines umstrittenen Polizei-Einsatzes war der KSC-Block in Stuttgart im November 2019 nur mäßig gefüllt. Foto: GES

Auch ein Geister-Derby mag noch immer ein Derby sein – aber eben eines, in dem die Brisanz am Sonntagmittag tatsächlich mal nur im Sportlichen liegt. Polizei wie Fanprojekt rechnen jedenfalls damit, dass es ruhig bleibt rund um die Partie im Wildparkstadion. Derweil dauert das rechtliche Nachspiel der Vorkommnisse aus dem Hinspiel, als fast 600 KSC-Fans von der Stuttgarter Polizei stundenlang festgesetzt worden waren, noch immer an.

Bei der Partie am Sonntag (14. Juni), zu normalen Zeiten ein „Hochrisikospiel“, wird die Polizei mit Kräften in „zweistelliger Zahl“ im Einsatz sein, sagt Lutz Schönthal, der für KSC-Spiele zuständige Einsatzleiter der Karlsruher Polizei.

Polizei nur mit einem kleinen Aufgebot in der Corona-Krise

Würde das Landes-Duell wegen der Folgen der Corona-Pandemie nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, wären es weit mehr als 500 Beamte. Über „Wasserwerfer, Pferde und Anti-Konfliktteams“ habe man nicht nachdenken müssen, sagt Schönthal, der ein „Restrisiko“ sieht. Deshalb werden Beamte auch im Stadtgebiet unterwegs sein.

Am Wildparkstadion werden möglicherweise ein paar mehr KSC-Fans auftauchen als bei den ersten Heimspielen ohne Zuschauer. „Da waren es nicht mal eine Handvoll“, sagt Fanprojektler Volker Körenzig, der von Amts wegen vor der Stadionbaustelle stand. Ein zweifelhaftes Vergnügen: Ein „echt frustrierendes“ Erlebnis sei das, „noch schlimmer als vor dem Fernseher“.

KSC-Fans leiden doppelt: Abstiegs-Angst und Geister-Derby

Die Anhänger der Badener leiden dieser Tage ja doppelt. „Den KSC im Abstiegskampf nicht unterstützen zu können belastet mich weitaus mehr, als 'nur' das Derby nicht sehen zu können“, sagt Daniel Schneider, der Vorsänger der Karlsruher Kurve, die zwangsweise still bleibt.

„Unsere Kurve wäre gerade im Derby sicher eine Trumpfkarte gewesen“, sagt Schneider angesichts der Bedeutung der Partie. Der KSC benötigt dringend Zähler, um nicht wieder in die Dritte Liga zu stürzen. Und der VfB braucht die Punkte, um aufzusteigen.

„Das Spiel ist brutal wichtig. Wir müssen gewinnen“, sagt Körenzig. Eine „sportlich richtig brisante Kiste“, weiß auch Schönthal. Und wäre alles normal, dann wäre es auch für die Polizei eine solche. So aber sehen Fanarbeiter wie Polizei zumindest in dieser Hinsicht dem Derby „wesentlich entspannter“ als üblich entgegen.

Wieder Provokationen im Vorfeld der Partie?

Im Vorfeld des bislang letzten Derbys am 24. November 2019 in Stuttgart hatten VfB-Ultras in Karlsruhe bereits Straßenbahnen unter anderem mit Slogans wie „Anti KA“ besprüht. Es war nicht das erste Mal, dass die Schwaben in Baden Spuren hinterließen.

„Mit solchen Provokationen ist in den Tagen vor dem Spiel zu rechnen“, sagt Schönthal. Mit Anhängern aus der aktiven Stuttgarter Fanszene am Spieltag dagegen nicht. Bundesweit lehnen die aktiven Fans und Ultra-Szenen, die in der Corona-Zeit zahllose soziale Projekte unterstützten oder initiierten, den Spielbetrieb ohne Zuschauer mehrheitlich ab.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Denkbar wäre freilich, dass einige KSC-Fans die Mannschaftsbusse in Empfang nehmen. Den einen sicher nicht freundlich, den „eigenen“ dafür umso feuriger – als einzige mögliche Motivationshilfe.

Umstrittener Polizei-Einsatz im Hinspiel

Schon im Hinspiel, das der VfB 3:0 gewann, fehlte dem KSC die Unterstützung von den Rängen. Hunderte Anhänger der Badener waren bei einem umstrittenen Polizeieinsatz offiziellen Angaben zufolge drei Stunden und 37 Minuten lang eingekesselt worden, der Gästeblock blieb daraufhin halb leer und weitgehend stumm.

Insgesamt 591 Anhänger aus Karlsruhe wurden erkennungsdienstlich behandelt. Als Grund gab die Polizei an, dass es zuvor auf dem Weg zum Stadion zu vereinzelten Straftaten gekommen sei. Mehr als sechs Monate danach dauert die polizeiliche Aufarbeitung aufgrund der Flut von Daten und Bildern noch an. Den genauen Sachstand konnte die Polizei Stuttgart auf Anfrage am Dienstag zunächst nicht darlegen.

Ermittlungsverfahren gegen Einsatzleitung laufen noch

In der Folge des Einsatzes waren auch zirka 100 Strafanzeigen gegen die Einsatzleitung der Polizei eingegangen. „Die Ermittlungsverfahren sind derzeit noch nicht abgeschlossen“, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Dienstag den BNN mit. Die Ermittlungen führt die Mannheimer Behörde.

Auch für eine Familie aus dem Raum Ettlingen, deren 17 Jahre alter Sohn einer der Betroffener war und deren Fall die BNN seither begleiten, ist die Derby-Akte noch nicht geschlossen. Sie kämpfen mittlerweile auf dem Gerichtsweg darum, dass die aufgenommenen Daten ihres Sohnes wieder gelöscht werden.

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