An einem Sommertag vor einigen Jahren: Lukas Liedtke ist zum Kitesurfen an der Nordsee – da sticht eine Schnake zu, und mit dem Stich kommt der Schmerz. Stichheiler, mit denen die kleine Hautpartie für wenige Sekunden auf rund 50 Grad Celsius erwärmt werden, sind da eine feine Sache, denn Juckreiz und Schmerz sind schnell verringert.
Doch Liedtke sind die gängigen Geräte auf dem Markt zu klobig und unflexibel. Die Idee: ein Stichheiler, klein wie ein USB-Stick, der am Schlüsselbund immer dabei ist und von einem Smartphone mit Energie versorgt wird.
Europaweite Expansion angestrebt
Mittlerweile gehört Liedtke zusammen mit seinen ehemaligen Kommilitonen Armin Meyer, Christof Reuter und Stefan Hotz die Kamedi GmbH. Und viele Mücken-Geplagte sind ganz heiß auf ihren „Heat it“; so heißt ihr Stichheiler. Seit Mitte 2020 hätten sie mehrere zehntausend Exemplare verkauft, sagt Hotz im BNN-Gespräch.
Bislang läuft der Vertrieb über den eigenen Webshop und Amazon. Aber auch den ADAC mit seinen Reiseshops und Media Markt/Saturn habe man als Vertriebspartner gewonnen. „Und als wir ,Heat it‘ zum ersten Mal im Geschäft ,Basislager‘ in Karlsruhe gesehen haben, war das schon cool“, erinnert sich Hotz.
Nun streben die Jungunternehmer die europaweite Expansion an. Die entsprechende Zulassung haben sie für ihren „Heat it“. Die vier Ingenieure schwimmen auf der Erfolgswelle: Neulich erst haben sie den zweiten Preis beim Gründerpreis Baden-Württemberg gewonnen. Seit 1997 verleiht die Sparkassen-Finanzgruppe diesen an junge Unternehmen mit einem überzeugenden Businessplan.
Auch das TV-Wissensmagazin „Galileo“ und die „Süddeutsche Zeitung“ sind auf die jungen Karlsruher aufmerksam geworden. Im Sommer werde man „je nach Gegend pro Minute bis zu 200 Mal angeflogen und ausgesagt“, so die „SZ“ in ihrem Beitrag über Mückenstiche. Wenn ein Insekt seinen Stachel in die Haut sticht und kräftig saugt, dann sprechen Biologen übrigens tatsächlich von „einer Blutmahlzeit“.
Es juckt die Maschinenbauer aber nicht, wenn eine Mücke, Wespe, Biene oder Bremse zusticht. Denn sie nutzen das Prinzip der therapeutischen Hyperthermie. Sie brutzeln sich nach einem Stich einen. Durch die Wärme wird die Histaminausschüttung reduziert – die „Heat it“-Erfinder haben sich dabei medizinisch von Marcus Maurer, Professor für Dermatologie an der Berliner Charité, beraten lassen.
Das Smartphone liefert „Heat it“ die Energie
Innovativ an dem Gerät sind nicht nur die kleine Größe und das Smartphone als Ladestation. Dank der passenden App kann die Hitzemenge – etwa bei einem Kind – reguliert werden. Sie gibt nach erfolgreicher Behandlung auch eine Rückmeldung. Anders als Sprays und Gele – prophylaktisch oder nach einem Stich aufgetragen – funktioniert „Heat it“ ohne Chemie.
Per Crowdfunding hatten die Maschinenbauer 80.000 Euro für ihre Geschäftsidee eingesammelt. „Da haben wir eher die Jungen angesprochen. Das Gerät ist aber auch ideal für die Familie“, sagt Hotz. Finanzielle Förderung kam zudem aus dem Exist-Programm. Ihre Hochschule, das Karlsruher Institut für Technologie, stellte dem Start-up anfangs Räume bereit und begleitete beratend. Über die Anlaufkosten und den bislang erzielten Umsatz schweigt sich Hotz aus.
So viel aber sagt er: Eine Zulassung als Medizinprodukt „bringt einen großen Hersteller nicht ins Zucken“, für das Start-up sei dies finanziell eine Herausforderung gewesen. Ende 2018 wurde die Kamedi GmbH gegründet, bereits im kommenden Jahr wolle man die Gewinnzone erreichen.
Produziert wird in Karlsruhe
Produziert wird „Heat it“ in einer eigenen Werkstatt im Gründerzentrum Technologiefabrik Karlsruhe. Die Ingenieure haben die Lötanlage selbst konstruiert, ebenso die Werkzeuge. Auf den Kästen mit den zugekauften Platinen und Kunststoffteilen steht „Android“ oder „Apple iOS“ – für beide Smartphone-Betriebssysteme gibt es den „Heat it“.
„Jedes einzelne Gerät wird geprüft.“Stefan Hotz, Kamedi-Mitgründer
„Jedes Gerät wird geprüft“, sagt Hotz. Auf Wunsch individualisieren Mitarbeiter einer befreundeten Firma die Stichheiler, beispielsweise mit einer Gravur. Damit werden die Geräte optisch einmalig, ein Trend, den derzeit viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen nutzen.
Mittlerweile hat die Kamedi GmbH sieben festangestellte und bis zu zehn freie Mitarbeiter. Das Marktpotenzial sei groß. „In Deutschland werden jedes Jahr mehrere Millionen Euro für Insektenschutzmittel ausgegeben“, verdeutlicht Hotz.
Ein „Heat it“-Logo ziert die T-Shirts der Mitarbeiter. Und auf den Türen des Unternehmens surren riesige, aufgeklebte Schnaken. Doch die Gründer haben’s nicht nur mit dem Stich. Ihr Unternehmenskürzel Kamedi steht denn auch für die Anfangsbuchstaben von „Ka-rlsruhe Me-dical De-vices“. Und so haben es sich die Jungunternehmer zum Ziel gesetzt, neben „Heat it“ weitere Medizinprodukte auf den Markt zu bringen.