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„Außergewöhnliche Katastrophenzeiten“

Einzelhandel im Corona-Lockdown: Halten Online-Händler und Logistiker der Paketflut stand?

In normalen Zeiten kaufen die Kunden ihre Weihnachtsgeschenke im klassischen Einzelhandel und im Online-Handel. Nun sind die Stationären dicht - das ist eine Herausforderung für die Konkurrenz.

Mitarbeiter im DHL-Paketzentrum
Paketflut bei der Deutschen Post/DHL: Der ehemalige Staatskonzern liefert aktuell pro Tag 11 Millionen Pakete aus. Zum Vergleich: Im Jahresdurchschnitt sind es 5,2 Millionen Stück. Foto: Patrick Pleul/dpa

Da reibt sich so manch ein Kunde verwundert die Augen: Der bevh – Lobbyverband der Online- und Versandhändler – stellt sich auf die Seite der klassischen Einzelhändler. Die sollten bestellte Waren aus ihren Läden heraus kontaktlos an Kunden geben dürfen. Baden-Württemberg lehnt dies bislang strikt ab.

bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer spricht von „außergewöhnlichen Katastrophenzeiten“. Während die meisten stationären Einzelhändler derzeit ihre Läden geschlossen haben müssen, würden auch die Systeme des Online- und Versandhandels „erneut stark belastet“. Enttäuschte Gesichter von Erwachsenen und tränenreiche Augen von Kindern, weil die Geschenke nicht rechtzeitig ankamen – das will kein Online-Händler und kein Logistiker.

Inwiefern schießt nach dem Shutdown für die Stationären nun kurz vor Weihnachten die Paketmenge nach oben? „Diese Frage beschäftigt uns in der Tat sehr“, sagt Sonja Radojicic, Pressesprecherin des Marktführers Deutsche Post DHL, den BNN. Sie betont zugleich: „Dabei muss man beachten, dass wir im hinteren Teil der Kette des Online-Handels stehen. Das heißt, die bestellten Waren müssen erst einmal verfügbar sein und gepackt werden.“ Die Deutsche Post werde jedenfalls „jede verfügbare und mobilisierbare Kapazität“ bereitstellen.

Logistiker mit Allzeit-Paket-Rekorden

Der ehemalige Staatskonzern liefert aktuell pro Tag 11 Millionen Pakete aus. Zum Vergleich: Im Jahresdurchschnitt sind es 5,2 Millionen Stück. Über 10.000 zusätzliche Aushilfskräfte beschäftige man in den Wochen vor Weihnachten – Paketzentren betreibt der Konzern auch in Bruchsal und Lahr.

Privatkunden müssen laut Radojicic übrigens bis Samstag, 12 Uhr, ihre Pakete abgegeben haben, damit diese innerhalb von Deutschland rechtzeitig zum Fest bei den Empfängern sind.

Ihren Allzeit-Paket-Rekord hatte die Deutsche Post mit 1,6 Milliarden Paketen in einem Jahr bereits fünf Wochen vor Jahresende gebrochen. Auch Konkurrent Hermes spricht für sich vom „mengenstärksten Weihnachtsgeschäft aller Zeiten“. 3.500 Arbeitskräfte beschäftige man zusätzlich, um die Herausforderung meistern zu können, so die Tochtergesellschaft des Hamburger Otto-Konzerns.

Ein Transporter nach dem anderen verlässt aktuell zudem das DPD-Logistikzentrum in Malsch. Während des Weihnachtsgeschäfts hat sich die Paketmenge vor Ort deutlich erhöht. „Rund 144.000 Pakete werden derzeit pro Tag in Malsch umgeschlagen“, sagt DPD-Pressesprecher Sebastian Zeh – sonst sind 107.000 üblich.

Eine konkrete Prognose, inwiefern sich die Paketmenge nach dem bundesweiten Lockdown auswirkt, sei nicht möglich, sagt Zeh. „DPD empfiehlt dringend, alle Weihnachtspakete bis Freitag auf den Weg zu bringen, damit sie rechtzeitig bis Heiligabend ankommen.“ Sonst bleibe nur der Expressdienst.

Und inwiefern wirkt sich der Shutdown für die stationären Händler auf die Online- und Versandhändler aus? Welche Angaben fürs rechtzeitige Bestellen geben sie dem Kunden? Das Versandhaus Bader lässt über seine Pressestelle ausrichten, man wolle gar nichts zu solchen Fragen sagen. Von der Klingel-Gruppe (Klingel, Mona, Wenz), ebenfalls in Pforzheim beheimatet, konnte bislang kein Statement eingeholt werden.

Otto-Group: Je früher bestellt, desto besser

Die Hamburger Otto-Group weist auf die Vielzahl ihrer Konzernunternehmen – darunter Heine in Karlsruhe – hin. Daher lasse sich eine allgemeingültige Aussage, wann ihre Kunden bestellen müssen, nur schwer treffen. Grundsätzlich gelte, dass die Kunden auch dann noch mit dem rechtzeitigen Eingang ihrer Bestellungen rechnen können, wenn diese „erst wenige Tage vor Heiligabend getätigt werden“. Martin Zander, Pressesprecher des zweitgrößten deutschen Versandhändlers, fügt hinzu: „Aber dennoch gilt natürlich: Je früher bestellt, desto besser.“

Branchenprimus Amazon verweist auf das Lieferdatum, das auf der jeweiligen Artikelseite angegeben ist. In Pforzheim betreibt der US-Konzern eines seiner deutschlandweit 15 Logistikzentren. Dort unterstützten mehrere Hundert Aushilfen die 1.800 Mitarbeiter starke Stammbelegschaft. „Unser Team in Pforzheim ist sehr erfahren und eingespielt“, unterstreicht Amazon-Sprecher Thorsten Schwindhammer.

Ein Hochregallager im Amazon Logistikzentrum Pforzheim
Rund geht’s auch bei Amazon: Der Branchenprimus unter den Online-Händler betreibt in Pforzheim ein Logistikzentrum. Dort unterstützten aktuell mehrere Hundert Aushilfen die 1.800 Mitarbeiter starke Stammbelegschaft. Foto: Uli Deck/dpa

Eigene Amazon-Verkäufe sind das eine. Artikel von Amazon-Partnern, die die Plattform der Amerikaner nutzen, das andere. Gerade während des Shutdowns sei es wichtig, dass es zehntausenden kleinen und mittleren Unternehmen durch Amazon möglich sei, ihre Produkte zu verkaufen.

Die Nummer drei in Deutschland heißt Zalando – die Berliner betreiben in Lahr eines ihres Logistikzentren. „Damit das Zalando-Paket noch rechtzeitig vor Weihnachten ankommt, können unsere Kunden in Deutschland bei Standardversand noch bis zum Mittag des 18. Dezember bestellen“, sagt Zalando-Pressesprecherin Nadine Vazhayil. Da börsennotiert, könne Zalando vorab keine Aussagen zu Kundennachfrage und weiteren Kennzahlen im Weihnachtsgeschäft treffen.

Handelsverband kassiert seine Prognose

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat jedenfalls seine Prognose fürs Weihnachtsgeschäft nach dem Shutdown kassiert: Er rechnet nun für November und Dezember nur noch mit 98 Milliarden Euro Umsatz – das wären sieben Prozent weniger als im Vorjahr.

Laut HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth wird zwar der Online-Handel seine Erlöse um fast ein Drittel auf knapp 20 Milliarden Euro steigern. Im klassischen Einzelhandel schrumpfen laut HDE aber die Umsätze um 14 Prozent. Der Online-und Versandhandelsverband bevh spricht im Zusammenhang mit dem Lockdown denn auch von einer „Überlebensfrage für einen großen Teil des stationären Handels“.

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