Der Pforzheimer Marktplatz ist über Mittag wie leergefegt am Samstag – allerdings nicht wegen des Coronavirus, sonder schlicht wegen Regens. Und so füllen sich der Platz, die Westliche KF oder auch der Leopoldplatz zusehends, als das Tröpfeln dünnen Sonnenstrahlen Platz macht.
Alles scheint wie immer. Aber nur unter der Oberfläche. Darunter kratzen Gedanken, Sorgen und Ängste an der scheinbaren Behaglichkeit des innerstädtischen Lebens.
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Junge Eltern machen "Engelein flieg" mit dem Töchterlein, Krishna-Jünger singen in der Fußgängerzone und lächeln entrückt. Pforzheim gleicht nicht eben einem Wimmelbild, aber belebt ist es durchaus. Oberflächlich ginge der Tag, wäre es etwas wärmer, als zarter Frühlingsbeginn durch.
Und doch ist es der Tag, an dem Europa zum Epizentrum der Corona-Pandemie erklärt wird. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus schaut von der Video-Tafel in der Bahnhofshalle auf die Passanten herab. Sie gehen weiter.
Acht Menschen liegen derweil in Intensivbetten in Baden-Württemberg mit dem Virus. Einige biegen ab in die Fußgängerzone. Andere kommen mit dick gefüllten Taschen aus Drogeriemärkten die Leopoldstraße herauf.
Schwimmt man so mit, beobachtet still, ändern plötzlich Kleinigkeiten das Bild, kratzen unter dem Schein an der Behaglichkeit. Am Fußgängerüberweg über die Zerrener Straße Richtung Sedanplatz drückt gegenüber eine junge Frau den Ampeldrücker mit den Fingerknöcheln.
Im Schmuckmuseum ist es ruhig
Das Schmuckmuseum im Reuchlinhaus ist geöffnet. „Noch“, sagt die Aufsicht. „Im Augenblick ist es allerdings meist ruhig“, so Jürgen Gedamke. Der große Mann zieht die Stirn kraus. „Sorgen mache ich mir schon, vor allem um meine Enkel in Österreich. Bislang geht es ihnen gut. Wir wollten im Urlaub eigentlich hin, aber das geht jetzt ja nicht.“ Das Virus prägt auch unter den Museumskollegen die Gespräche.
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Wieder draußen sagt ein Mann zu seiner Frau: „An der frischen Luft ist die Gefahr ja nicht so hoch.“ Die Pandemie ist in den Köpfen und schränkt mehr ein als die Reisefreiheit. Kaum merklich treten Angesprochene einen Schritt zurück. Sozialkontakte meiden – offenbar kommt Merkels Rat schon an.
Gastronom kann Personal nicht zu viele Stunden streichen
Ronja Cicciu und Selim Akyol setzen sich in der Pizzeria am Rathaus an einen Tisch. Sie fischt ein Fläschchen aus der Tasche. Beide reiben sich die Hände gründlich ein. „Die ganze Situation zwingt einen, sich bewusster um Hygienefragen zu kümmern“, sagt die junge Frau. „Wir sorgen uns nicht um uns, aber um unsere Eltern“, sagt er. Sie nickt. „Darum schränken wir uns bei unserem Verhalten jetzt schon ein“, sagt Ronja Cicciu.
Es wird ernst.Carsten Götze, Inhaber der L‘Osteria Pforzheim
„Es wird ernst“, ist Carsten Götze überzeugt. „In einer Woche schließen sie uns alle Restaurants ins Deutschland“, glaubt der Inhaber der L‘Osteria Pforzheim. „Geschäftlich werden wir es wohl überleben. Denn wenn die Schließung angeordnet wird, sind wir versichert. Schlimmer wäre es, wenn die Situation so bliebe, wie jetzt. Denn die Umsatzrückgänge sind seit letzter Woche deutlich spürbar, um die 25 bis 30 Prozent. Das wird für viele Gastronomen das Aus sein“, sagt Götze.
Aber er könne seinen Mitarbeitern nicht zu viele Stunden streichen, sonst schickten sie ihm gelbe Scheine. Und schließlich brauche er sie bei Schließung nach der Krise wieder. Er ist gerade aus Kapstadt zurück, weiß von ersten Toten dort und beobachtet das Ganze „auch mit Neugier“.
Türen öffnen mit dem Ellbogen
Das Virus ist auch Thema an den Bistrotischen am Eispavillon Rialto. Und zurück in der Fußgängerzone müht sich Habibe Cakici beim Öffnen der Türe zur Galeria Karstadt. Sie legt den Körper etwas schräg, um mit dem Ellbogen drücken zu können. „Ich mache das jetzt immer so.“ Sie verschwindet schulterzuckend im Innern.
Drinnen fahren Stefanie Schuler und Henning Lehnertz plaudernd die Rolltreppen hinauf. Er fasst den mitfahrenden Handlauf an. „Ja klar, und nachher wasche ich mir halt die Hände“, sagt er lachend. „Wir sind aber schon aufmerksamer“, meinen beide, immerhin denken sie an die Eltern und an einen vorerkrankten Verwandten. Sie selbst fühlen sich gut, sagen sie. Von Angst keine Spur.
Der richtige Abstand
„Aber ich achte mehr auf den richtigen Abstand“, sagt sie und lächelt, bevor sich auch Henning Lehnertz nach den Worten verabschiedet, er sei erst am Freitag aus der Schweiz zurückgekehrt. Oh, wie war gleich der Abstand? Nein, er sah ja nun wirklich gesund aus.
Wie wir über die Auswirkungen des Coronavirus berichten Auf bnn.de berichten wir zurzeit verstärkt über die wichtigsten Entwicklungen rund um Corona in der Region rund um Karlsruhe, Bretten, Pforzheim, Rastatt und Bühl. Jeden Tag schränken Kliniken die Besuchszeiten ein, Schulen schließen, Firmen schicken Mitarbeiter nach Hause. Es ist selbst für unsere Redaktion zeitweise schwierig, den Überblick zu behalten. Deshalb filtern wir für unsere Leser aus der Flut an Informationen, welche der vielen Corona-Meldungen wichtig sind – unter anderem in dieser Übersicht .
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