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Nahverkehr

Was bleibt vom Sommer der 9-Euro-Tickets?

Die spektakuläre Aktion mit Schnäppchentickets für Busse und Bahnen in ganz Deutschland ist vorbei. Der Minister will die Dynamik nutzen und unkompliziertere Tarife etablieren. Vieles ist noch offen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing setzt sich für ein dauerhaft attraktives und finanzierbares Nahverkehrsangebot ein.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing setzt sich für ein dauerhaft attraktives und finanzierbares Nahverkehrsangebot ein. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die beliebten 9-Euro-Tickets sind Geschichte. Und für Millionen Pendler und Abokunden springen die Fahrpreise für Busse und Bahnen erstmal zurück auf alte Höhen. War es das? Der Erfolg der Entlastungsaktion hat einige Erwartungen ausgelöst – und Druck für eine ähnlich verlockende Folgelösung nach Vorbild des Bestsellers. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) setzt jetzt auf zügige Klärungen mit den Ländern. Erklärtes Ziel: ein dauerhaft attraktives und finanzierbares Angebot für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Ob ein neues Ticket dann womöglich für 29, 49 oder 69 Euro kommen könnte, soll dabei aber erst ganz am Ende festgezurrt werden.

Wissing sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir wissen, dass wir eine Begeisterung für den ÖPNV ausgelöst haben, wie sie in Deutschland wahrscheinlich noch nie vorhanden war.“ Das seien Gründe, jetzt den nächsten Schritt schnell zu gehen. Das digitale Angebot und die bundesweite Geltung der 9-Euro-Tickets hätten etwas ausgelöst, was vorher nicht ausreichend im Blick gewesen sei: „Nämlich, was für eine Attraktivität ein einfaches Ticket für die Menschen hat.“

Die Sommeraktion, um Fahrgäste von gestiegenen Energiekosten zu entlasten, lief am Mittwoch aus. Die 9-Euro-Tickets ermöglichten im Juni, Juli und August jeweils für einen Monat bundesweit Fahrten in Bussen und Bahnen. Nach Branchenangaben wurden rund 52 Millionen Tickets verkauft. Der Bund finanzierte die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei den Verkehrsanbietern.

Was bereits bekannt ist – und was nicht

„Es war von vornherein klar, dass dieses 9-Euro-Ticket, das ein extrem günstiger Tarif in einer Extremsituation war, nicht dauerhaft aufrechterhalten werden kann“, sagte Wissing. Ihm sei aber wichtig, das nicht als Experiment abzuhaken, sondern die richtigen Lehren zu ziehen. „Ich freue mich, dass ich jetzt anders als im Frühjahr nicht mehr überall Widerstand sehe, sondern eine breite Unterstützung, um einen großen Reformschritt im ÖPNV gemeinsam zu gehen.“

Der Fahrplan: Zur Reihenfolge bei den Überlegungen machte Wissing klar, man könne nicht als erstes einen Preis nennen. Den liefere erst eine Rechnung am Ende. „Wenn man sagt, ein Ticketpreis ist gesetzt, und der Rest muss angepasst werden, dann kommt man nicht zu einer optimalen Reform.“ Die Frage sei also zuerst, wie ein Ticket aussehen soll: „Wie soll die Geltung sein, wie kann es erworben werden? Soll es ein Monatsticket oder ein Ticket sein, das man im Jahresabo kauft? Soll es nur ein Tarif sein oder mehrere Tarife geben?“

Die Bausteine: Mit Blick auf das Vorbild der 9-Euro-Tickets meinte Wissing: „Es ist natürlich toll, dass man das Ticket überall erwerben und überall damit hinfahren kann. Das ist etwas besonders Wertvolles, was die Nutzung extrem einfach macht. Es sollte auch unbedingt ein möglichst digitales Ticket sein.“ Als Optionen im Gespräch sind außerdem auch differenzierte Preise, etwa ein günstigerer Tarif für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Ein Ticket für ganz Deutschland könnte mehr kosten, als eines nur für ein Bundesland oder zwei Länder.

Die Finanzen: Damit ein Folge-Ticket günstiger sein kann als normale Fahrscheine, muss extra Geld vom Staat dazukommen. Bisher wiesen sich Bund und Länder vor allem gegenseitig Verantwortung dafür zu. Nach zunächst ablehnenden Signalen ließ Finanzminister Christian Lindner (FDP) jetzt erkennen, dass der Bund im Boot sein könne – mit einem noch nicht näher bezifferten „Bruchteil“ von 14 Milliarden Euro, die ein verlängertes 9-Euro-Ticket pro Jahr kosten würde. Und, zweitens, wenn die Länder mitmachten. Wissing deutete an, dass es Spielräume bei Vertriebskosten geben könnte, die sich bei den Ländern auf zwei Milliarden Euro im Jahr addierten. „Wir haben durch Digitalisierung und vereinfachte Tarife auch die Möglichkeit, Geld einzusparen.“

Die nächsten Etappen: Wie schnell ein neues Angebot zustande kommt, ist offen – beim 9-Euro-Ticket ging es am Ende organisatorisch fixer als von vielen gedacht. „Wann ein solches Ticket genau zu welchem Termin umgesetzt werden könnte, kann ich jetzt noch nicht sagen“, erläuterte Wissing. Er sei jederzeit gesprächsbereit mit den Ländern. Als nächstes soll am 19. September noch eine Sonderkonferenz der Verkehrsminister folgen, Mitte Oktober eine reguläre Beratung. Die Kampagnen-Organisation Campact adressierte schon die Spitzen von SPD, FDP und Grünen: Ein 365-Euro-Jahresticket müsse dabei sein, wenn der Koalitionsausschuss ein weiteres Entlastungspaket beschließe.

Die ÖPNV-Finanzierung: Schwierig macht es, dass das Vorhaben in ein generelles Ringen um mehr Geld hineinspielt. „Es ist schon mal gut, dass die FDP sich endlich bewegt und ihre Blockadehaltung aufgibt“, sagte Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Bund sei aber beim Finanzieren eines 9-Euro-Ticket-Nachfolgers in der Pflicht wie auch bei einer Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Damit bestellen die Länder Leistungen bei Verkehrsanbietern. Und wegen steigender Kosten stehe man ohnehin vor riesigen Herausforderungen, nur das bisherige ÖPNV-Angebot zu erhalten, warnte Krischer. Regulär kommen aus Berlin in diesem Jahr 9,4 Milliarden Euro, dazu noch eine Milliarde aus einem anderen Topf.

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