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Mit Bestattern im Gespräch

"Die Psyche braucht den Anblick des Toten"

Jeden Tag mit Toten und Trauernden Menschen zu tun haben? Das klingt ganz schön abschreckend. Warum sie trotzdem den Beruf des Bestatters gewählt haben und darin Erfüllung finden, erzählen zwei junge Menschen aus Dietlingen.

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Traumjob Bestatter? Für Benjamin Gebhardt und Melanie Suvak ist ihr Beruf Berufung. Foto: bba

Die meisten Menschen scheuen die Beschäftigung mit dem Tod so lange wie nur irgend möglich. Umso ungewöhnlicher, dass sich nun in Keltern-Dietlingen ein junges Paar mit einem Bestattungsinstitut selbstständig gemacht hat. Melanie Suvak (22) und Benjamin Gebhardt (34) verraten im Interview, warum sie sich für den Beruf des Bestatters entschieden haben, vor welchen aktuellen Herausforderungen das Metier steht und woraus sie die Kraft für einen emotional fordernden Alltag ziehen.

Ihr seid beide in einem Alter, in dem die meisten den Tod gedanklich noch ganz weit von sich wegschieben. Wie kommt man dazu, das Lebensende zum Beruf zu machen?

Gebhardt: Ich habe nach meinem Abitur zunächst in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Mit Mitte 20 habe ich dann ein Praktikum als Bestatter bei der Stadt Karlsruhe gemacht, erste Erfahrungen gesammelt und dabei festgestellt: Ich kann das. Das ist ja eine der Grundfragen, die man sich stellt, wenn man sich mit dem Beruf beschäftigt, weil ja auch sehr viel damit einhergeht: Tote Menschen sehen, anfassen, versorgen, vorbereiten. Auf der anderen Seite aber natürlich auch der Kontakt zu den Hinterbliebenen, also mit Leuten, die teilweise schreien, weinen, wütend sind. Damit muss man als Bestatter umgehen können.

Ist es nicht manchmal niederschmetternd, jeden Tag mit dem Tod zu tun zu haben?

Suvak: Ich habe mir früher tatsächlich oft Gedanken gemacht, ob dieser Beruf zu mir passt, weil ich ein sehr sensibler Mensch bin. Aber manchmal muss man Sachen auch einfach ausprobieren. Tatsächlich konnte ich von Anfang an Privates und Berufliches gut abgrenzen. Natürlich gehen einem manche Sterbefälle nahe und man fühlt mit den Angehörigen mit – aber insgesamt ist es doch eher ein befriedigendes und schönes Gefühl, wenn man den Hinterbliebenen helfen kann in so einer schweren Zeit. Und der Tod ist etwas ganz Natürliches, er gehört eben zum Leben.

Gab es schon Fälle, bei denen ihr gesagt habt: Das kratzt jetzt wirklich an meiner Psyche, das muss ich erst mal verdauen?

Suvak: Nein, bislang hatte ich so einen Fall noch nicht. Aber oft sind es auch Schlüsselmomente im Leben von Bestattern, die so etwas auslösen. Zum Beispiel kann die Geburt des eigenen Kindes dazu führen, dass man sagt: Ich kann keine Kindesbestattungen mehr übernehmen. Aber auch Unfälle oder Trauerfälle in der eigenen Familie können das auslösen.

Gebhardt: Ich denke, das Wichtigste ist, dass man immer wieder aufmerksam in sich selbst hineinhört und sich fragt: Geht mir das nach, was ich da tue? Das hat sich schon bei so manchem Bestatter von einem auf den anderen Tag geändert, davor ist man nie gefeit.

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Im Ortskern von Dietlingen findet sich das Bestattungshaus Gebhardt & Suvak. Foto: bba

Wie wichtig ist eurer Meinung nach der Abschied am offenen Sarg, also die Aufbahrung?

Suvak: Die offene Abschiednahme ist sehr wichtig. Die menschliche Psyche braucht den Anblick des Toten, um zu begreifen, dass es sich nur noch um die Hülle handelt.

Gebhardt: Ja, das ist sowohl bei einer engen Bindung im positiven wie auch im negativen Sinne wichtig, um die Trauerprozesse einzuleiten. In der heutigen Zeit, in der viele Menschen nicht mehr zuhause, sondern im Krankenhaus oder Altersheim sterben, ist die Aufbahrung oft die letzte Möglichkeit, ein Zwiegespräch zu führen und noch einmal zu sagen, was einem auf dem Herzen liegt – auch und vielleicht gerade dann, wenn die Beziehung zum Verstorbenen nicht unproblematisch war. Wir legen diese Art des Abschieds also auf jeden Fall nahe. Entscheiden muss das aber natürlich jeder Hinterbliebene für sich. Denn Trauer ist stets ein individueller Prozess.

Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen habt ihr nie wirklich Feierabend. Wie geht ihr damit um?

Gebhardt: Ja, wir haben zwar Büroöffnungszeiten, sind aber natürlich trotzdem telefonisch sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag für unsere Kunden zu erreichen – denn ein Todesfall kann schließlich immer eintreten.

Suvak: Ich glaube, dabei ist es von Vorteil, dass wir beide sehr spontane Menschen sind. Wenn wir frei haben, genießen wir das. Aber wir müssen nicht Wochen im voraus planen und können auch schnell umschalten.

Viele Menschen fühlen sich in der Gegenwart von Trauernden unsicher, ringen mit den richtigen Worten und Gesten. Hilft euch für die Gespräche mit den Hinterbliebenen euer Erfahrungsschatz – oder ist doch jede Betreuung völlig individuell?

Gebhardt: Natürlich gibt die Erfahrung eine gewisse Sicherheit. Aber eigentlich gelten auch hier ganz normale Regeln der Zwischenmenschlichkeit: Hilfe anbieten ist nie verkehrt, aber sie nicht aufzwingen. Oft hilft es auch, sich ein Stück weit heranzutasten, um herauszufinden, was der Trauernde möchte und braucht. Es gibt ja ganz viele unterschiedliche Formen von Unterstützung im Trauerfall.

Dass die Trauerkultur in Deutschland im Wandel ist, ist fast schon eine Binsenweisheit. Wie erlebt ihr das?

Suvak: Die Rituale gehen tatsächlich nach und nach verloren. Während man früher einen Verstorbenen durchs ganze Dorf getragen hat, vorbei an seiner Stammkneipe und am Dorfplatz bis hin zum Friedhof ist es heute nur noch ein kurzer Gang von der Friedhofskapelle zum Grab. Allerdings glaube ich, dass es so langsam auch schon wieder einen Gegentrend zum Gegentrend gibt: Lange wurde das Thema Tod und Trauer aus der Öffentlichkeit verbannt, aber so langsam kommt es den Menschen wieder ins Bewusstsein. Und sie suchen neue Formen, um damit umzugehen. Es gibt Vorsorgen, Infoveranstaltungen, Tage der offenen Türen bei Friedhöfen, Krematorien oder Bestattungshäusern.

Gebhardt: Gravierend finde ich allerdings, was in den vergangenen fünf bis zehn Jahren online stattgefunden hat: Suchmaschinen im Internet, die nichts anderes tun, als Bestatter zu vermitteln. Das kommt vermutlich daher, dass viele Familien heute weit verstreut wohnen und darum nicht mehr immer wissen, wer mögliche Ansprechpartner vor Ort wären. Leider machen diese Vermittler oft rigide Vorgaben, verlangen viel Geld – und der Nutzen der Portale hält sich sehr in Grenzen.

Wie ausgefallen muss der Wunsch für eine Trauerfeier sein, damit ihr sagt: Das machen wir nicht?

Gebhardt: Da, wo Fragen der Moral aufkommen können, greifen wir ein. Das ist auch unsere Aufgabe, die Menschen, die sich in einer emotional außergewöhnlichen Situation befinden, gut zu beraten. In der Regel ist es ja nicht so, dass sie bewusst provozieren wollen, sondern sich vielleicht das Setting und die Wirkung nicht so vorstellen können ...

Haben Sie ein Beispiel?

Gebhardt: Wenn ein Foto des Toten am Grab gewünscht ist, raten wir beispielsweise, ein möglichst aktuelles zu verwenden, weil das auch den Trauerprozess erleichtert. Aber manche wählen dann zum Beispiel ein Bild, dass den Verstorbenen als Jugendlichen halbnackt am Swimmingpool zeigt. Das ist dann in der Zeremonie einfach nicht stimmig. Ich denke, das ist der Knackpunkt: Solange es zusammenpasst, darf es auch ausgefallen sein. Wenn zum Beispiel ein Homosexueller verstirbt und er sich gewünscht hat, dass jeder Gast etwas Rosafarbenes tragen soll und die gesamte Zeremonie über Elton John läuft – warum nicht? Wir wollen ja schließlich den Hinterbliebenen ein stimmungsvolles und individuelles Abschiednehmen ermöglichen.

Suvak: Für mich wäre alles problematisch, was die Pietät angreift. Zum Beispiel, jemanden nackt aufzubahren. Selbst wenn es der Vorsitzende des örtlichen Nudistenvereins wäre – das würde ich, glaube ich, nicht umsetzen wollen.

Der Beruf des Bestatters ist emotional sehr fordernd. Woraus zieht ihr im Alltag die Kraft für eure Tätigkeit?

Suvak: Ich nehme das eigentlich nicht so wahr. Mein Beruf ist meine Berufung und es gibt mir Kraft, Leuten helfen zu können. Das Schönste ist es, wenn Kunden uns Dankeskarten zukommen lassen. Die werden in einer Box gesammelt und aufbewahrt.

Gebhardt: Natürlich sollte man immer auf sich hören, und Hobbys sind eine große Hilfe beim Abschalten. Aber der Beruf kann einem auch unglaublich viel zurückgeben. Zum Beispiel, wenn man Leute, die von einem Trauerfall überrascht wurden und die manchmal gar nicht wissen, was sie tun sollen, an der Hand nehmen kann. Das ist auf jeden Fall ein sehr abwechslungsreiches und erfüllendes Arbeiten.

www.bestattungshaus-gebhardt-suvak.de

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