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Einzelhändler in Baden

Niedrigere Mehrwertsteuer hat Kauflaune kaum beflügelt

Elektrogeräte und Kochgeschirr verkaufen sich gut, Kleidung und Schuhe dagegen weiterhin schlecht. Daran hat auch die Senkung der Mehrwertsteuer nichts geändert. Einzelhändler aus Baden ziehen Bilanz.

Eine junge Frau trägt in einem Kleidungsgeschäft einen Mund- und Nasenschutz.
Eine junge Frau in einem Kleidungsgeschäft. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Bei Heiko Schindler laufen die Geschäfte gut. „Die Nachfrage ist enorm hoch“, sagt der Elektrofachhändler aus Achern-Fautenbach. Einen Schwerpunkt auf bestimmte Geräte könne er nicht erkennen.

„Das geht vom Mixer über den Kaffeevollautomaten bis hin zum Fernseher.“ Ob das aber ein Erfolg der Mehrwertsteuersenkung ist? „Es ist noch keiner gekommen, der gesagt hat, dass er sich wegen der drei Prozent zum Kauf entschieden hat“, meint Schindler.

Seit Juli liegt die reguläre Mehrwertsteuer bei 16 statt 19 Prozent. Die meisten Einzelhändler geben dies als Preisvorteil direkt an ihre Kunden weiter. So soll die in der Corona-Krise eingebrochene Nachfrage wiederbelebt werden. Doch der große Erfolg lässt auf sich warten. Die Kauflaune bleibt, abgesehen von einzelnen Produktgruppen wie Elektrogeräten, eher verhalten.

Modegeschäfte leiden unter der Maskenpflicht

Besonders die Modegeschäfte leiden nach wie vor unter den Folgen der Zwangsschließung und der Hygieneauflagen. „Die Maske mindert das Shopping-Erlebnis“, sagt Michael Meurers, Chef des City-Kaufhauses in Gaggenau. „Seit Wiedereröffnung im Mai sind wir umsatzmäßig auf gleich niedrigem Niveau.“ Die Kunden kämen nicht mehr so oft zum Schauen. Daran habe auch die niedrigere Mehrwertsteuer nichts geändert.

Im Karlsruher Modehaus Schöpf hingegen zeigt sich Inhaberin Melitta Büchner-Schöpf vorsichtig optimistisch: „Es sind wieder mehr Menschen in der Stadt und die Stimmung ist besser – das hat mehr Einfluss als die Steuersenkung, aber auch sie ist hilfreich.“

Beim Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) sieht man das ähnlich. „Grundsätzlich ist so etwas gut, aber drei Prozentpunkte weniger Mehrwertsteuer merkt der Kunde bei Kleinprodukten kaum“, sagt dessen Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. „Wir hätten uns deshalb eine kräftigere Senkung gewünscht, zum Beispiel von 19 auf 7 Prozent.

Das hätte einen ganz anderen Effekt. Denn dann überlegt man sich schon, ob man sich nicht noch einen zweiten Wintermantel oder ein zusätzliches Schmuckstück kauft.“

Neben den Textileinzelhändlern seien auch Schuhläden, Lederwarengeschäfte, Kosmetik- und Schmuckverkäufer stark unter Druck, sagt Hagmann. Denn die Umsätze mit diesen Produktgruppen seien nach wie vor niedrig. Bei anderen sieht es besser aus: Gut verkaufen sich laut HBV neben Elektronik auch Fahrräder sowie Glas und Porzellan.

Kochgeschirr und Pfannen sind gefragt

Dominik Oster, der einen Haushaltswarenladen im Karlsruher Stadtteil Rüppurr betreibt, bestätigt diesen Trend. „Insgesamt läuft das Geschäft bei uns gut, auch dank Corona, da viele ihre Leidenschaft zum Kochen und Backen wiedergefunden haben“, sagt Oster.

„Weniger Nachfrage haben wir bei Deko-Artikeln und Geschenken. Deutlich stärker nachgefragt werden Kochgeschirr und Pfannen.“ Auf die Mehrwertsteuersenkung führt aber auch er diesen Zuwachs nicht zurück. Denn: „Die drei Prozent machen bei unseren Produkten oft nur ein paar Cent aus“, so Oster.

Auch wenn der Effekt umstritten ist und die Zwischenbilanz der Händler zurückhaltend ausfällt: Festhalten wollen sie trotzdem an den 16 Prozent. Und das sogar länger als geplant. Am 31. Dezember soll die vorübergehende Steuersenkung beendet werden. „Das ist zu früh und ein denkbar schlechter Zeitpunkt“, kritisiert HBW-Chefin Hagmann diese Regelung.

„Am Jahresende haben die Einzelhändler viel zu tun. Dann auch noch die Kassen erneut umzustellen und die Preise neu auszuzeichnen, ist eine zusätzliche Belastung.“ Ihr Verband fordert daher, die Frist zu verlängern. „Wir haben keinen fixen Zeitpunkt genannt, aber ein Jahr würde den in Not geratenen Einzelhändlern gut tun.“

Damit wäre auch ein Problem gelöst, das derzeit Autohändler wie Silke Hartmann aus Rastatt umtreibt. „Wenn die Fahrzeuge jetzt bestellt, aber erst im kommenden Jahr geliefert werden können, zahlt der Kunde die normalen 19 Prozent Mehrwertsteuer“, sagt Hartmann. „Da ist Ärger programmiert.“

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