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Viele sehen Existenz bedroht

Einzelhändler im Südwesten fordern Energiepreisdeckel – auch im Interesse der Kunden

Kunden bleiben weg oder gehen zum Discounter. Und höhere Einkaufspreise kann man auch nicht weitergeben – obwohl die Kosten enorm steigen. Der Einzelhandel spricht von einer existenzbedrohenden Situation.

Kalte Tage, hohe Energiepreise: Der baden-württembergische Einzelhandel befürchtet, dass die Kundinnen und Kunden dann weniger Geld in den Läden lassen. Parallel steigt der Kostendruck.
Der baden-württembergische Einzelhandel befürchtet, dass die Kunden weniger Geld in den Läden lassen. Parallel steigt der Kostendruck. Foto: Markus Scholz/dpa

Der baden-württembergische Einzelhandel sieht sich im Dauer-Krisenmodus. Von der Corona-Pandemie mit den Ladenschließungen habe man sich noch nicht erholt, da gehen die Energiepreise durch die Decke.

„Es ist eine Situation, die existenzbedrohend ist für den Handel“, schlägt Hermann Hutter vor Medienvertretern Alarm. Der Präsident des Handelsverbandes (HDE) Baden-Württemberg verweist auf eine bundesweite HDE-Umfrage.

Dieser zufolge sehen sich 22 Prozent der Unternehmer in den kommenden zwölf Monaten in ihrer Existenz bedroht. Die Gefahr sei groß, dass „die Innenstädte noch weiter veröden“.

Herrenschuhe als Barometer für Kaufzurückhaltung in Baden-Baden

„Die Unsicherheit macht uns wirklich fertig“, sagt Alexander Seppel, der auch in Baden-Baden ein Schuhgeschäft betreibt. Da könne man nicht kaufmännisch kalkulieren.

„Wenn die Herrenumsätze zurückgehen, merken wir, dass das Geld knapper wird“, spricht er die Auswirkung der Inflation auf die Kundschaft an. Denn dann würden zunächst die Kinder und Frauen mit neuen Schuhen versorgt, während die Männer verzichteten. Vor allem in den unteren Preislagen spüre man die Kaufzurückhaltung.

Es muss auch psychologisch für den Kunden ein Deckel drauf.
Alexander Seppel, Einzelhändler

Den Einzelhandel sieht er in einer heiklen Sandwichlage: Die Kundschaft hat laut Seppel weniger Geld, gleichzeitig erhöht die Schuhindustrie die Preise. Der Händler könne dies aber nicht weitergeben, obwohl ihn die höheren Energiekosten plagen.

Seppel sagt, er stelle Standorte auf den Prüfstand. Von der Politik fordert er einen Energiepreis-Deckel. „Es muss auch psychologisch für den Kunden ein Deckel drauf, damit sich die Sicherheit im Kaufverhalten wieder einfindet.“

Geschäftsführerin des Handelsverbands verweist auf niedrige Margen der Branche

„Ein Fünftel der Kunden haben wir verloren“, sagt Thilo Kauf (Überlingen), der unter anderem sechs Biolebensmittelgeschäfte betreibt. Derzeit zahle er 22 Cent pro Kilowattstunde Strom, ab Januar seien es über 60 Cent. „Wir haben keinen Spielraum, das auf die Preise umzulegen.“ Auch Kauf überlegt nach eigenen Angaben, ob er zwei bis drei Geschäfte schließt.

Die Kundenfrequenz in den Innenstädten liege zwischen zehn und 15 Prozent unter der im Jahr 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Das unterstreicht der Tübinger Textileinzelhändler Christian Klemp, der auch in Offenburg eine Filiale betreibt.

Weihnachten ist eine hoch emotionale Sache.
Hermann Hutter, Präsident Handelsverband Baden-Württemberg

Die Branche treffe nicht nur die enorm gestiegenen Energiekosten, zum 1. Oktober wird auch der Mindestlohn erhöht. Ihm seien für sein Unternehmen von Gebäudereinigern Preiserhöhungen von bis zu 30 Prozent angekündigt worden.

Handelsverbands-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann verweist auf die auch in normalen Zeiten niedrigen Margen der Branche. Auch die Verbraucher brauchten Sicherheit. Sie fordert daher den Strom- und Gaspreisdeckel und zusätzlich für einige Unternehmen vom Staat „eine Härtefallhilfe“.

Handel fordert Kompromiss bei Weihnachtsbeleuchtung

Mit Blick aufs wichtige Weihnachtsgeschäft fordern die Einzelhändler, es mit Einsparungen bei Schaufenster- und Ambiente-Beleuchtung nicht zu übertreiben. „Da sollten wir uns Gedanken machen zum Thema Unsicherheit und Atmosphäre“, so Klemp.

Für die Stimmung sei es nicht gut, wenn man die Weihnachtsbeleuchtung komplett abschalten würde, pflichtet Hutter bei. „Weihnachten ist eine hoch emotionale Sache.“

Immerhin eine gute Nachricht gibt es aus dem Einzelhandel, nach Engpässen im Weihnachtsgeschäft des Vorjahres. „Die Lager sind voll“, sagt Hagmann.

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