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Spezialfahrzeug wartet auf Zulassung

Bürokratie versperrt Rettungsleuten in Pforzheim den Weg

Raupenketten, Blaulicht und Martinshorn: Die Technik am ATV – einem neuen, 25.000 Euro teuren Spezialfahrzeug der Bergwacht in Pforzheim – funktioniert. Aber das Einsatzfahrzeug steht unbenutzt in der Garage. Und dies seit über einem Jahr.

Spezialfahrzeug Bergwacht
Wendig im Schnee: Die Spezialfahrzeuge der Bergwacht Schwarzwald sind mit Blaulichtanlagen ausgestattet, und im Sommer werden die Raupen gegen Räder ausgetauscht. Die Pforzheimer Ortsgruppe wartet seit über einem Jahr auf die Zulassung eines neuen Quads. Foto: Olga von Plate

Erst am vergangenen Wochenende muckte der Motorschlitten wieder einmal, als die Bergwacht sich für den Winterdienst auf dem Kaltenbronn rüstete. „Er sprang nicht an und wir mussten die Elektronik per Hand zum Starten bringen“, schildert Daniel Schöninger einen Vorfall, der bei einem Rettungseinsatz wertvolle Minuten kosten könnte.

Der Schlitten, mit dem das Team im Winter auf verschneiten, oft engen, steilen Wegen und quer durchs Gelände fahren muss, hat 25 Jahre auf dem Buckel. „Nicht umsonst haben wir Ersatz angeschafft“, sagt der Vorsitzende der Ortsgruppe Pforzheim. Das war vor über einem Jahr.

Doch weil es bislang noch nicht zugelassen ist, steht das 25.000 Euro teure mit Blaulicht und Martinshorn ausgestattete Spezialfahrzeug ATV, auch Quad genannt, in der Garage. Es sind keine Schneemassen, sondern administrative Hindernisse, die sich seinem Einsatz in den Weg stellen.

Von Zulassungsproblemen war bisher nichts bekannt.
Lutz Scherer, Geschäftsführer Bergwacht Schwarzwald

„Für uns ist das nicht nachvollziehbar“, sagt Schöninger. Um so weniger, als erst im vergangenen Jahr zwei typengleiche ATV von Behörden in Freudenstadt und Breisgau-Hochschwarzwald für dortige Einsatzgebiete der Bergwacht Schwarzwald zugelassen wurden, wie deren Geschäftsführer Lutz Scherer erklärt. „Sie kommen bundesweit zum Einsatz – auch in Österreich“, sagt Scherer. „Von Zulassungsproblemen war bisher nichts bekannt.“

Signalanlage erfordert Ausnahmegenehmigung

Die Zulassung hat die Bergwacht im Dezember 2019 bei der Behörde in Pforzheim beantragt. Weil es jedoch für die Ausrüstung mit Signalanlage – Leuchten für blaues und gelbes Blinklicht – sowie Martinshorn eine Ausnahmegenehmigung braucht, ist das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig.

„Es geht um eine landesweit einheitliche Vorgehensweise“, argumentiert man dort, weshalb man den Vorgang dem Innen- und dem Verkehrsministerium vorgelegt hat. Die Bergwacht sei darüber im vergangenen Mai informiert worden, teilt das Regierungspräsidium mit und stellt klar: Die Genehmigungspraxis in anderen Bundesländern binde die hiesige Behörde nicht.

Verkehrsministerium stellt baldige Entscheidung Aussicht

Während der Winter in vollem Gang ist, wartet man in Pforzheim auf die Entscheidung aus Stuttgart. Auf Anfrage dieser Redaktion stellt das Verkehrsministerium eine Klärung mit allen Beteiligten in den kommenden Wochen in Aussicht, „nach Möglichkeit noch diesen Winter“. Ein Sprecher betont: „Grundsätzlich sind ATV keine Rettungsfahrzeuge, die regelhaft mit einer Sondersignalanlage ausgestattet werden.“

Im Vergleich zu Einsätzen anderer Rettungsfahrzeuge sei ein Quad im Straßenverkehr und erst recht im unwegsamen Gelände wesentlich risikobehafteter, zumal bei Fahrten unter Sondersignal. Einsätze seien daher gut abzuwägen. Der Sprecher räumt ein, dass es in Skigebieten „im Einzelfall“ geboten sei, solche Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen mit Blaulicht und Martinshorn auszustatten. Mit Bergwacht und Innenministerium sei man im engen Austausch.

Zwei ATV wurden anderswo im Schwarzwald zugelassen

Solche Abwägungen wurden bei den Zulassungen der beiden ATV im vergangenen Jahr offenbar nicht zugrunde gelegt. Dies sei ein wesentlicher Grund, gemeinsam mit dem Innenminister eine Klärung herbeizuführen, sagt der Sprecher des Verkehrsministeriums dazu. „Die Historie kann in diesem Zusammenhang aufgearbeitet werden. Dem können wir jetzt nicht vorgreifen.“

So werden die Rettungsleute um Daniel Schöninger auch in den kommenden Wochenenden darauf hoffen müssen, dass der Motorschlitten nicht schlapp macht auf seinem Weg durch Schnee und Eis auf dem Kaltenbronn und dem rund 1.500 Quadratkilometer umfassenden Loipennetz – und darauf, dass keine weiteren Reparaturen anfallen.

Motorschlitten im Schnee auf dem Kaltenbronn
Der Motorschlitten der Bergwacht Pforzheim ist in die Jahre gekommen und soll eigentlich ausrangiert werden. Aber für seinen modernen Nachfolger, ein Spezialfahrzeug mit Martinshorn und Blaulicht, gibt es noch keine Zulassung. Foto: Herbert Ehmann

Im Gegensatz zum ATV verfügt der Motorschlitten weder über Blaulicht noch über Martinshorn. Er blinkt also nicht und macht auch keinen Lärm. Bergwacht-Geschäftsführer Scherer entwirft ein Szenario mit vollem Liftbetrieb und Scharen von Skiläufern, die aufgrund ihrer Helme eingeschränkt hören: „Wenn es eine Kollision von Rettungsfahrzeug und Skiläufern gibt – der Supergau.“

Im Bereich Kaltenbronn sei die Bergwacht dringend auf ein auch im Schnee voll einsatzfähiges Fahrzeug mit einwandfreier Technik angewiesen, um für Notfälle rund um die Uhr bereit zu stehen, betont Scherer. „Ein ATV kommt auch auf kleinen und steilen Waldwegen zurecht, bevor man den Rest zu Fuß geht“, erklärt Schöninger. „Und er ist eine Sommeroption“, verdeutlicht er einen weiteren Vorteil gegenüber dem Motorschlitten, den die Pforzheimer ausrangieren wollen, sobald das ATV zugelassen ist.

Muss Bergwacht mehr Fußmannschaften einsetzen?

Andernfalls werde man künftig verstärkt Fußmannschaften einsetzen müssen, meint der Landesrettungsleiter der Bergwacht Schwarzwald, David Hierholzer. Damit würden die Einsätze länger dauern und deutlich mehr Personal erfordern.

Inzwischen macht sich auch die FDP/FW/UB/LED-Fraktion im Pforzheimer Gemeinderat für die Zulassung des ATV stark. Die Bergwacht brauche ein hochgeländegängiges Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn. Man habe Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder gebeten, die notwendige Genehmigung umgehend zu erteilen, so die Fraktion in einer Mitteilung.

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