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Schwerwiegender Rechenfehler

Untersuchung von Bundesbehörde zur Schallbelastung durch Windräder war falsch

Die Untersuchung einer Bundesbehörde zur Schallbelastung durch Windräder war falsch. Sie diente Windkraftgegnern als Argument. Dass der Ausbau an Fahrt gewinnt, steht dennoch nicht zu erwarten.

Der Windpark «Albertshof» der Berliner Stadtwerke (Luftaufnahme mit einer Drohne). Am selben Tag findet eine virtuelle Vorstellung des Onshore Windparks «Albertshof» statt. Auf diesem Feld nahe dem nordöstlichen Stadtrand von Berlin wurden 9 Windenergieanlagen mit je 3,45 MegaWatt (MW) Leistung errichtet. Die Investitionsvolumen lag bei etwa 38,7 Millionen Euro. Bilanziell werden mit den 9 Anlagen mehr als 30.000 Haushalte mit lokalem Ökostrom versorgt. +++ dpa-Bildfunk +++
Bisherige Berechnungen des Schalldrucks durch Windräder haben sich als falsch erwiesen, Gegner der Anlagen verlieren damit ein wichtiges Argument. Foto: Patrick Pleul/dpa

Es klingt paradox: Ein Schall, den Menschen nicht hören können, dient ihren Gegnern als lautes Argument gegen Windräder. Dieser sogenannte Infraschall liegt im tiefen Frequenzbereich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Gehörs.

Dennoch behaupten Windkraftgegner, die durch die Drehung der Windräder entstehenden Schallwellen lösten Schlafstörungen und Schwindel aus oder verursachten Ohrensausen. Sie konnten sich bisher auf eine Berechnung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit Sitz in Hannover stützen, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht.

Doch diese Untersuchung aus dem Jahr 2005 ist falsch, wie sich vor wenigen Tagen herausstellte. Sie setzte den Schalldruck viel zu hoch an und verrechnete sich um den Faktor 10.000. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) entschuldigte sich für den schwerwiegenden Rechenfehler seiner Behörde, der den Windkraftausbau in Deutschland hemmte.

„Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen“, sagte Altmaier. Die Akzeptanz von Windanlagen an Land habe „ein Stück weit“ darunter gelitten, meinte der Minister.

Vergangenes Jahr gingen 420 Windräder ans Netz

In Deutschland hat der Bau von Windrädern seit einigen Jahren deutlich nachgelassen. Vergangenes Jahr gingen 420 ans Netz. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste die vierfache Zahl aufgestellt werden, damit Deutschland weniger Kohlendioxid in die Luft bläst. Die beiden großen Länder im Süden – Bayern und Baden-Württemberg – sind dabei besonders zögerlich.

Trotz Gründwerdung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kamen 2020 im Freistaat acht Windräder dazu, in Baden-Württemberg unter dem Grünen-Landesvater Winfried Kretschmann waren es zwölf. Die Flaute beim Zubau hat mit der Umstellung der einst üppigen Förderung auf gewinndämpfende Ausschreibungen zu tun, aber auch mit dem Widerstand vor Ort und der Klagefreude von Windkraftgegnern.

Die Korrektur nimmt Windkraftgegnern das einzige noch verbliebene Argument im Bereich Infraschall.
Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie

Eine Übersicht auf der Internetseite „Windwahn“ listet über 1.000 Bürgerinitiativen in der gesamten Republik auf. „Die Korrektur der falschen Zahlen nimmt Windkraftgegnern das einzige noch verbliebene Argument im Bereich Infraschall“, sagte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter, unserer Redaktion. Infraschall von Windenergieanlagen sei „nicht gefährlich oder in irgendeiner Weise schädlich“.

Hälfte der Windräder-Klagen werden mit der Gefahr für Vögel begründet

Die frühere Grünen-Chefin Peter hofft, dass nun der Rückhalt der Bürgerinitiativen gegen Windräder schwindet. Deren Protest sorgte dafür, dass Gemeinderäte in ganz Deutschland gegen den Bau der weißen Spargel gestimmt haben. Dass der Widerstand nun zusammenbricht und hierzulande wieder Hunderte Windräder pro Jahr mehr aufgestellt werden, steht dennoch nicht zu erwarten.

Die gesundheitlichen Folgen des Infraschalls waren eines der Argumente, aber nicht das einzige. Auch die Verschandelung der Landschaft wurde und wird gegen Windparks angeführt. Am wirkmächtigsten ist der Naturschutz und dabei besonders der Schutz von Vögeln und Fledermäusen. Geraten sie im Flug in den Sog der Rotoren, werden sie geschreddert. Vor allem vor Gericht ist das ein starker Hebel gegen Windräder.

Eine Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land aus dem Jahr 2019 kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Klagen mit der Gefahr für Vögel und Fledermäuse begründet werden. Ein weiteres Drittel bezieht sich auf Formfehler im Genehmigungsverfahren. Gegen jedes fünfte geplante Windrad wird laut Fachagentur vor Gericht gestritten.

Das hat zur Folge, dass es mittlerweile sechs bis sieben Jahre dauert, bis Windräder gebaut werden und Strom liefern. Die Behörden prüfen sehr aufwendig und fordern Gutachten an, damit Genehmigungen gerichtsfest sind. Die Klagen ziehen den Prozess zusätzlich in die Länge.

Windkraft: Psychologen glauben, dass für Erkrankungen die Psyche verantwortlich ist

Zur Realität gehört, dass die Klagen bei weitem nicht nur von Windkraftgegnern gestellt werden, sondern viel stärker von Naturschützern. Sie strengten der Auswertung der Fachagentur zufolge 60 Prozent der Gerichtsverfahren an.

Die Gesundheitsprobleme zahlreicher Anwohner werden durch einen Rechenfehler nicht gelindert.
Bündnis Vernunftkraft

Die Windkraftgegner wollen trotz des Rechenfehlers der Bundesanstalt für Geowissenschaften daran festhalten, dass Windräder schwere Erkrankungen auslösen können. „Die erheblichen Gesundheitsprobleme zahlreicher Anwohner von Windanlagen wurden und werden durch einen Rechenfehler jedenfalls nicht gelindert“, erklärte das Bündnis Vernunftkraft, das sich als Zusammenschluss der lokalen Initiativen versteht.

Tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Anwohner über Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Herzrasen klagen. Es gibt Ärzte, die das auf die Windräder zurückführen. Psychologen von der Universität Auckland glauben hingegen, dass für Erkrankungen die Psyche verantwortlich ist, wenn Anwohner zum Beispiel beunruhigende Berichte über mögliche gesundheitliche Folgen gelesen oder gesehen haben.

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