Fernsehbilder aus Norditalien zeigten zur Beginn der Coronavirus-Pandemie, wie Menschen vor leer gekauften Bäckereien Schlange stehen. Das löste auch in Deutschland verstärkte Vorratskäufe aus.
Neben Nudeln und Mehl war in den Supermärkten bald auch die Backhefe ausverkauft. Wer einen Pizzateig oder einen Hefezopf zubereiten wollte, hatte es wochenlang schwer, an das Teiglockerungsmittel zu kommen.
Inzwischen hat sich die Nachfrage nach dem Treibmittel wieder normalisiert. „Wir sind etwa auf dem Niveau wie vor der Corona-Krise“, heißt es beim Hefeproduzenten Fala in Kehl, der zur französischen Lesaffre-Gruppe gehört.
Doch am Horizont zeichnet schon das nächste Problem ab: „Die deutschen Hefehersteller müssen sich darauf einstellen, dass ihre wichtigste Rohstoffquelle, Melasse, in diesem Jahr deutlich knapper wird“, warnt der Deutsche Verband der Hefeindustrie.
Nebenprodukt aus den Zuckerfabriken
Melasse ist ein zäher, dunkelbrauner Sirup, der in den Zuckerfabriken als Nebenprodukt anfällt. Er wird als Nährmittel für Hefepilze genutzt, aber auch als Tierfutter und inzwischen zur Herstellung von Biokraftstoffen.
Das Problem ist, dass die europäischen Zuckerhersteller massiv unter Druck geraten sind. Nach zwei trockenen Jahren mit schlechter Zuckerrübenernte und dem Wegfall der EU-Marktregulierung haben sie Produktionsstätten geschlossen und Anbauflächen verkleinert.
Die Südzucker AG aus Mannheim hat erst im Frühjahr fünf ihrer Werke dichtgemacht. Europaweit betreibt sie noch 23 Zuckerfabriken, sieben davon in Deutschland. „Je nachdem, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln, können wir nicht ausschließen, dass weitere Standorte aufgegeben werden“, sagt Unternehmenssprecher Dominik Risser.
„Wir haben in Europa den unreguliertesten Zuckermarkt der Welt. Während andere Länder ihre Zuckerhersteller durch Subventionen, Mengensteuerungen oder Mindestpreise schützen.“ Außerhalb von Europa wird das süße Lebensmittel vor allem aus Zuckerrohr gewonnen.
Die Hersteller von Backhefe betrachten die eingeschränkte Verfügbarkeit von Melasse mit Sorge.Markus Weck, Geschäftsführer des Hefeindustrie-Verbands
Markus Weck, Geschäftsführer des Hefeindustrie-Verbands, vermutet, dass die europäischen Zuckerhersteller das Angebot verknappen, um den Preis nach oben zu treiben. „Das ist wohl die Strategie, die hinter der Anbauflächenverkleinerung steckt“, sagt Weck.
Dieses Jahr sei mit drastischen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Zucker und damit auch von Melasse als Nebenprodukt zu rechnen. „Die Hersteller von Backhefe betrachten die eingeschränkte Verfügbarkeit von Melasse mit Sorge“, sagt Weck.
„Bereits jetzt ist festzustellen, dass sich die Weltmarktpreise für Rohrmelasse nahezu verdoppelt haben“, warnt der Verbandschef. Die Verteuerung werde zusätzlich dadurch verschärft, dass Tierfutterhersteller aufgrund der Preisentwicklung verstärkt Rübenmelasse statt Rohrmelasse zur Herstellung ihrer Futtermittel kaufen. Damit machen sie den Hefeherstellern beim Rohstoffeinkauf Konkurrenz.
Droht also nach der Hamsterkauf-Phase bald die nächste Hefeknappheit in deutschen Supermärkten? „Für Endverbraucher sehe ich diese Gefahr nicht“, gibt Weck Entwarnung. „Aber für Großkunden könnte es knapp werden.“
Firma Fala aus Kehl liefert Hefe auch im Tankwagen
Der Kehler Hefehersteller Fala beliefert sowohl den Lebensmitteleinzelhandel als auch Bäckereien jeder Größe. Der Großteil der Backhefe wird in Straßburg produziert: vom 42-Gramm-Würfel für Privathaushalte bis zum 25 Kilogramm-Beutel für Bäckereien oder flüssiger Hefe im Tankwagen für die Backindustrie.
„Wir werden die Hefeversorgung aufrecht halten“, versichert ein Firmensprecher. „Wenn die europäische Rübenmelasse knapp wird, müssen wir eben andere Wege der Beschaffung gehen und mehr bezahlen.“ Dadurch könnte Backhefe teurer werden.
Ähnlich sieht man die Lage bei der Bäcker-Einkaufsgenossenschaft BÄKO Mittelbaden eG. „Stand heute gibt es keine Anzeichen für eine Hefeknappheit“, sagt Geschäftsführer Jochen Knorpp. „Aber es gibt Indizien für Preissteigerungen.“
Was am Ende ein Würfel Frischhefe oder ein Päckchen Trockenhefe im Supermarkt kostet, könnten die Hersteller nicht beeinflussen, betont Verbandsgeschäftsführer Markus Weck. „Das entscheidet der Handel.“