Skip to main content

Mehr Gäste als früher?

Die Pforzheimer Vesperkirche kommt in die Stadtkirche zurück

Zwei Jahre gab es nur Essen zum Mitnehmen: Dieses Jahr sind die Organisatoren der Vesperkirche überzeugt, dass die Stadtkirche wieder genutzt werden kann.

Vesperkirche to go
Essen To-Go war gestern: Die Zeiten der Corona-Beschränkungen sind wohl erst einmal vorbei. Foto: Stefan Friedrich

Nach zwei Jahren To-Go-Betrieb freuen sich die Organisatoren der Vesperkirche, das ökumenische Angebot wieder in Form eines gemeinschaftlichen Miteinanders in der Stadtkirche anbieten zu können. Ab 15. Januar wird dort für vier Wochen die alte Gemütlichkeit einziehen mit warmem Essen, Kaffee und Kuchen sowie Gesprächen – wie es die Menschen vor der Pandemie gewohnt waren.

„Die Gäste freuen sich genauso darauf“, hören Elisabeth Schweizer und Rudolf Mehl vom Organisationsteam dieser Tage oft. Als Folge der wachsenden wirtschaftlichen Probleme vieler Menschen und wegen zahlreicher ukrainischer Flüchtlingsfamilien, die nun in Pforzheim leben, rechnen sie in diesem Jahr mit noch mehr Zulauf als sonst.

Dafür sprechen Zahlen aus der Suppenküche in der Kiehnlestraße, die während der Vesperkirche traditionell schließt. „Zu Vor-Corona-Zeiten haben wir 40 bis 50 Essen ausgegeben, samstags 70 bis 80“, sagt Mehl. Inzwischen seien es jeweils fast doppelt so viele.

Das zeigt uns, wie groß die Not im Moment ist.
Thomas Lutz, Vesperkirche

Ähnlich ist die Situation im Diakonie-Punkt an der Altstädter Straße, wo es die Möglichkeit zum Foodsharing gibt – Lebensmittel zu bekommen, die sonst weggeworfen würden. „Bis zu 100 Menschen stellen sich dort an. Das zeigt uns, wie groß die Not im Moment ist“, bestätigt Thomas Lutz, Vorstandsvorsitzender der Vesperkirche. „Es werden sehr viele Menschen zu uns kommen“, glaubt auch er.

Gab man in der Vesperkirche früher rund 400 Essen täglich aus, so könnten es diesmal 500 werden, glaubt das Organisationsteam. „Wir sind vorbereitet und haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, schildert Schweizer den Erfolg von Mund-zu-Mund-Propaganda.

Zwar sind einige auch aus gesundheitlichen Gründen abgesprungen, doch haben altbewährte Kräfte neue, teils jüngere Leute aus dem Freundeskreis akquiriert, so dass aktuell rund 500 Helferinnen und Helfer an Bord sein werden. „Wir brauchen etwas mehr als 40 am Tag, das kriegen wir hin“, erklärt Mehl.

Für einen Euro bekommen Gäste neben der warmen Mahlzeit täglich eine Vespertüte zum Mitnehmen. Kaffee, Tee, alkoholfreie Getränke und süße Stückchen sind kostenlos. Wie vor der Pandemie gibt es ärztliche Sprechstunden und die Möglichkeit einer Beratung durch Sozialarbeiter.

Das Team der Vesperkirche in Pforzheim könnte noch mehr Spenden gebrauchen

Montags kann man sich die Haare schneiden lassen. Hierfür kann das Team auf die neuen Räume im Haus der evangelischen Kirche zurückgreifen. Dort werden auch die Vespertüten gerichtet.

Aus Zeiten der Pandemie hat es sich bewährt, Brot, Butter und Wurst einzeln zu verpacken. „Wir sparen Arbeit und vielen ist es lieber, wenn sie sich die Brote zuhause selbst schmieren können“, erklärt Mehl.

Noch mehr helfende Hände, Kuchenspenden und Geld kann das Team dennoch gut gebrauchen. Im vergangenen Jahr lagen die Spenden etwas unter dem Ziel von 200.000 Euro. Das Geld habe zwar gereicht, aber diesmal steht man vor einer anderen Situation, gibt Lutz zu bedenken.

Mit Blick auf die Suppenküche, die nach Ende der Vesperkirche wieder beginnt, werde man mehr brauchen. „Die Vesperkirche ist in Pforzheim nicht wegzudenken“, betont er. Für Mehl hat sie auch die Aufgabe, soziale Not sichtbar zu machen – und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Er wirft die Frage auf: „Ist Armut gottgegeben? Oder liegt es an unseren Verteilmechanismen?“ Mehl sieht eine Ambivalenz im oft genannten Ziel, wonach Angebote wie Vesperkirche und Suppenküche im besten Fall überflüssig wären.

„Es wäre wünschenswert, wenn man sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr brauchte.“ Aber was die Vesperkirche für viele Besucher ebenso wichtig macht, ist die emotionale, soziale Seite: „Die Möglichkeit, zusammensitzen und sich unterhalten zu können.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang