Die Zukunft des Bader-Areals und eine mögliche Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in dem ehemaligen Logistikcenter des Versandhauses im Brötzinger Tal beschäftigen weiter die Pforzheimer Politik.
Am Freitag haben sich im Nachgang zur Sitzung des Ausschusses für Soziales und Arbeit am Donnerstag die Fraktionen FDP und Grüne Liste mit einer gemeinsamen Pressemitteilung gemeldet. Die sieben Stadträte fordern eine Sondersitzung des Gemeinderats zur planungsrechtlichen Zukunft des ehemaligen Logistikzentrums.
Die Vielzahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, die Pforzheim erreicht, bereitet der Stadt Probleme bei der Unterbringung. „Pforzheim ist personell, finanziell, sozial und im Wohnungsbereich stark gefordert“, beschrieb Marianne Engeser (CDU) am Donnerstag die momentane Lage nach einem Sachstandsbericht von Jan Gutjahr im Ausschuss.
Der Leiter der Abteilung Asyl und Wohnungswesen beim Jugend- und Sozialamt der Stadt legte dramatische Zahlen vor: mehr als eine Million Ukraine-Geflüchtete bundesweit, eine Steigerung der Zahlen im Land um 76 Prozent gegenüber dem Vorjahr und Zuweisungen nach Pforzheim von rund 2.400 Geflüchteten im Vorjahr – darunter 2.000 aus der Ukraine.
„Wir haben nur noch wenige Optionen“, beschrieb Gutjahr die Lage in den 35 Flüchtlingsunterkünften. Derzeit werde mit Hochdruck am Umbau des ehemaligen Thales-Gebäudes für die Notunterbringung von Geflüchteten gearbeitet.
„Die Fertigstellung des Sozialbaus im Laufe des Februars ist schwer zu erreichen“, kündigte Gutjahr an. Die Shedhalle soll im Laufe des März fertig sein. Mit der Nutzung des Thales-Gebäudes soll die Hallenunterbringung in Pforzheim beendet werden. Nach der Jahnhalle soll dann auch die Hochfeldhalle in Huchenfeld wieder frei werden.
Doch die Stadt sieht noch kein Ende der Fahnenstange. Derzeit kommen laut Gutjahr aus der Ukraine monatlich 30 bis 40 Personen nach Pforzheim – in Spitzenzeiten im Jahr 2022 waren es bis zu 60 im Monat.
Das Land puffere derzeit den Zuzug etwas ab, indem es das Aufnahmesoll für Pforzheim für den gerade abgelaufenen Januar von 49 auf 22 Personen absenkte. „Dem Regierungspräsidium zufolge sei aber nicht mit einer langfristigen Absenkung der Zuweisungszahlen zu rechnen“, berichtete Gutjahr.
Bader-Immobilie im Brötzinger Tal kommt als Aufnahmeeinrichtung ins Spiel
Angesichts dieser Perspektive brachte Engeser für den „Ernstfall“ wieder die Bader-Immobilie im Brötzinger Tal als LEA für Geflüchtete ins Spiel. Das kontrovers diskutierte Vorhaben könnte laut Engeser „vermutlich helfen, den Zustrom von Flüchtlingen zu verkraften“.
Dennoch gelte es, Chancen und Bedenken abzuwägen, wenn dort 1.000 Menschen auf einem Areal untergebracht werden sollen. Noch gebe es nur eine mündliche, aber noch keine feste Zusage, dass eine LEA in Pforzheim die Zuweisung zur Anschlussunterbringung drastisch reduzieren würde.
Laut Bürgermeister Frank Fillbrunn (FDP) ist die Diskussion über die LEA neben den Fakten vom Gefühl geprägt, es komme „etwas ganz Schreckliches auf die Stadt zu, wenn 1.000 Leute aus dem Ausland hier leben sollen“. Angst sei aber ein schlechter Ratgeber, sagte Fillbrunn auch in Richtung Monika Descharmes.
Die FDP-Stadträtin erklärte, sie verspüre „echte Angst“, und wolle sich hinter die Bevölkerung stellen. „Das ist eine Gefahr für den inneren Frieden“, so Descharmes.
Auch Stefanie Barmeyer (Bündnisgrüne) betrachtet das Gebäude kritisch als „Bunker“ und befürchtet bei der Unterbringung auf engem Raum hohe psychische Belastungen der Bewohner bis hin zum „Ausrasten“. Um Ängsten vorzubeugen, plant die Stadt eine Reihe von Info-Veranstaltungen zu dem Thema, gab Fillbrunn bekannt.
Im Nachgang zur Ausschusssitzung legten Grüne Liste und FDP nach: Die FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Grüne-Liste-Sprecher Axel Baumbusch äußerten sich in einer Mitteilung sehr skeptisch zum Vorhaben der CDU, in Pforzheim eine LEA einzurichten.
Der Gemeinderat müsse die Möglichkeit haben, Herr des Verfahrens zu werden. Es gehe nicht an, „dass ein CDU-Migrationsstaatssekretär über den Kopf der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt hinweg eine solche Entscheidung für Pforzheim treffe“, so die Mitteilung.
Sie wollen mit einer Sondersitzung erwirken, dass der Bebauungsplan des Bader-Areals die Voraussetzungen schafft, die dem Gemeinderat ein Vorkaufsrecht ermöglichen. Zudem solle eine Veränderungssperre nach dem Baugesetzbuch vorgenommen werden, damit der Gemeinderat die Nutzung steuern kann.
„Nach dem Vorbild der Bäderentscheidung im Januar dieses Jahres wollen wir eine vorgeschaltete Sitzung der beteiligten Ausschüsse, so dass an diesem Tag auch entschieden werden kann“, so Baumbusch.