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Trend in Gastronomie

Andis Spätzle und Gondorfs Hähnchen – die Spezialisten unter den Gastronomen sind in der Erfolgsspur

„Die Spezialisten unter den Gastronomen nehmen extrem zu”, sagt der stellvertretende Dehoga-Landesvorsitzende Waldemar Fretz. Und das hat gute Gründe.

Koch Andi Reichle probiert Spätzle.
Der Schwabe und seine Spätzle: Andi Reichle hat die Beilage in seinem Bad Herrenalber Lokal zur Hauptspeise gemacht. Foto: Andrea Fabry

KSC-Profi Jerôme Gondorf lässt mit seinem Bruder Patric im gemeinsamen Malscher Lokal Hähnchen servieren. Andi Reichle macht seit 19 Jahren in seiner Spätzlestube in Bad Herrenalb eine Beilage zur Hauptspeise.

Was ein gescheiter Schwabe ist, dem schmecken Spätzle. Andi Reichle hat bereits eine Spätzlemeisterschaft gewonnen, ein ergonomisches Spätzlebrett entworfen und historische Utensilien fürs Spätzle-Schaben gesammelt – ausgestellt in „Andis Spätzlestube“ in Bad Herrenalb. Der Koch setzt seit 19 Jahren in seinem Lokal nur auf eine Spezialität: handgemachte Spätzle aus Dinkelmehl in allen möglichen Variationen, von „Spätzle mediterran“ bis „Spätzle süß-scharf asiatisch“.

Mit Erfolg, denn es nehmen ebenso Teenager wie Senioren Platz an seinen Tischen. Selbst Corona habe ihn nicht in die Bredouille gebracht. „Das Konzept ist immer aufgegangen“, sagt Reichle.

„Die Spezialisten nehmen extrem zu.“
Waldemar Fretz, stellvertretender Landesvorsitzender des Branchenverbandes Dehoga

Ein schmales Sortiment, aber das in einer extremen Tiefe, das ist ein Trend in der Gastronomie-Branche. „Die Spezialisten nehmen extrem zu“, ist sich Waldemar Fretz sicher. Als früherer Wirt des „Hoepfner-Burghofs“ in Karlsruhe habe er mit Zubehör 800 Artikel gebraucht. „Das geht heutzutage nicht mehr. Man kann nicht mehr die breite Masse an Speisen anbieten“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende des Branchenverbandes Dehoga.

Koch Patric Gondorf im Lokal  "Fräulein Chicken" in Malsch
Hauptsache Hühnchen: Bei „Fräulein Chicken” in Malsch kräht der Hahn sogar auf dem Anrufbeantworter. Patric Gondorf betreibt das Lokal zusammen mit seinem Bruder Jerôme. Foto: Rake Hora

Zunehmend wird in den Küchen penibel kaufmännisch kalkuliert: Wer beispielsweise nur Pommes-frites in allen Variationen anbietet, kauft diese vergleichsweise günstig ein. Zudem wird die Lagerhaltung minimiert. Das gutbürgerliche „Gasthaus an der Ecke“, das vom Aussterben bedroht ist, muss oft Pommes-frites, Knödel, Spätzle, Kartoffeln, Schupfnudeln und Kroketten auf Lager haben, ohne genau zu wissen, was dem Gast wann mundet – und das geht ins Geld.

Gastronomie-Spezialisten agieren weltweit und lokal: Starbucks hat die Kaffeezubereitung quasi neu erfunden. In Deutschland mundet die Burger-Vielfalt der Kette „Hans im Glück“ vielen Gästen. Und auch in der Region wird fleißig experimentiert mit stimmigen Konzepten.

Bei Gondorfs „Fräulein Chicken” kräht der Hahn lautstark Kikeriki

Wer bei „Fräulein Chicken“ in Malsch außerhalb der Öffnungszeiten telefonisch einen Tisch reservieren will, wird mit lautem Kikeriki begrüßt. In dem Lokal, das der KSC-Profi Jerôme Gondorf zusammen mit seinem Bruder Patric betreibt, kommen (fast) nur Hähnchen auf den Tisch, aber eben in fünf Schärfevariationen – von „normal“ bis „Vulkanausbruch“ -, mit acht Dips und großer Beilagen-Vielfalt. Und nach dem Interieur krähen viele Hähne, pardon: Gäste.

Restaurant FreshSub Filiale in der Karlsruher Kaiserpassage
Spezialisiert auf Sandwiches: Auch FreshSub beweist, dass sich Lokale lohnen, die sich auf eine Speise konzentrieren. Foto: Rake Hora

Vor knapp zwei Jahren haben die Gondorfs das Lokal eröffnet. Patric Gondorf kannte die Branche, der regionale Markt wurde zuvor untersucht. „Ich wusste, von der Qualität wird es schwer, an uns heranzukommen”, sagt er. Den Namen „Fräulein Chicken” („wir wollten etwas peppiges”) ließ er schützen, inzwischen ist dieser im Großraum Karlsruhe bekannt. Beim Logo des Lokals griff der Grafiker übrigens ein Foto auf, das Jerôme Gondorfs Tochter Amelie zeigt. Die wirft darauf einen Kussmund zu – und wurde „Fräulein” gerufen.

Konzepte wie „Fräulein Chicken” haben nichts mit der biederen „Wienerwald“-Gemütlichkeit aus den 1950-er-Jahren zu tun. Unter dem Motto „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“ lancierte damals Friedrich Jahn eine Spezialitäten-Gastronomie-Kette. Nach drei Insolvenzen sind davon in Deutschland nur noch 17 Lokale übrig, die aber optisch ins 21. Jahrhundert passen.

 Restaurant FreshSub Filiale in der Karlsruher Kaiserpassage
Spezialisiert auf Sandwiches: Auch FreshSub beweist, dass sich Lokale lohnen, die sich auf eine Speise konzentrieren. Foto: Rake Hora

„Ich bin Schwabe, da muss es doch auch möglich sein, unsere Esskultur hervorzuheben.”
Andi Reichle, Wirt von „Andis Spätzlestube”

„Konzepte ändern sich immer wieder“, sagt Gastronomie-Fachmann Fretz. Derzeit sei vegetarisch angesagt. Davon profitiert auch Freshsub-Gründer Philipp Schneider, der sich vor allem auf Sandwiches spezialisiert hat. Drei Filialen gibt es im Badischen und drei über einen Franchise-Partner in Saudi-Arabien. „Man muss ein scharfes Profil haben“, sagt der Betriebswirt. „Die Emotion ist wichtig, die man weckt.“ In den 17 Freshsub-Jahren hat er offenbar gut verdient, so dass er auch im Corona-Jahr ins Risiko gehen kann: Im September verwirklicht er in der neuen Volksbank-Filiale am Karlsruher Rondellplatz ein weiteres neues Restaurantkonzept „Pheels“.

Aber was sagen die Gäste? „Ich finde es toll, wenn es eine so große Auswahl gibt“, meint Daniela, die bei Freshsub Karlsruhe in der Schlange steht. Das hängt auch mit ihrer Reiselust zusammen. Japanische Burger aus Japan („Bao“), die vermisse sie noch in Karlsruhe. Max (17) räumt ein, kein Freshsub-Stammgast zu sein, mag aber auch die Abwechslung.

Keinen Kilometer weiter sitzen Olli und Antonella im „Waffelwerk“. Übers Internet sind die beiden auf den Waffel-Spezialisten gekommen, der vor allem bei Teenagern populär ist. David Grandel und seine Freundin Alina Steinsdörfer haben sogar ihr Rendezvous ins „Waffelwerk“ verlegt – sie kommen aus Kraichtal-Münzesheim und aus Bruchsal. „Es sieht gut aus und schmeckt auch gut hier“, meint David.

Ikeas „Köttbullar” ist legendär

Spezialisierte Speiserestaurants gibt es viele in der Region. Aber in Karlsruhe wurden so manche einst neuen Konzepte auch getestet. So etliche der „Enchilada“-Gruppe (Gräfelfing bei München). Sie hat in Karlsruhe das „Dean & David“ (Salat), Aposto (italienisch), Besitos (spanisch), Lehners Wirtshaus (österreichisch) und Enchilada (mexikanisch).

Auch innerhalb der jeweiligen Vertriebsschiene gleicht kein Lokal dem anderen – aber im Hintergrund läuft eine einheitliche Waren- und Personalwirtschaft ab. Damit hat die Enchilada-Gruppe im Jahr 2018 mit 119,4 Millionen Euro Umsatz erneut die deutsche Spitzenposition im Branchensegment „Freizeitgastronomie“ verteidigt. Übrigens vor den - ebenfalls je nach Themenbereich spezialisierten -Gastronomieangeboten des Europa-Parks mit 106,3 Millionen Euro.

Enchilada reagiere darauf, dass die Kunden wählerisch beim Essen seien, sagt Fretz: heute mexikanisch und morgen italienisch beispielsweise.

Der Koch Andi Reichle mit seinen Spätzle
Der Schwabe und seine Spätzle: Andi Reichle hat die Beilage in seinem Bad Herrenalber Lokal zur Hauptspeise gemacht. Foto: Andrea Fabry

Schwedische Küche macht Ikea seit Jahrzehnten den Menschen schmackhaft. Laut Statista setzte die deutsche Ikea-Gastronomie 2019 rund 250 Millionen Euro um. Zum Vergleich: 2010 waren es noch 175 Millionen Euro. Neu ist der „Plantbullar“ als pflanzliche Alternative zum „Köttbullar“, sagt Pressesprecherin Nathalie Schmoll.

Auffallend sei, dass vor allem in Ikea-Filialen in Innenstädten – wie in Hamburg-Altona – Besucher auch nur zum Essen kommen, etwa zum Frühstück oder zum Mittagstisch. Davon könnte auch die city-nahe Karlsruher Ikea-Filiale profitieren, die am 24. September eröffnet wird – mit einem Restaurant für 301 Besucher.

Konzepte ändern sich immer wieder.
Waldemar Fretz, Gastronomie-Fachmann

Der Möbel-Multi Ikea betreibt bei seinen Expansionsplänen intensive Marktforschung. Beim Koch Andi Reichle aus Bad Herrenalb war es vor allem sein Bauchgefühl: Im Urlaub in Norddeutschland fand er die spezialisierten „Kartoffelhäuser“ klasse.

„Da habe ich mir gesagt: ,Ich bin Schwabe, da muss es doch auch möglich sein, unsere Esskultur hervorzuheben.‘“ Zunächst testete er in seiner Sportgaststätte in Straubenhardt mit weniger Gerichten, wie das ankommt, wenn man die Beilage Spätzle zur Hauptspeise macht. 2001 eröffnete er „Andis Spätzlestube“. Wie die gastronomische Erfolgs-Story weiterging, ist bekannt.

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