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Einsatz der „Barber Angels“

Ehrenamtliche Friseure schneiden Bedürftigen in Pforzheim die Haare

Statt Suppe gab es Frisur. In der Pforzheimer Vesperkirche haben die „Barber Angels“, ehrenamtliche Friseure, bedürftigen Menschen an diesem Sonntag die Haare geschnitten.

Friseure
Haben die Haare schön: Uwe Becker und Sohn Matteo schneiden im Innenhof Uwe und Siegmund die Haare. Die Aktion der „Barber Angels“ findet im Innenhof der Suppenküche statt. Foto: Susanne Roth

Anita Heck weiß ganz genau, was sie will: „Vorne länger und hinten kürzer“, zeigt sie mit Gesten auf ihre langen Haare. „Das nennt man doch Bob“, sagt eine Frau mit roten Haaren unter einer Mütze. Und fügt hinzu: „Das ist doch dieses Jahr ziemlich Mode.“ Anita Heck nickt zustimmend und fügt lachend hinzu: „Und graue Haare sind auch Mode.“

Mit Maske und Impfbuch in der Hand sind die beiden Frauen nicht die einzigen Gäste, die im Treppenhaus der von der Ökumenischen Vesperkirche betriebenen Suppenküche in der Kiehnlestraße sitzen. Es kommen immer mehr Menschen, Annelies Gensler muss sich durchschlängeln. Die sechs Friseure und Friseurinnen ebenfalls, die alle eine schwarze Weste mit dem Emblem der „Barber Angels“ tragen.

Das ist kein Salon, das ist eine weltweit ehrenamtlich agierende Gruppe aus diesem Berufsstand. Und die legt an diesem Sonntag eben bei Annelies Gensler beziehungsweise im Innenhof der Suppenküche los. „Im Speisesaal dürfen wir das ja nicht machen. Dann hätten wir es höchstens noch drinnen im Gang vor der Toilette machen können“, sagt die Mitarbeiterin der Suppenküche mit einem Blick in den dunkelschwarz verhangenen Himmel, der auch wenig später seine Schleusen erneut öffnet.

„Barber Angels“ schneiden in Pforzheim 50 Menschen die Haare

„Stellen Sie Ihre Tasche unter den Stuhl, sonst wird sie nass“, rät Bärbel Söhner. Die Friseurin mit eigenem Geschäft in Schömberg hatte bereits vor Jahren schon mit Annelies Gensler Kontakt aufgenommen und vorgeschlagen, ein solch haariges Event für Bedürftige in Pforzheim zu organisieren.

„Sie hat gesagt, wir schaffen das“, erklärt Annelies Gensler das Motto, das sich an diesem Tag weniger auf die Tatsache bezieht, dass die sechsköpfige Truppe 50 Menschen die Haare schneiden wird, sondern vielmehr auf die Wetterkapriolen mit Starkregen, gegen den man Pavillons im Innenhof aufgestellt hat.

Eigentlich wäre Wasser gar nicht so verkehrt, denn trocken die Haare schneiden sei schon eine Herausforderung und etwas anderes, so Bärbel Söhner, vor der eine Frau mit sehr langen Haaren Platz genommen hat. „Nur die Spitzen bitte“, lautet der Wunsch.

Man will sich ja auch mal wieder gepflegt fühlen. Ich habe mir schon selbst den langen Zopf abgeschnitten.
Uwe, Kunde

Und schon macht sich Bärbel Söhner an die Arbeit, während gegenüber Uwe dem Uwe die Haare schön macht. Über ihren identischen Vornamen freuen sich der Friseur und sein Kunde, der von sich sagt: „Man will sich ja auch mal wieder gepflegt fühlen. Ich habe mir schon selbst den langen Zopf abgeschnitten.“ Und jetzt soll Uwe (Becker) „die Ohren frei“ machen.

Kein Problem und schon fällt Haarsträhne um Haarsträhne auf den Friseurumhang. „Wenn es nicht so weit ist, dann bin ich bei jeder Aktion dabei“, sagt der Friseur, neben dem Sohn Matteo gerade dabei ist, Siegmund eine Vier-Millimeter-Frisur zu verpassen.

Für die Menschen sei es unglaublich wichtig, sich gepflegt zu fühlen, betont Uwe Becker und zeigt ein Vorher-Nachher-Foto eines Kunden, den er bei einem anderen Barber-Angels-Event von einem zottligen, undefinierbaren Wesen in einen rasierten Mann mit adrettem Haarschnitt verwandelt hat.

Eine neue Frisur als Akt der Nächstenliebe

„So traut der sich auch mal wieder in einen Supermarkt“, sagt Uwe Becker. „Und muss seinen Schnaps nicht teuer an der Tankstelle kaufen.“ Das sei für ihn ein Antrieb, bei diesen ehrenamtlichen Aktionen mitzumachen.

Die Augen der Friseure leuchten vor Freude, die der Kunden erst recht. Für Annelies Gensler geht es bei der möglichst zweimal im Jahr angebotenen Aktion vor allem um die Würde der Menschen, das Recht, gepflegt aussehen zu dürfen. „Eine ganz wichtige Aktion“, die allerdings 2019 und 2020 nicht stattfinden konnte. Jetzt schon, aber mit den bekannten drei Gs und der Angabe von Kontaktdaten.

Maske zu tragen juckt hier inzwischen keinen mehr. „Wenn das alles ist…“, kommentiert Uwe Becker. Zwischen den Stühlen wuselt Elke Asimi herum, dokumentiert die Aktion fotografisch und deckt den „Gabentisch“. So lange der Vorrat reicht werden gute Gaben von Sponsoren und aus eigenem Lager verschenkt: Shampoos, Erste-Hilfe-Kits und dergleichen mehr.

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