Mit der Adventszeit rückt die feucht-fröhliche Zeit der Weihnachtsfeiern näher. Auch für die blonde Frau, die am Mittag spontan beim Restaurant „Al Bacio“ vorbeischneit und wissen will, ob noch Tische frei sind für die Weihnachtsfeier des Elternbeirats einer Pforzheimer Kita. Das Besitzer-Ehepaar Andreas Möller und Giuseppina Fretto muss aber verneinen, die Frau hat Pech, nächste Woche Freitag ist schon alles ausgebucht. Das Weihnachtsgeschäft boomt, so scheint es.
Unzuverlässigkeit ein Problem
Aber die klassische Weihnachtsfeier im Restaurant, vom Chef für die Belegschaft organisiert, ist längst nicht mehr der Regelfall.Wie die blonde Kundin des Al Bacio wollen immer mehr Leute kurzfristig reservieren. Wie in ihrem Fall auch, werden betriebliche Weihnachtsfeiern immer öfter privat organisiert.
„70 Prozent der Mitarbeiter machen das aus Kostengründen unter sich aus“, vermutet Al Bacio-Besitzer Möller. Früher habe der Chef bezahlt. Es wurde gut gegessen, lange geblieben. „Heute rechnen wir mit 15 Euro pro Person, die Leute geben nicht mehr so viel Geld aus.“ Und werden unzuverlässiger: „Von 15, die angemeldet sind, kommen manchmal nur zwölf. Die Leute machen sich keine Vorstellung, was das für die Gastronomie bedeutet“, schüttelt Möller den Kopf.
Die Gruppengröße nimmt ab
Auch die Gruppen werden kleiner. Wo früher 20 Gäste pro Feier kamen, seien es heute eher 15. „Durch diese Zersplitterung haben wir eine höhere Nachfrage, aber gleich viele Kunden“, konstatiert Möller. Großanfragen für 30 oder 40 Personen werden seltener, sagt die Sizilianerin Fretto. Und: „Wenn wir das Restaurant für Gruppen blockieren, die einmal im Jahr kommen, müssen wir die Stammgäste vertrösten.“
Buchungen erstrecken sich mittlerweile von November bis Januar. „Neujahrsfeiern sind ein Trend, weil die Firma im Dezember oft noch im Jahresabschluss-Stress steckt“, meint Restaurantbetreiber Möller. Das bestätigt etwa der Kunststoff-Dienstleister ProSeS auf Nachfrage: Seit Jahren feierten dort rund 60 Leute, klassisch, im Restaurant – nur eben Ende Januar.
Alternativen zum klassischen Restaurantbesuch
Die Weihnachtsfeier für die mehr als 1 300 Mitarbeiter des Siloah St. Trudpert Klinikums beginnt mit einem Gottesdienst in der Krankenhauskapelle. „Anschließend sind alle zum gemeinsamen Essen in die Cafeteria eingeladen“, so Pressesprecherin Ingrid Braun. Teilnehmen können nur Mitarbeiter, die nicht gerade in der Versorgung gebraucht werden. Zusätzlich organisieren die Abteilungen eigene Weihnachtsfeiern, die meist auch in Restaurants stattfinden. Der klassische Restaurantbesuch ist aber nicht mehr die Regel.
Während manche Arbeitgeber, wie die Stadt Pforzheim, das Feiern zur Privatsache machen und lediglich einen Weihnachts-Zuschuss gewähren, spendieren Unternehmen wie Galeria Kaufhof kleine Geschenke oder ein Weihnachtsessen.Darüber hinaus gibt es ein immer größeres Angebot an Alternativen zur klassischen Weihnachtsfeier.
Wie etwa vom Bochumer Unternehmen CG Events, dessen deutschlandweites Angebot vom Team-Cooking übers Lebkuchenhaus-Bauen bis hin zum Schafehüten reicht.
Der Dezember bleibt ein „Knaller-Monat“
„Der Knaller-Monat schlechthin“ ist der Dezember für Ronald Wittig, der die Escaperooms Pforzheim betreibt. Von den um 400 Prozent gesteigerten Anfragen seien etwa 50 Prozent Weihnachtsfeiern, schätzt er. Tendenz steigend: Die Buchungen, so Wittig, haben im Vergleich zum Vorjahr bereits um 15 Prozent zugenommen.
Ausgestorben ist die Restaurant-Weihnachtsfeier nicht, das bestätigen alteingesessene Häuser wie das Parkhotel. Wie hoch dort der Anteil am Gesamtumsatz ist, wird nicht verraten.
Frank Daudert, stellvertretender Vorsitzender des Dehoga Baden-Württemberg, sagt: „In der Weihnachtszeit macht die Branche die Hauptumsätze.“ Das mag bei „Goldis Stadl“, dem als Apres-Ski-Hütte dekorierten Festzelt, das Daudert auf dem Weihnachtsmarkt in Pforzheim betreibt, auch an der Klientel liegen. Darunter seien nämlich viele „Best-Ager“, die in lockerer Atmosphäre gut essen wollten, danach gerne die hauseigene Tanzfläche nutzten und sich so eine der vollen Discos ersparten.
Im Zweifelsfall greift der Sicherheitsdienst ein
Bevor – auch das keine Seltenheit bei Weihnachtsfeiern – „komische Situationen entstehen“, werden Störenfriede im „Stadl“ entweder von den Kellnerinnen „charmant“ zurechtgewiesen oder „in den seltensten und schlimmsten Fällen“ vom donnerstags bis samstags arbeitenden Sicherheitspersonal, dann wohl weniger charmant, nach draußen befördert.