Skip to main content

Grünes Kerosin

Klimaneutrales Fliegen: Ineratec aus Karlsruhe startet Pilot

Klimafreundllich fliegen – geht das? Ja, sagt das Karlsruher Unternehmen Ineratec, das Ende des Monats mit dem Bau einer Pilotanlage für umweltfreundlichen Treibstoff in Frankfurt-Höchst starten will.

Überraschungsbesuch in Karlsruhe: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP, Mitte) informiert sich bei Ineratec-Geschäftsführer Tim Böltken und Finanzchefin Gerda Frank über den Stand bei der industriellen Produktion umweltfreundlicher Treibstoffe.
Überraschungsbesuch in Karlsruhe: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP, Mitte) informiert sich bei Ineratec-Geschäftsführer Tim Böltken und Finanzchefin Gerda Frank über den Stand bei der industriellen Produktion umweltfreundlicher Treibstoffe. Foto: Jörg Donecker

Sie stehen in den Startlöchern zur klimaneutralen Treibstoffproduktion: Das hat die junge Karlsruher Firma Ineratec am Montag auch der Bundespolitik zeigen können. Überraschend schaute Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Siemenspark im Karlsruher Stadtteil Knielingen vorbei.

„Ich bin kurzfristig hergekommen, weil ich mich mit der Frage beschäftigt habe: Wie können wir schnell synthetisches Kerosin für den Luftverkehr produzieren?“, sagt er im Gespräch mit den BNN. „Die Innovation von Ineratec ist sehr überzeugend, weil man mit kleinen Anlagen beginnen kann, das macht es leichter, um sofort und schnell einzusteigen. Genau das brauchen wir, weil wir keine Zeit zu verlieren haben bei der Dekarbonisierung unserer Mobilität.“

Denn die Zeit drängt, wenn dem Klimawandel Einhalt geboten werden soll. Die Innovation von Ineratec klingt simpel: Aus Luft, Wasser und regenerativem Strom stellt sie synthetische Stoffe her. Grüner Wasserstoff und Kohlendioxid als Basis für klimaneutrales Benzin, Diesel für die Schifffahrt oder Kerosin für die Luftfahrt.

2018 erhielt sie dafür den Deutschen Gründerpreis – da war die Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) rund um Tim Böltken und Peter Engelkamp gerade einmal zwei Jahre alt.

Vereinbarung mit Luftfahrtunternehmen Safran

Jetzt hat sie rund 80 Beschäftigte und plant, noch in diesem Jahr eine Pilotanlage in Frankfurt-Höchst in Betrieb zu nehmen – ein „Showroom“ für interessierte Firmen, wie Verkehrsminister Wissing bemerkt. Das CO2 dort stammt aus einer Biogasanlage, der grüne Wasserstoff soll vor Ort in einem Elektrolyseur mit nachhaltig erzeugtem Strom hergestellt werden.

20 Millionen Euro Kapital hat Ineratec dafür bei strategischen Investoren eingeworben, zu denen seit Januar auch der französische Luft- und Raumfahrtkonzern Safran, der Energiedienstleister Engie und die MPC-Gruppe aus der Schifffahrt zählen.

Nachhaltiges E-Kerosin hat das Potenzial, die Luftfahrt CO2-neutral zu machen
Tim Böltken, Ineratec-Geschäftsführer

Auch Vertreter von Safran sind dabei, als der Verkehrsminister die Produktionshalle von Ineratec besichtigt – und dabei mühelos ins Französische wechselt. In seinem Beisein unterzeichnen Ineratec und Safran eine Erklärung, um in den kommenden Jahren „mit vereinten Kräften“ beim Aufbau des „E-Fuels-Ökosystems in der Luftfahrtindustrie“ Gas zu geben.

„Nachhaltiges E-Kerosin aus unseren Power-to-Liquid-Anlagen hat das Potenzial, die Luftfahrt CO2-neutral zu machen“, sagt Geschäftsführer Böltken. Mit starken Partnern wie Safran werde man die Verfügbarkeit von synthetischem Kerosin beschleunigen können.

Beimischung von synthetischem Kraftstoff

Ineratec baut seine Anlagen bislang selbst: Kompakter als die Konkurrenz, im Container verschiffbar. „Wo sitzt die Konkurrenz?“, will Wissing wissen. „Einige in Deutschland, viele in den USA, sehr viele in China“, antwortet Gründer und Geschäftsführer Tim Böltken. „Aber so weit wie wir ist keiner.“

Und an diesem Punkt kommt die Politik ins Spiel, um den Markthochlauf eines vielversprechenden Produktes zu fördern. Eine Rolle, die Wissing gerne annimmt und – da hat der FDP-Mann keine Berührungsangst – die regulatorische Seite der Politik betont, die sonst gerne Grünen angeheftet wird: „Dieses Produkt ist vom Preis her nicht konkurrenzfähig mit fossilen Kraftstoffen, es ist deutlich teurer, hat aber den Vorteil, dass es CO2-neutral ist“, sagt Wissing. Deswegen brauche man politische Vorgaben, „die dazu verpflichten, dieses umweltfreundliche Produkt beizumischen und auf lange Sicht hin ausschließlich zu benutzen.“

Technisch ist die Beimischung kein Problem, erläutert Böltken, das Produkt sei „drop-in-fähig“ – es kann also beliebig viel zum fossilen Kerosin beigemischt werden. Wie hoch die Beimischungsquote beim Luftverkehr sein soll, werde derzeit auf europäischer Ebene verhandelt, sagt Wissing, und ergänzt: „Aus der Sicht eines solch innovativen Unternehmens wie Ineratec brauchen wir eine hohe Beimischungsquote, damit wir einen schnellen Markthochlauf erzielen.“

EU entscheidet über Anteil von E-Fuels beim Kerosin

Böltken sieht das auch aus dem klimapolitischen Aspekt bei rund 1,5 Milliarden Verbrennern weltweit: „Mit fünf Prozent Beimischung ist der Welt da noch nicht geholfen.“ Er hofft, dass die Politik auf EU-Ebene in zwei bis drei Jahren so weit ist, Wissing denkt sogar, dass es schneller geht – und bedauert, dass die Agenda für den G7-Gipfel im Juni unter deutscher Ratspräsidentschaft schon festgezurrt sei. „Das wäre ein schönes Thema dafür gewesen.“

Die nächste Präsidentschaft wolle er aber darauf aufmerksam machen – mit dem Ziel: „Wir müssen einerseits so ehrgeizig wie möglich sein bei der Beimischung von Kraftstoffen und andererseits präzise genug, um Wettbewerbsnachteile für die europäische Wirtschaft zu vermeiden.“

Die Politik stellt die Weichen für die Nutzung von E-Fuels.
Tim Böltken, Ineratec-Geschäftsführer

„Innovation ist am Anfang immer teurer“, sagt Böltken. Auch Solaranlagen seien anfangs teuer gewesen. Das habe sich jetzt aber nicht zuletzt durch die Energiekrise geändert: „Dadurch, dass ich jetzt so günstig erneuerbare Energien produzieren kann, kann ich diesen Zyklus umdrehen. Jahrzehntelang haben wir fossile Kraftstoffe aus dem Boden genommen, um daraus Strom zu erzeugen. Jetzt kann ich viel günstiger Strom erzeugen und damit das Rad in die andere Richtung drehen: Aus dem erneuerbaren Strom Produkte machen für Sektoren, die ich nicht elektrifizieren kann.“

Im Flugbetrieb sind Batterien für einen E-Antrieb einfach zu schwer. Doch der Weg jetzt gehe in die richtige Richtung, sagt Böltken, „die Politik stellt die Weichen für die Nutzung von E-Fuels – Details, auf die jeder wartet, bevor er in die Technologie investiert“.

Auch Ineratecs Finanzchefin Gerda Frank betont noch einmal die Notwendigkeit einer schnellen Rahmensetzung. Wissing pflichtet Franks Begründung bei: „Wir müssen die Welt unserer Kinder lebenswert erhalten.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang