Mit ihrem Wahlsieg hat Antonia Walch nicht nur die Vakanz auf dem Bürgermeistersessel in Sternenfels beendet. Sie hat auch die Zahl der weiblichen Gemeindechefs im Enzkreis auf einen Schlag verdoppelt: auf mickrige zwei von 28. Mehr sind es noch immer nicht.
Die bisher einzige Enzkreis-Bürgermeisterin ist Birgit Förster in Niefern-Öschelbronn. Sie hatte sich im Sternenfelser Wahlkampf pro Walch positioniert. Und sie stand der Bewerberin mit Ratschlägen zur Seite. Walch nahm das dankbar an: „Durch die Kandidatur kam ich in neue Situationen mit emotionalen Höhen und Tiefen. Da fand ich es toll, dass Birgit Förster ein Stück weit als Ansprechpartnerin für mich da war.”
Förster unterstützte Walch im Wahlkampf
Warum Förster das tat? Sie habe Walch fachlich für die beste Wahl gehalten. Doch Förster bestätigt: „Ich habe mich auch deshalb bei ihr gemeldet, weil sie eine Frau ist. Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich. Da sollte auch die Hälfte der Ämter, gerade in Führungspositionen, mit Frauen besetzt sein. Und so weit sind wir noch lange nicht.”
Noch immer haben Bürgermeisterinnen mit Vorurteilen zu kämpfen. „Für eine Frau machen Sie den Job gut”, hört Förster nach eigenem Bekunden immer wieder. Das sei dann als Kompliment gemeint. Auch ihre Frisur und ihre Kleiderwahl seien Themen in der Gemeinde. In Erdmannhausen (Kreis Ludwigsburg) verzichtete Birgit Hannemann kürzlich auf eine zweite Amtszeit, um ihre Kinder zu schützen.
Den Schritt in eine beobachtete Position wagen die wenigsten.Birgit Förster Bürgermeisterin Niefern-Öschelbronn
Es brauche ein Umdenken in der Gesellschaft, mahnte sie. Und Förster beobachtet, dass viele aussichtsreiche junge Frauen irgendwo auf dem Weg zwischen dem Abschluss an den Verwaltungshochschulen Kehl und Ludwigsburg und dem Einstieg in eine höhere berufliche Position verloren gehen. „Den Schritt in eine beobachtete Position wagen die wenigsten.” Problematisch findet sie nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - beziehungsweise das, was sich Frauen anhören müssen, wenn sie beides wollen.
Auch Walch (28), die problemlos an ihren vorherigen Job als Hauptamtsleiterin gekommen war, und die nach eigenem Bekunden aus einer Generation kommt, in der Gleichstellung kein Thema mehr ist, stellte im Wahlkampf auf einmal fest: „Mit der Kandidatur stößt man doch an einigen Ecken an.” Konfrontiert wurde sie mit Fragen, ob sie das als junge Frau wohl könne, und wie das mit der Familienplanung bei ihr aussehe. „Das alte Bild ist offenbar schon noch in einigen Köpfen drin.”
Hoffen auf Walch als Vorbild für andere junge Frauen
Als Bürgermeisterin will Walch jetzt auch „zeigen, dass wir es genau so gut machen wie die Männer, oder besser”. Frauen hätten immer wieder andere Blickwinkel als Männer, sagt sie. Ein Beispiel? „Ich bin sehr empathisch. Sich in andere Positionen hineinversetzen, das können wir Frauen glaube ich ein Stück besser.” Förster sieht durch mehr weibliche Perspektiven die Chance auf einen differenzierteren Austausch im Enzkreis. Und Kinga Golomb, Gleichstellungsbeauftragte im Enzkreis, hofft, dass Walch als Vorbild fungieren kann für andere junge Frauen, die Lust auf politische Verantwortung haben.
Bürgermeisterinnen-Netzwerk trifft sich in Niefern-Öschelbronn
Walch, Förster, Golomb: Sie alle sehen Nachholbedarf beim Frauenanteil unter den Bürgermeistern. Zwei von 28 im Enzkreis sind noch weniger als der Landesdurchschnitt. Im Bürgermeisterinnen-Netzwerk Baden-Württemberg ist Walch Nummer 90 - bei 1.001 Kommunen. Die Fragen, die im Netzwerk diskutiert werden, reichen laut Förster vom Dienstwagen über Organisation des Kita-Alltag während der Corona-Pandemie bis zum Umgang mit neuen Landesverordnungen. Einmal im Jahr trifft sich die Riege persönlich. Diesmal, vom 10. bis 12. September, ist Förster in Niefern-Öschelbronn Gastgeberin für ihre Kolleginnen. Für drei Tage sind dann im Enzkreis erstmals die Bürgermeisterinnen in der Mehrheit.