
Baden-Württemberg ist traditionell ein Genossenschafts-Land. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitglieder um 500.000 auf über 3,92 Millionen gestiegen.
Damit ist mehr als jeder dritte Einwohner bei einer Genossenschaft dabei.
„In keinem Bundesland ist die Mitgliederdichte so hoch wie im Südwesten“, sagt Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV/Karlsruhe), in Stuttgart vor Journalisten.
Nahezu an jedem Ort sind Genossenschaften präsent
Die aktuell 781 Genossenschaften verteilen sich auf 50 Branchen und beschäftigen 33.850 Mitarbeiter. Hier sind auch die Volks- und Raiffeisenbanken mitgezählt. Die Zahl der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften ist auf 622 (2019: 630) gesunken. Sie haben im vergangenen Jahr 9,12 Milliarden Euro (plus 2,8 Prozent) umgesetzt.
Die Genossenschaften sind also eine Wirtschaftsmacht und an nahezu jedem Ort im Südwesten in irgendeiner Form vertreten.
Im Corona-Jahr 2020 haben beim Umsatz vor allem die 21 Obst-, Gemüse- und Gartenbau-Genossenschaften zugelegt, und zwar mit einem Plus von 10,5 Prozent auf 543 Millionen Euro. Die sechs Milch-Genossenschaften erlösten 7,4 Prozent mehr. Sie kamen auf 886 Millionen Euro Umsatz. Stagnation hieß es hingegen bei den 311 landwirtschaftlichen Genossenschaften (plus 0,3 Prozent auf 3,66 Milliarden Euro).
Durch die Pandemie hätten die Menschen „sehr viel über die heimische Landwirtschaft gelernt“, so Glaser. Deren Genossenschaften spüren nach seinen Worten eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung.
Glaser fordert nun eine „angemessene Entlohnung“ der Landwirte. Von der künftigen Landesregierung erwartet er weitere Maßnahmen, um den Absatz anzukurbeln. Der in Mittelbaden lebende Repräsentant der Südwest-Genossenschaften verspricht sich davon neue Käuferschichten.
Auffallend ist mit Blick aufs Geno-Jahr 2020, dass die zwölf Genossenschaften des Fachhandels beim Umsatz kräftig zulegten. Dazu zählen auch der Sport-Riese Intersport (Heilbronn) und die Elektronikhandels-Größe Euronics (Ditzingen).
Diese zwölf Fachhandels-Genossenschaften setzten 3,35 Milliarden Euro (plus 7,4 Prozent) um. Das kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Menschen vor allem online verstärkt Konsumgüter kauften – zumal für viele Urlaub, Kultur- und Restaurantbesuche gestrichen waren.
Weniger erlöst hat die Sparte der sogenannten allgemeinen Warenwirtschaft, wozu die ZG Raiffeisen zählt. Das Minus betrug 4,2 Prozent. Winzergenossenschaften blieben beim Umsatz stabil.
Genossenschaften als Chance im Handwerk
Im vergangenen Jahr wurden neun Genossenschaften neu gegründet, in diesem Jahr sind es bereits sechs. Junge Genossenschaften beschäftigen sich vor allem mit den Themen ärztlicher Versorgung, Mobilität, Pflege, Bildung und der Entwicklung von Stadtquartieren.
Die Rechtsform „eG“ für „eingetragene Genossenschaft“ preist Glaser aber auch für Handwerksunternehmer an, die einen Nachfolger suchen. „Bereits drei gute Mitarbeiter genügen, um eine Genossenschaft zu gründen und so den Betrieb gemeinsam fortzuführen“, verdeutlicht der Geno-Präsident.
Außerdem könne der bisherige Inhaber für einige Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft sein und so die neue Geschäftsleitung begleiten. „Durch Genossenschaften können hier viele Betriebe weitergeführt und auch Arbeitsplätze erhalten bleiben.“