Als in den 1990er Jahren die Serie Forsthaus Falkenau im Fernsehen über die Bildschirme flimmerte, waren die dort gezeigten Geländewägen nur etwas für passionierte Hobbyjäger oder Berufsförster. Der Anteil von geländegängigen Autos betrug im Jahr 1995 bei den Neuzulassungen gerade einmal zwei Prozent. Doch seither hat sich viel verändert.
Geländewägen und die sogenannten SUVs (Abkürzung für die englische Bezeichnung Sports Utility Vehicle) verkauften sich immer besser. Der Absatz ist kontinuierlich über 5,8 Prozent im Jahr 2005 über 11,4 Prozent im Jahr 2010 auf 28.8 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. In diesen Jahr wird voraussichtlich zum ersten Mal die 30-Prozent-Marke deutlich übersprungen.
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Nach Einschätzung von Marktexperten wie dem in Karlsruhe geborenen Ökonomen und Verkehrswissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer ist ein Ende der Entwicklung noch lange nicht in Sicht. „Ein Zurück scheint es nicht mehr zu geben“, sagt der Leiter des Center Automotive Research (CAR) in Duisburg.
Laut Dudenhöffer werden in naher Zukunft 45 Prozent der Neuzulassungen SUVs sein.
Wegen ihrer imposanten Größe, ihres hohen Gewichts sowie dem daraus häufig resultierenden überdurchschnittlichen Kraftstoffverbrauch haben die SUVs zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen.
Umweltbundesamt möchte Geländewagen höher besteuern
Das Umweltbundesamt macht sich bereits für eine höhere Besteuerung von Kraftfahrzeugen mit besonders hohem Spritverbrauch stark. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte die deutschen Autobauer bereits 2005 unter dem Schlagwort „Autos, die die Welt nicht braucht“ zu einem radikalen Strategiewechsel auf.
Allzu gerne werden diese Autos als regelrechte Klimakiller stilisiert.Eckehart Rotter, Verband der Automobilindustrie
Für Pressesprecher Eckehart Rotter vom Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Kritik an den SUVs überzogen und teilweise sogar unberechtigt: „Der Begriff SUV wird seit einigen Monaten von verschiedenen Seiten vereinnahmt. Allzu gerne werden diese Autos als regelrechte Klimakiller stilisiert“, sagt Rotter.
Das sei vor allem deshalb nicht richtig, weil es bei den SUVs in den vergangenen Jahren einen regelrechten Trend zu kleineren und kompakteren Modellen gegeben habe. Und dank moderner Technik liege der Kraftstoffverbrauch mittlerweile nur noch unwesentlich höher als der von vergleichbaren Mittelklassen-Limousinen, so Rotter weiter.
SUVs lösen Kombis als beliebtes Familienfahrzeug ab
Ohnehin seien die steigenden Absatzzahlen der etwas breiteren und höheren Autos die Folge eines geänderten Nutzerverhaltens. „Die Leute wollen ein Auto, mit dem die ganze Familie in den Urlaub fahren und man die Kinder zum Sport oder in Ausnahmefällen auch mal zur Schule bringen kann“, so Rotter. Deshalb hätten die SUVs in den vergangenen Jahren auch die Mini-Vans sowie die Kombis als beliebteste Familienfahrzeuge abgelöst.
Den Vorwurf, die Automobilindustrie hätte die Entwicklung der SUVs auch bremsen und stattdessen mehr Kleinwägen mit einem niedrigen Spritverbrauch entwickeln können, entbehrt für Rotter jeglicher Grundlage. Mit dem VW Lupo habe es beispielsweise schon vor mehr als einem Jahrzehnt einen Kleinwagen mit einem durchschnittlichen Verbrauch von drei Litern Benzin auf 100 Kilometern gegeben.
Kleinwagen-Fahrer teilen sich mittlerweile eher Autos
Zudem sei die Entwicklung eines Ein-Liter-Autos vor rund zehn Jahren wegen der zu hohen Kosten für solche Fahrzeuge eingestellt worden. Außerdem setze das typische Kleinwagen-Klientel in den urbanen Ballungsräumen mittlerweile verstärkt auf Carsharing-Angebote.
Für DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sind die Argumente der Automobilindustrie dagegen nur Scheinmanöver zur Ablenkung von den aktuellen Problemen. „Wenn es so weitergeht, fährt die deutsche Automobilwirtschaft mit voller Wucht gegen eine Betonmauer. Und zwar ungebremst“, so Resch.
Deutsche Umwelthilfe fordert Verbot für SUVs in Innenstädten
Deshalb will die DUH an diesem Dienstag in Berlin die Politik und die Automobilwirtschaft zu einem schnellen Kurswechsel auffordern. „Die deutschen Autobauer haben die Entwicklungen der vergangenen Jahre schlichtweg verschlafen“, argumentiert Resch.
Anstatt auf immer größere und breitere SUVs mit veralteten und umweltschädlichen Verbrennungsmotoren zu setzen, hätten besser Lösungen zum Vorantreiben der Elektromobilität sowie moderne Hybrid-Systeme und Brennstoffzellentechnik entwickelt werden sollen.
Um die Automobilindustrie zum Umdenken zu bewegen, muss nach Reschs Einschätzung nun die Bundesregierung die Leitplanken setzen und die SUVs mit entsprechenden Vorschriften nach und nach aus den Innenstädten verbannen. Dass die Automobilindustrie mit der Produktion der SUVs lediglich auf die Wünsche der Verbraucher und die Bedürfnisse des Marktes reagieren würde, hält Resch übrigens für eine Ausrede.
Die deutschen Autobauer haben die Entwicklungen der vergangenen Jahre schlichtweg verschlafen.Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe
„Die Automobilindustrie kann durch gezielte Werbung sehr wohl ihre eigenen Trends setzen. Ich kann es manchmal selbst kaum fassen, mit welch aufwändigen Werbespots Neuerungen an die Kunden gebracht werden“, sagt der DUH-Geschäftsführer.
Das beste Beispiel für eine funktionierende Imagekampagne sei der US-amerikanische Elektroautobauer Tesla, der es innerhalb von kurzer Zeit von einem Start-up zu einer weltweit bekannten Marke geschafft habe.