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Gezerre um Rettungspaket

Kein schnelles Geld für Flughäfen

Verkehrsminister Scheuer will kein „Infrastruktur-Abbauminister“ sein. Forderungen, in der Corona-Krise schon zuvor unrentable Regionalflughäfen dicht zu machen, weist er zurück. Wie genau die angeschlagenen Airports gerettet werden sollen, bleibt aber offen.

Die Luftverkehrsbranche leidet besonders unter der Corona-Krise.
Die Luftverkehrsbranche leidet besonders unter der Corona-Krise. Foto: Christoph Soeder/dpa

Die Flughäfen in Deutschland brauchen dringend viel Geld - Steuergeld. Sonst drohten an vielen Standorten die Lichter auszugehen, warnten Teilnehmer des „Luftverkehrsgipfels“ von Politik und Wirtschaft am Freitag.

Die Corona-Krise hat die Passagierzahlen einbrechen lassen, eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Flughäfen haben wenig Einnahmen, müssen aber laufende Betriebskosten aufbringen. So weit die Lage. Über ein staatliches Rettungspaket von einer Milliarde Euro aber gibt es Gezerre.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) konnte der Branche bei der digitalen Konferenz keine feste Zusage des Bundes geben. In der Abschlusserklärung heißt es, Bund und Länder wollten in den kommenden beiden Wochen nach finanziellen Lösungen suchen. Scheuer hatte vor dem Gipfel die Forderung nach einem Rettungspaket von einer Milliarde Euro platziert. Am Freitag schlug er dann ein 50:50-Modell vor: Die Verantwortung solle zur Hälfte bei Ländern und den Kommunen liegen, in den denen Flughäfen ansässig seien und zu 50 Prozent beim Bund.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ließ den Kollegen aber erst einmal auflaufen. Ein Sprecher sagte am Freitag, das Ministerium habe den Vorschlag „zur Kenntnis genommen“. Das Kabinett habe gemeinsam den Entwurf für den Haushalt 2021 beschlossen, dort seien derartige Vorhaben nicht enthalten. Mit Blick auf die Flughäfen sei es dem Finanzministerium wichtig, dass die Eigentümer in der Verantwortung stünden. Dies betreffe auch den Bund dort, wo er Eigentümer ist. Der Bund ist beteiligt an den Flughäfen in Berlin, Köln-Bonn und München.

Scholz will angesichts der hohen Kosten für den Bund in der Corona-Pandemie offenbar erst einmal abwarten, ob und wie weit sich die Länder bewegen - sie sind schließlich gemeinsam mit Anrainer-Kommunen die Eigentümer der meisten Flughäfen. Die Länder-Finanzminister und Kommunen aber sind in Corona-Zeiten finanziell nicht auf Rosen gebettet. Entsprechend zurückhaltend sind bisher die Äußerungen.

Zwar stellte etwa Niedersachsen dem Flughafen Hannover Hilfen in Aussicht. In Kreisen der NRW-Landesregierung hieß es, grundsätzlich sei Unterstützung für die Flughäfen denkbar, ähnlich wie beim öffentlichen Personennahverkehr. NRW ist am Flughafen Köln/Bonn beteiligt, hat aber auch noch fünf weitere Internationale Verkehrsflughäfen im Land. Bund und Länder hatten die ÖPNV-Verkehrsunternehmen angesichts eingebrochener Fahrgastzahlen mit Milliarden unterstützt - daran erinnerte auch Scheuer am Freitag mehrfach.

Zugleich aber hieß es bei den Ländern, zunächst sei der Bund in der Pflicht. „Der Bund muss sich zügig einigen, wie die angekündigte Milliarde für die Flughäfen aufgetrieben und verteilt wird“, sagte die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), zugleich Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. Zugleich sagte sie: „Wir waren uns im Luftfahrtgipfel einig, dass es unsere gemeinsame Verantwortung ist, die finanziellen Schieflagen der Flughäfen auszugleichen und zu schauen, welche Refinanzierungsmöglichkeiten es gibt.“ Es müsse nun schnellstmöglich eine tragfähige Lösung her.

Die Branche jedenfalls versuchte alles, um die Dramatik der Lage deutlich zu machen. Der Branchenverband BDL sieht mindestens 60.000 der 260.000 direkten Arbeitsplätze unmittelbar bedroht. Viele seiner Mitglieder kämpften ums Überleben, berichtete Stefan Schulte, Präsident des Flughafenverbands ADV. Grundsätzlich sei Deutschland dezentral und föderal organisiert, benötige daher flächendeckend Flughäfen wie auch Breitbandkabel. Die entsprechende Struktur müsse erhalten und durchfinanziert werden.

In einem ersten Schritt verlangen die Flughäfen die Erstattung der sogenannten Vorhaltekosten aus der ersten Shutdown-Zeit von März bis Juni. 740 Millionen Euro habe es gekostet, die Flughäfen auf Wunsch der Politik für Versorgungsflüge offen zu halten, rechnet der ADV vor. Aktuell gebe es einen faktischen zweiten Shutdown, so dass man auch zu mittelfristigen Kostenentlastungen kommen müsse. Forderungen etwa der Linken und des Umweltverbandes BUND, schon vor der Krise unrentable Regionalflughäfen wie Kassel-Calden auch aus Klimaschutzgründen dicht zu machen, lehnte Schulte ab: „Diese Diskussion müssen wir in Ruhe führen“.

Kritischer zeigte sich der Luftfahrtkoordinator des Bundes, Thomas Jarzombek. Er verwies darauf, dass viele Experten mit einem auch langfristig geringeren Luftverkehr rechneten. Da müsse man schauen, was das für jeden einzelnen Regionalflughafen bedeute. Scheuer wollte von Schließungen einzelner defizitärer Flughäfen allerdings nichts hören. Der Minister sagte, er sei in der Krise ein „Infrastruktur-Erhaltungsminister“ - und kein „Infrastruktur-Abbauminister“.

Nur am Rande des Gipfels kamen die Belange der Beschäftigten zur Sprache, wie die teilnehmenden Luftverkehrsgewerkschaften monierten. An fast allen Standorten werde man bereits mit Szenarien zum Abbau von Arbeitsplätzen konfrontiert, beklagten Flughafen-Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi. Auch das fliegende Personal verlangte über die Gewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit, dass staatliche Hilfen daran gekoppelt werden müssten, möglichst viele Arbeitsplätze oder zumindest Qualifikationen zu erhalten.

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