Putins Krieg in der Ukraine bereitet den Stadtwerken, auch in der Region, die wohl größten Sorgen – weil ungewiss ist, wie lange die Strom- und Gaspreise so exorbitant teuer bleiben. „Die Tendenz ist klar: Die Preise werden steigen, und je nach Vertragsbeginn und -dauer wird das gegebenenfalls erst mit Verzögerungen auch bei den Haushalten ankommen“, sagte jüngst Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen.
Aber auch der Zwist mit Strom- und Gasdiscountern treibt die Stadtwerke nach wie vor um. Im vergangenen Jahr hatten 39 Billiganbieter die Lieferung beendet – die Kunden landeten vielerorts bei Stadtwerken, die Ersatzversorgung leisten müssen. Seitdem lamentieren kommunale Tochterunternehmen über Mehrkosten. Teils streiten sie mit Verbraucherschützern und Konkurrenten vor Gericht, ob sie von den bei ihnen gestrandeten Neukunden deshalb höhere Tarife verlangen dürfen.
Doch wie sind die Auswirkungen tatsächlich? Die BNN haben sich bei mehreren Stadtwerken exemplarisch umgehört. Die meisten nannten jeweils die Zahlen ihres Privatkundenbestandes in der Strom- und Gassparte. Zudem machten sie Angaben zu den kurzfristig hinzugekommenen Ex-Discounter-Kunden.
Setzt man die Zahlen jeweils in Relation, dann machen die „Problemkunden“ – für die kurzfristig teurer Strom und Gas eingekauft werden muss – bei keinem Versorger drei Prozent oder mehr des jeweiligen Gesamtbestandes aus. Nur die Stadtwerke Bruchsal nähern sich in ihrer Gassparte mit 2,9 Prozent diese Marke.
Viele Stadtwerke betreiben auch Bäder
Entwarnung kann – derzeit – auch gegeben werden, was Bäder, Tiefgaragen, Tagungszentren oder ÖPNV angeht, die teilweise Sparten der Stadtwerke sind. Mitunter bestehen zumindest enge Verflechtungen mit ihnen. Es gibt, anders als in manchen politischen Kreisen befürchtet, keine eindeutige Ansage, wonach infolge der Mehrkosten für neue Strom- und Gaskunden beispielsweise der Bäderbetrieb eingeschränkt werden muss.
Die Stadtwerke Karlsruhe sind beispielsweise unter dem Dach der KVVH-Holding ein Schwesterunternehmen der Verkehrsbetriebe. „Leiden die Erträge der Stadtwerke, müssen dort die Verluste des Verkehrs anderweitig ausgeglichen werden“, erklärt Stadtwerke-Pressesprecher Markus Schneider den Zusammenhang.
Sebastian Heilemann wagt sich insofern etwas vor, als dass er für die Stadtwerke Bruchsal „Auswirkungen auf andere Sparten“ nicht gänzlich ausschließen möchte – dazu zählen etwa Bäder und Nahverkehrs-Angebote.
Derzeit „nicht denkbar“ seien Einschränkungen bei Bädern, dem Tagungshaus Buhlsche Mühle und dem eigenen Parkhaus, sagt der Chef der Stadtwerke Ettlingen, Joachim Fischer, klipp und klar. Er hat momentan andere Sorgen – die Auswirkungen des Krieges auf die Versorgungssicherheit und Preisentwicklung in der Gassparte.
Aufatmen können ebenso die Gaggenauer, was das ÖPNV- und Bäderangebot ihrer Stadtwerke angeht. Einschränkungen bei diesen würden auch „weitgehend ins Leere laufen, da es coronabedingt bereits Betriebseinschränkungen bei solchen Einrichtungen gibt“, verdeutlicht Marketing-Leiter Simon Mühlhäuser.
Klage der EnBW gegen Stromio wird begrüßt
„Keine Einschränkungen“, heißt es auch von Matthias Ullrich (Stadtwerke Baden-Baden). Er verweist dabei auf die langfristigen Planungen des Unternehmens, die Sicherheit geben.
Das Geschäftsgebaren der Energie-Discounter bleibt den Stadtwerken aber ein Dorn im Auge. „Viele entledigen sich verantwortungslos jetzt ihrer Kunden durch Einstellung der Versorgung“, moniert Karlsruhes Stadtwerke-Sprecher Schneider.
Der Karlsruher EnBW-Konzern geht gar soweit, dass er gegen den Strom-Discounter Stromio klagen will. „Wir begrüßen das Vorgehen der EnBW“, sagt dazu Schneider, will aber erst mal die Gerichtsentscheidung abwarten. Auch die Stadtwerke Pforzheim und Baden-Baden behalten es sich vor, rechtliche Schritte einzuleiten. Die Stadtwerke Ettlingen teilen mit, sie würden sich einer Sammelklage anderer Stadtwerke anschließen.
Bühls Stadtwerke-Geschäftsführer Reiner Liebich sieht hier grundsätzlich die Politik in der Pflicht, um „Verbraucherinnen und Verbraucher vor auf Kurzfristigkeit und Gewinnmaximierung ausgerichtete Geschäftsmodelle von Discountern zu schützen“.
Gaggenau, Baden-Baden und neuerdings Pforzheim verzichten auf Split-Tarife
Unterschiedlich ist übrigens, wie die Stadtwerke die Ex-Discounter-Kunden behandeln, die in ihrer Ersatzversorgung gelandet sind. „Unser Ziel ist es, dass unsere Bestandskunden nicht die Zeche für vermeintliche Schnäppchenjäger bezahlen müssen“, argumentiert beispielsweise Bühls Stadtwerke-Chef Liebich – daher die stichtagsbezogenen Neukundentarife für Ex-Discounter-Kunden.
Für Furore auch in den Medien haben die Stadtwerke Pforzheim mit ihrem Sondertarif gesorgt: Sie haben einen weihnachtlichen Spezialpreis (über 300 Prozent teurer) von Menschen verlangt, die plötzlich ohne Billigstrom dastanden. Nach Protesten reduzierten sie – und machen nach einem Urteil des Landgerichts Mannheim inzwischen keinen Unterschied mehr zu Bestandskunden. „Wir prüfen aktuell Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts Mannheim“, so Stadtwerke-Sprecher Maximilian Lutz. Doch auch das Landeskartellamt untersucht seinerseits das Agieren der Pforzheimer.
In der Reihe der Befragten fallen die Stadtwerke Gaggenau und die Stadtwerke Baden-Baden auf, die ein gemeinsames Preismodell für Bestands- und Neukunden haben. Matthias Ullrich, Abteilungsleiter Vertrieb der Stadtwerke Baden-Baden, verteufelt keinen Neukunden: „Als Grundversorger für die Bürger Baden-Badens freuen wir uns über die hinzugewonnenen Kunden und hoffen, diese von unserem Service und unseren Produkten überzeugen zu können.“