„Der Wahnsinn nimmt kein Ende“, sagt Mario Schmidt. Der Regionalbeauftragte des Automobilclubs für Europa (ACE) meint damit die oft dramatischen Folgen, wenn Lastwagen den Sicherheitsabstand auf Autobahnen nicht einhalten.
Jeden Tag verunglücken laut Schmidt Lkw auf deutschen Autobahnen. Jeder dritte Unfall davon geschieht am Stauende. Allein 80 Prozent aller Lkw-Unfälle mit Todesfällen spielen sich hier ab, wo Müdigkeit, Ablenkung und ausgeschaltete Warneinrichtung dramatische Folgen haben.
Um gegenzusteuern, will der ACE alle Autofahrer auf das Problem aufmerksam machen. Dazu zählten Schmidt und sein Kollege Michael Walter aus dem Pforzheimer Kreisvorstand des ACE am Mittwoch über eine Stunde hinweg die Lastwagen auf der A8 bei der Auffahrt Pforzheim-Nord, die den vorgeschriebenen Mindestabstand von 50 Metern zum nächsten Fahrzeug nicht einhielten. Das Ergebnis: Mehr als jeder fünfte Lkw fuhr zu dicht auf und sorgte so für eine gefährliche Verkehrssituation.
Die Leute sollen einen anderen Umgang beim Autofahren lernen.Mario Schmidt, Regionalbeauftragter des Automobilclubs für Europa
Schmidt macht solche Messaktionen öfter, zuletzt in Karlsruhe oder an der A6 bei Heilbronn. Auch in Pforzheim haben er und Walter schon ab und an den Mindestabstand der Lkw auf der A8 kontrolliert. „Die Polizei kann diese Aufgabe nicht leisten, denen fehlt das Personal“, stellt Schmidt fest.
Wenn die Polizei misst, dann präzise und bei Verstößen mit dezidiertem Bußgeld als Folge. Der ACE dagegen will alle Verkehrsteilnehmer lediglich sensibilisieren, Mindestabstand und Tempobeschränkungen einzuhalten. „Die Leute sollen einen anderen Umgang beim Autofahren lernen“, so Schmidt.
Die Aufklärungsarbeit des ACE richte sich an Lkw-Fahrer aber genauso auch an die „Kampffahrer auf der linken Spur“, Drängler oder Rettungsgassen-Sünder. Eigentlich sollte das seit 2015 in neu zugelassenen Lkw verpflichtende Notbremssystem Auffahrunfälle gerade am Stauende verhindern.
„Doch die Trucker schalten die oft manuell ab“, beklagt der ACE-Mann. Etwa weil knapp vor ihnen einscherende Kollegen dann eine Notbremsung ihres Lkw erzwingen würden. „Und dann wieder mühsam hochschalten und beschleunigen, das kostet Zeit, die sie in ihrem stressigen Job nicht haben.“
2020 fast täglich schwere Unfälle auf der A8 bei Pforzheim
Dass ein anderes Verhalten notwendig ist, zeigt der Blick auf die Unfallstatistik: So gab es 2020 auf der A8 im Bereich der Autobahnpolizei Pforzheim, also zwischen Karlsbad und Heimsheim, fast täglich schwere Verkehrsunfälle, bei denen mangelnder Sicherheitsabstand die Ursache war, zusammen mit nicht angepasster Geschwindigkeit.
2019 wurden laut Schmidt in diesem Bereich 188 Unfälle mit Lkw-Beteiligung registriert. 2020 waren es dagegen nur 117. Laut Schmidt kein Hinweis auf sichere Fahrweise, vielmehr eine Folge von Corona und insgesamt weniger Güterverkehr. 2020 war unter den Unfallopfern auch ein toter Lkw-Fahrer. „Das klingt nicht viel, aber jeder einzelne Tote ist zu viel“, so Schmidt.
Die beiden ACE-Männer hatten eine geschickte Position auf der Brücke der alten Bauschlotter Straße über die A8 eingenommen. Geschickt, weil direkt unter der Brücke ein Leitpfosten steht, der mit dem nächsten Pfosten 50 Meter voraus den Mindestabstand markiert, den Lastwagen gleich bei welchem Tempo einhalten müssen.
Beide teilten sich die Arbeit, einer Fahrtrichtung Stuttgart, der andere Richtung Karlsruhe. Mit einer Strichliste wurde die Gesamtzahl der Lkw, auf einer zweiten die zu eng fahrenden Laster notiert. Ab und zu kam wegen der Rush Hour ein Stau Richtung Stuttgart dazwischen.
Dennoch passierten in der einen Stunde 427 Lkw die Brücke in Richtung Karlsruhe, 377 in Richtung Stuttgart. 94 beziehungsweise 81 hielten den Mindestabstand nicht ein. Die nicht in einer Kolonne fahrenden Lastwagen, also einzelne Lkw, fielen aus der Rechnung raus.