Jetzt hat der Mann ein neues Spielzeug: 337 Meter lang ist es, 42 Meter breit, 63 Meter hoch – und hat 83.970 PS an Bord. Vincent Cofalka steuert jetzt das neue Erdgas-Kreuzfahrtschiff Aida Cosma durchs Mittelmeer – für ihn ist das aber Routine, denn schon auf dem Schwesterschiff Aida Nova wechselte er sich mit seinem Kollegen Boris Becker – ja, der Name ist echt – als erster Mann auf der Brücke ab. Wobei das mit dem „Spielzeug“ flapsig daher gesagt ist: Cofalka hat die Verantwortung für ein Schiff mit bis zu 8.376 Personen an Bord, das rund eine Milliarde Euro gekostet hat. Es ist ein Knochenjob.
So wie Cofalka sehen dem Klischee nach gestandene Kapitäne eines Traumschiffes aus: groß gewachsen, einen Vollbart im Gesicht und eine sonore Stimme bei den Durchsagen zum Landgang. Doch der 45-Jährige kann auch österreichisch, wenn man ihn dazu auffordert. Da versteht man gar nix mehr. Ein Österreicher auf hoher See – Cofalka stammt aus Vorarlberg –, das allein ist schon kurios. Cofolka steuert aber ein Kreuzfahrtschiff, das mit umweltfreundlichem Flüssiggas angetrieben wird. Dafür brauchte es jede Menge Fortbildungen.
Die Brücke ist die Nervenzentrale des Ozeanriesen. Sie ist rund 500 Quadratmeter groß und steckt voller Hightech. Auf der Nova saß als treuer Begleiter stets ein Wackeldackel ganz vorn gleich neben dem bequemen Chefsessel – bei hohem Seegang hat der halt ein bisschen mehr den Kopf geschüttelt.
Eine Landratte brachte ihn mit Seemannsgarn auf die Idee
Nach Seemannsgarn hört es sich an, wenn Cofalka erzählt, wie er zur Seefahrt kam – ist es aber nicht. „Bei uns Österreichern ist die Seefahrt 1918 ja aus der Mode gekommen“, spielt Cofalka auf den verlorenen Krieg und den damit verbundenen Verlust von Triest als einziger Hafenstadt der Habsburger an.
Kurz vor dem Abitur habe er einen Bekannten getroffen, der ihm von seinem Beruf auf hoher See vorgeschwärmt hat, erinnert sich Cofalka. Der war dadurch selbst so angetan davon, dass er nach Norddeutschland ging, um sich auf der Hochschule das entsprechende Rüstzeug zu holen. Nach vier Jahren traf er den Bekannten wieder – und es stellte sich heraus, dass dieser tatsächlich geflunkert hatte und im wahren Leben eine Landratte war.
Cofalka („Ich bin auch Skilehrer“) aber ging auf hohe See, etliche Jahre als Kapitän von Hochseefrachtern. Dann kam 2008 die Wirtschaftskrise, so dass er sich schon nach einem anderen Beruf umschaute. Gerade noch rechtzeitig sprach ihn ein Headhunter an, ob er nicht zu Aida-Cruises, dem Marktführer im deutschen Kreuzfahrtgeschäft, wolle. „Ich habe keine Erfahrung mit sprechender Ladung“, sagte Cofalka kess – und stieg dennoch ein. Der Job mache ihm viel Freude, auch wegen des Teamgeists an Bord.
Während des Manövers ist er mit seinen fünf Kollegen auf der Brücke besonders gefordert – Piloten würden von Start und Landung sprechen. So hatten sie auch schon extremes Niedrigwasser, beispielsweise mit der Nova im Hafen von Puerto der Rosario auf Fuerteventura. Dort lag die Wassertiefe bei 9,50 Metern – und das bei einem Tiefgang von 8,60 Metern. „Da muss man dann in Zehenspitzen reinfahren“, erinnert sich Cofalka. Doch der Routinier behält da einen kühlen Kopf und informiert die Passagiere danach über das Reiseziel – mit sonorer Stimme, wie sich das für einen gestandenen Traumschiff-Kapitän gehört.