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Bimmerle und Kammer-Kirsch

Traditions-Brennereien im Porträt: Wo der Geist in die Flasche kommt

Der Lagerkeller von Kammer-Kirsch in Karlsruhe stammt aus dem 18. Jahrhundert. Bimmerle produziert in Sasbach in einer neuen High-Tech-Brennerei für die Freunde von Geistreichem auf dieser Welt. Beide Brennereien stellen auch Trend-Getränke her.

Brennerei Kammer-Kirsch in der Mühlburger Hardtstraße mit Geschäftsführer Gerald Erdrich
Der Herr der Fässer: Über 500 davon, gefüllt mit Spirituosen, hat Kammer-Kirsch-Chef Gerald Erdrich im historischen Gewölbekeller im Karlsruher Stadtteil Mühlburg. Foto: Rake Hora

Ein paar Türen knarzen. Einige Treppenstufen abwärts, dann ist man in dieser anderen Welt, die an eine Zeit erinnert, als noch der Adel regierte und kein Auto durch den Karlsruher Stadtteil Mühlburg knatterte: Der Gewölbekeller der Brennerei Kammer-Kirsch stammt aus dem 18. Jahrhundert.

An den Wänden und Decken wuchert der gute Penicillinpilz. Feucht ist es in dem Gemäuer. Das hat einen großen Vorteil: So verdunstet weniger der wertvollen Spirituosen aus den über 500 Fässern – Fachleute sprechen vom sogenannten „Angels‘ Share“, der Anteil, den sich die Engel am Schnaps gönnen.

Kammer-Kirsch-Chef sieht eine Renaissance bei Obstbränden

Gerald Erdrich ist dabei, das Fasslager zu vergrößern. Im Holzfass gereifte Edelbrände würden immer beliebter. Die Geschäfte laufen rund bei Kammer-Kirsch, sagt der Chef. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1909, als beschlossen wurde, eine Lehr- und Versuchsbrennerei für das Land Baden zu schaffen. „Ich glaube, dass man bei Obstbränden allgemein eine Renaissance sehen kann. Die Leute, auch junge Menschen, fangen wieder an zu probieren.“

Längst sind die Nordbadener aber mehr als Kirschwasser-Spezialisten. Erdrichs Team brennt Gin und in Kooperation mit der Staatsbrauerei den Black Forest Single Malt Whisky. 40 Prozent des Umsatzes, 2019 waren es nach Erdrichs Angaben rund zehn Millionen Euro, macht die Unternehmensgruppe mit Spirituosen, die sie zuvor importiert hat.

Umgekehrt gehen Produkte aus Baden in die weite Welt: Russland ist der größte Markt, in Japan und Taiwan kennen ebenfalls Connaisseure Kammer-Kirsch. Und im US-Staat New Jersey hat Erdrich sogar ein Lager.

Botschafter in Sachen Schnaps & Co.

Teures Marketing, wie es bei den Spirituosen-Multis üblich ist, kann sich der – inklusive freien Mitarbeitern – 22-Mann-Betrieb nicht leisten. Stattdessen preisen in Deutschland zwölf sogenannte Ambassadeure – Botschafter – bei Tastings das Hochprozentige aus Karlsruhe an. „Im Englischen heißt das liquid to the lip“, sagt Erdrich. Frei übersetzt: Flüssigkeit auf die Lippe.

„Der Trend geht hin zu Premiumprodukten. Das kommt uns zupass“, verdeutlicht Erdrich. Es müssen ja nicht gleich geistreiche Raritäten zu Spitzenpreisen sein. Von einem schottischen Single Malt Whisky kommen demnächst weltweit nur 160 Flaschen auf den Markt. Kostenpunkt: jeweils rund 22.000 Euro. Fünf hat Kammer-Kirsch geordert. Und sie seien schon verkauft.

 Brennerei Kammer-Kirsch in der Mühlburger Hardtstraße mit Geschäftsführer Gerald Erdrich
Kammer-Kirsch ist ein Haus mit Tradition: Die Wurzeln der ehemaligen Lehr- und Versuchsbrennerei des Landes Baden reichen bis ins Jahr 1909 zurück. Das Foto zeigt Unternehmenschef Gerald Erdrich. Foto: Rake Hora

Bei den Obstbränden habe man vor gut fünf Monaten eine Gourmet-Serie eingeführt. „Die läuft hervorragend“, sagt Erdrich. Parallel adressiert er eine Serie an junge Leute, „da sehen Sie kein Trachtenpaar mehr auf dem Etikett“. Kammer-Kirsch beliefert aber auch Schokoladenmanufakturen: In so mancher Praline ist also Geistreiches aus Karlsruhe drin.

Bimmerles riesige neue Brennerei hat sich bewährt

Während man bei Kammer-Kirsch in altem Gemäuer ohne Computersteuerung brennt, expandiert die Bimmerle-Gruppe (Sitz: Oppenau) auch dank der neuen Großbrennerei in Sasbach.

Laut Medienberichten ist eine Tagesproduktion von 100.000 Litern Maische möglich. Bei der Maische liegt das Fassungsvermögen in den Edelstahltanks bei 20 Millionen Litern. Durch die hohen Lagerkapazitäten habe man – etwa bei Ernteausfällen durch Frost – die Kunden weiterhin beliefern können.

Brennerei in Sasbach.
Ist auch nachts ein Hingucker: die neue Brennerei der Bimmerle-Gruppe in Sasbach. Foto: Bimmerle KG

Bimmerle gehört zu den ganz Großen in der deutschen Spirituosen-Welt, hält sich aber mit Angaben bedeckt, was die Umsatzerlöse und die Investitionen in die Brennerei angeht. Um die 100 Mitarbeiter werden beschäftigt.

Der Williams ist weiterhin ein sehr beliebter Obstbrand, auch über die heimischen Grenzen hinaus.
Lena Leppin, Bimmerle-Pressesprecherin

An Obstbrand habe man während Corona mehr abgesetzt, so Pressesprecherin Lena Leppin. Aber auch die Bimmerle-Marken Needle Blackforest (Gin) und Wood Stork (Rum) seien am Markt etabliert. Viele Verbraucher kennen vor allem die Marke Lörch.

Die 1966 gegründete Unternehmensgruppe vertreibt ihre Spirituosen über den Lebensmitteleinzelhandel – Discounter spielen hier eine gewichtige Rolle. Im Ausland sind Bimmerle-Produkte ebenfalls populär. „Der Williams ist weiterhin ein sehr beliebter Obstbrand, auch über die heimischen Grenzen hinaus“, sagt Leppin. Bimmerle brennt übrigens zudem in einer Anlage in Argentinien.

Hard Seltzer: Amerikanisches Wasser mit Schuss

Die Badener sind weltweit neuen Trends auf der Spur. „Dieses Jahr haben wir uns einer für uns und auch für Deutschland völlig neuen Produktgattung gewidmet“, sagt Leppin. „Hard Seltzer“ – ein Trend, der aus den USA noch ganz sachte herüberschwappt.

Bimmerle verkauft das alkoholische Sprudelwasser, das durch den Zusatz von natürlichem Aroma eine fruchtige Note erhält, als „Buzz“. Das amerikanische Wasser mit Schuss treffe den Zeitgeist: vegan, glutenfrei, wenig Zucker und geringe Kalorien.

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