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Geschichte eines Aussteigers

Ausstieg vom rechten Rand: Ex-Nazi und ehemaliger Rotlicht-Rocker gibt Einblick in sein Leben

Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Volkshochschule in Pforzheim hat Ex-Nazi und ehemaliges Mitglied der Rocker-, Drogen- und Rotlichtszene Philip Schlaffer über seinen Ausstieg gesprochen.

Zwei Männer stehen um einen Tisch. Der eine im Anzug, der andere mit Hemd, die hochgekrempelten Arme legen ebenso wie der Hemdausschnitt Tätowierungen offen.
Geschichte eines Aussteigers: Der Ex-Nazi Philip Schlaffer (rechts) ist davon überzeugt, dass jeder aus der Szene aussteigen kann, der das möchte. Auch Hans-Ulrich Rülke betont, es müsse eine zweite Chance für Aussteiger geben. Foto: Roland Wacker

Von Harald Bott

Die Botschaft des Abends war eine versöhnliche. Jeder, der aussteigen möchte, egal ob aus der Nazi-, der Rocker-, der Drogen- oder Rotlichtszene, habe eine zweite Chance verdient. Betreuung, Hinwendung und Akzeptanz seien aber unabdingbar, sagte der Ex-Nazi und Rotlicht-Rocker Philip Schlaffer am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Volkshochschule vor rund 30 Besuchern.

„Ich bin heute noch meinen Helfern dankbar, die mich akzeptiert und vorbehaltlos unterstützt haben“, betonte Schlaffer. Eine Botschaft, der sich Gemeinderat und FDP-Landtagsmitglied Hans-Ulrich Rülke anschloss. Es müsse ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden, das es Aussteigern ermögliche, eine zweite Chance zu bekommen. Das, so Rülke weiter, sei nicht nur politisch klug, sondern im ureigensten Interesse einer demokratischen Gesellschaft. Doch wie kam es überhaupt so weit, dass Schlaffer in die rechte Szene abglitt?

Im Alter von zehn Jahren zog er mit seinen Eltern nach England, begann Schlaffer seine mitunter lückenhaften Ausführungen. Nicht ganz ohne Probleme integrierte er sich dort, lernte die Sprache und fand Freunde. Doch im Alter von 14 Jahren zogen seine Eltern zurück nach Deutschland.

Musik wird zum Ventil für den Frust

Philip Schlaffer (geboren 1978 im schleswig-holsteinischen Stockelsdorf) stand plötzlich alleine da. Aus guten Schulnoten wurden plötzlich Fünfen und Sechsen. Die Bildungsansprüche seiner Eltern konnte er nicht mehr erfüllen. Freunde hatte er keine mehr, selbst der Sportverein wollte ihn nicht mehr haben.

Ein Ventil für seine Frustration und Isolation wurde die Musik. Natürlich habe er „Böhse Onkelz“ gehört, „Störfall“ oder „Endstufe“. Der Anknüpfungspunkt war da. Gesellschaft, Demokratie und Grundgesetz wurden zu Feindbildern. Später sei er aus der Nazi-Szene „aufgestiegen“ – Schlaffer betonte dies mehrfach – in das Rotlicht-Rockermilieu.

Doch irgendwann wurde der Druck zu groß. Er wurde krank, bekam Migräne und konnte nicht mehr schlafen. Schließlich sei es bei einer Versammlung, bei der es um Drogengelder ging, aus ihm herausgebrochen: „Macht euren Scheiß doch alleine!“ Der Ausstieg war eingeleitet. Es folgten Knast und Resozialisierung und schließlich die Rückwendung zur Gesellschaft.

Jeder, der wolle, könne aussteigen, betonte Schlaffer. Gewaltdelikte gegen Aussteiger seien eher unwahrscheinlich. Aber es brauche die räumliche Trennung, sprich einen Umzug. Schlaffer ist heute selbst Sozialarbeiter und Geschäftsführer des Vereins „Extremislos“.

Rülke wurde gefragt, wie es künftig mit der Finanzierung von Aussteigerprogrammen aussehe. Derzeit kein Problem, antwortete Rülke. Allerdings könne sich das nach der Corona-Krise, wenn Sparzwänge auftreten würden, auch ändern. Schlaffer beklagte, dass sehr viel Geld versickere und nicht unten ankomme. Es würden riesige Summen dafür verwendet, große Wasserköpfe zu unterhalten, während er selbst noch nicht einmal wisse, wie er seinen ehrenamtlichen Helfern die Spritkosten ersetzen solle.

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