Allein die nackten Zahlen sind erschreckend: Laut Statistischem Bundesamt starben im Jahr 2021 in Deutschland 9.215 Personen durch Suizid. Jeden Tag sind das im mathematischen Durchschnitt über 25 Personen. Manche sterben ganz allein, andere suchen die öffentliche Bühne. Manche sterben, ohne Verwandte und Angehörige, andere hinterlassen Verzweiflung, Wut und Trauer.
Hinter diesen nackten Zahlen stehen genau 9.215 Schicksale. 9.215 Geschichten über Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie sich das Leben nehmen. Doch wie berichten wir, die BNN über diese Menschen und deren Schicksale?
Große Verantwortung für den Journalismus
Für Journalisten ist die Berichterstattung heikel. Wir haben eine große Verantwortung und müssen oftmals unter großem Zeitdruck abwägen: öffentliches Interesse versus Persönlichkeitsschutz. Grundsätzlich stufen sowohl der Deutsche Presserat als auch der Gesetzgeber die Persönlichkeitsrechte eines Menschen – auch posthum – im Regelfall höher ein als die Interessen der Öffentlichkeit.
So heißt es in der Richtlinie 8.7 im Deutschen Pressekodex, zu dem sich auch die Badischen Neuesten Nachrichten bekennen, wörtlich Folgendes: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände.“
Diskussion über „Werther-Effekt“
Warum ist das so? Vor allem die mögliche Verhinderung eines Folgesuizides nimmt uns Journalisten in die Pflicht. In der Wissenschaft wird dabei kontrovers über den sogenannten Werther-Effekt diskutiert. Werther ist als junger Rechtspfleger Hauptfigur in Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werthers“ und bringt sich wegen einer unglücklichen Liebesbeziehung um.
Nach Veröffentlichung des Romans im Jahr 1774 soll es zahlreiche Nachahmer gegeben haben. Inzwischen gibt es mehrere Untersuchungen und Analysen, dass Texte, die einen Suizid spektakulär und nachvollziehbar darstellen, bei Menschen einen Impuls auslösen können, die Tat durchzuführen.
bnn.de prüft jede Berichterstattung über Suizid
Was heißt das ganz konkret für die BNN? Wir prüfen eine Berichterstattung in jedem Einzelfall. Nimmt sich ein Mensch im privaten Umfeld das Leben, dann berichten wir auch nicht darüber.
Doch es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel bei Personen von öffentlichem Interesse – also Menschen, die einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Der deutsche Sänger Daniel Küblböck, Torwart Robert Enke oder der amerikanische Schauspieler Robin Williams sind solche Beispiele. Oder bei Suiziden, die in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen.
Ein Beispiel wäre, wenn sich jemand mitten in einer Stadt aus einem Hochhaus stürzen würde. Was aber für alle Fälle – wenn wir als BNN darüber berichten – immer gleich ist: größtmögliche Zurückhaltung und das Vermelden der Fakten. Zudem setzen wir auf bnn.de am Ende der Texte, die einen Bezug zu möglichen Suiziden haben, folgenden Hinweis zur Möglichkeit der Telefonseelsorge.