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Besuch in Sebastian Vettels Heimatstadt

Der Fanbus in Heppenheim bleibt wohl vorerst rot

Die Fans in „Vettelheim“ sind erleichtert, dass der berühmteste Sohn der Stadt nun von Ferrari zu Aston Martin wechselt. Die Euphorie für den Formel-1-Star hat in der südhessischen Kleinstadt vielleicht etwas nachgelassen, die Treue nicht.

Vettel-Fanbus mit Aufschrift „Vettelheim“ und den beiden Fanclub-Vorsitzenden Toni Nicklisch und Matthias Bendt.
Noch kommt der Vettel-Fanbus im roten Lack daher. Die beiden Fanclub-Vorsitzenden Toni Nicklisch und Matthias Bendt freuen sich aber schon auf den Wechsel ihres Stars zu Aston Martin. Foto: Marco Partner

Von Marco Partner

Die Farbe bleibt erstmal. In einem bulligen Rot steht er da, der Fanbus für den berühmtesten Sohn der Stadt. Fünf Jahre lang trug Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel das Rosso Corsa von Ferrari, ab der kommenden Saison wird der gebürtige Heppenheimer für Aston Martin ins Rennen gehen. In seiner Heimatstadt an der baden-württembergisch-hessischen Landesgrenze reagiert man mit Vorfreude und Erleichterung auf den bevorstehenden Wechsel, ohne gleich in Euphorie auszubrechen.

„Endlich!“, Es wurde Zeit!“, Es kann nur besser werden!“, sind die einhelligen Meinungen beim Ersten-Sebastian-Vettel-Fanclub. Während ihr 33-jähriges Idol gerade die schrecklichste Saison seiner Karriere durchfährt, träumen seine Anhänger schon ein wenig von der Zukunft. Wenn unter der Rennhaube des viermaligen Weltmeisters ein Mercedes-Motor aufheult, und er seiner Geburtsstadt wieder alle Ehre macht.

„Vettelheim“: 2010 wurde der 26.000-Seelen-Ort an der Bergstraße kurzerhand umbenannt, als der damals 23-jährige Vettel in Abu Dhabi seinen ersten WM-Titel einfuhr. Die Bilder mit über 120.000 Formel-1-Verrückten und einem stolzen südhessischen Papa gingen durch ganz Deutschland. Auch heute noch werden Autofahrer neben dem Ortschild spaßeshalber von einem Vettelheim-Plakat begrüßt. Auch am Fanbus prangt der Begriff, für den der damals aus der Euphoriewelle heraus gegründete Fanclub die Marketingrechte besitzt.

Nach jedem Rennen bekommt Vettel Mails aus Heppenheim

Doch ausgerechnet zum zehnten Jahrestag durchwandern Idol und Anhänger eine Talsohle. Im Frühjahr konnte beim Fastnachts-Umzug noch ein Bolide aus 900 Apfelwein-Dosen präsentiert werden. Ansonsten ist man im Jubiläumsjahr spärlich gesegnet. Kein Public Viewing mit sonst rund 2.000 Zuschauern, keine Titel und Erfolge. „Man geht als Fan auch durch schlechte Zeiten“, sagt Gerhard Siglmüller. Nach jedem Rennen werden weiter E-Mails an den heimischen Superstar geschrieben. Für gewöhnlich Glückwünsche, zur Zeit eher Trostspender.

„Wir sind froh, dass er überhaupt weitermacht, er hätte auch ein Sabbatjahr einlegen können“, so der Fan aus Groß-Gerau, der seit 2011 Mitglied im Fanclub ist. Und er erinnert an einen anderen Rennstallwechsel. Seine größte Zeit erlebte der damalige Shooting Star nämlich im Team von Red Bull, als er im blauen Renault der Konkurrenz davonbrauste. Von 2011 bis 2013 fuhr Vettel die Weltmeistertitel Nummer Zwei bis Vier ein und wandelte schon auf den Spuren seines Kindheitsidols und siebenfachen Champion Michael Schumacher.

„Mit dem Wechsel zu Ferrari hatten wir gehofft, dass er an den Schumi-Erfolgen mit den Italienern anknüpft“
Matthias Bendt, Fanclub-Vorstand

„Mit dem Wechsel zu Ferrari hatten wir gehofft, dass er an den Schumi-Erfolgen mit den Italienern anknüpft“, betont der Zweite Vorsitzende Matthias Bendt. Tatsächlich kam bei der Scuderia kein weiterer Weltmeistertitel hinzu. Und auch der Verein hatte so seine Problemchen mit dem extravaganten Autokonzern. Das Logo mit dem sich aufbäumenden Pferd war aus Marketingrechten auf Flyern und Co. unerwünscht. Auch die Unterstützung bei öffentlichen Veranstaltungen hielt sich in Grenzen. Das sei beim Dosen-Konzern aus Österreich anders gewesen. Die fliegenden Bullen sind schließlich auf Events getrimmt. „Da passten wir genau in die Zielgruppe“, verrät Siglmüller.

„Wir sind Vettel-Fans, keine Ferrari-Fans“, stellt er klar, dass ob des Wechsels keine Wehmut ausbricht. Doch auch wenn der Erfolg oftmals auf der Strecke blieb, bleiben auch schöne Erinnerungen. In Modena durfte man das eher abgeschottete Ferrari-Werk besuchen, und bei „Mamma Rosella“ speisen. Dort, wo auch Schumi in seiner erfolgreichen Ferrari-Zeit dinierte. Beim Grand-Prix in Monza fuhr man mit dem roten Fanbus auf dem unmittelbar neben der Rennpiste gelegenen Campingplatz vor und schloss eine anhaltende Freundschaft zu einem italienischen Fanclub.

Auch in „Hepprum“ dominiert der Fußball

Zur Spitzenzeit zählte der Vettel-Club über 500 Mitglieder, seit dem ausbleibenden Erfolg gehen die Zahlen kontinuierlich nach unten. Aktuell steht man bei 304 treuen Fans, gerade mit dem jetzigen Wechsel zu Aston Martin kamen ein paar neue Gesichter hinzu. Auch sonst ist vom einstigen Vettel-Hype in Heppenheim wenig zu sehen. Außer Plakat und Bus erinnert in der idyllischen Weinstadt wenig an den heimischen Rennheld, oder gar an Ferrari. In der von Fachwerkhäusern geprägten Altstadt wehen für gewöhnlich keine Formel-1-Fahnen. Dafür sind die engen Gassen auch bei anderen Autokonzernen beliebt. Porsche drehte hier wie in Heidelberg zum Jahresbeginn einen Werbespot, der zum NFL-Superbowl präsentiert wurde. Und Bollywood-Filmproduzenten haben die „deutsche Kulisse“ mit Pflastersteinen und Weinhängen schon längst für sich entdeckt.

Die Vorstellung von Ferrarirot angemalten Häusern oder Kindern, die in Vettel-Bettwäsche schlafen: Der Vize-Vorsitzende Bendt muss lachen. „Ehrlich gesagt, ist Heppenheim nicht Formel-1-verrückter als andere Kleinstädte. Meine Kinder spielen zwar im Garten Vettel gegen Räikkönen, aber das lebe ich ihnen auch vor.“ Ansonsten dominiere auch in „Hepprum“ der Fußball, mit Fans aller Couleur: Frankfurt, Darmstadt, Waldhof, bei machen schlägt das Herz noch für die Roten Teufel aus Kaiserslautern.

Und wie ist das nun mit den neun Farben? British Green oder zartes Rosa, in welchen Look der neue Aston-Martin-Bolide aus dem Rennstall kommt, ist noch offen. „Wir nehmen es wie’s kommt. Von mir aus auch kombiniert“, sagt Bendt. Bis dahin bleibt es auch beim Bus in „Vettelheim“ beim roten Lack. Unabhängig von der Farbenlehre überwiegt die Hoffnung, dass ihr „Seb“ wieder in die Spur kommt und sich die Pole Position zurückergattert. Auf den Kurven, die für Formel-1-Fans die Welt bedeuten.

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