Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt und das Altern. Früher oder später wird ein jeder mit ihm konfrontiert. In einem alternden Land, in dem immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, ist es da nur wenig verwunderlich, dass in den vergangenen zehn Jahren das Thema Sterbehilfe immer wieder polarisierte.
Der Deutsche Bundestag arbeitet zurzeit an einer neuen Gesetzgebung in dieser Sache. Der SPD-Ortsverband Maulbronn lud passend dazu am Samstagnachmittag zu einer Diskussionsrunde in die Maulbronner Stadthalle ein.
Unter der Frage „Würdevolles Sterben – Suizidbeihilfe – passt das zusammen?“ diskutierten hier der Brettener Palliativmediziner Axel Huber, die Demenzfachkraft und Hospizbegleiterin Ingela Freisler und der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci mit mehr als 100 interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Moderiert wurde die Diskussion von Susanne Kiefer, Vorsitzende der Maulbronner SPD. Kiefner leitete das Gesprächsformat mit einem Rückblick auf die Entwicklungen zur Sterbehilfe in den vergangenen Jahren ein.
Gesetzgeber muss Sterbehilfe neu regeln
„Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aus dem Jahr 2015 für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass ein Suizid das unbestrittene Recht eines freien Menschen ist“, erinnerte Kiefer. Durch das Urteil des höchsten deutschen Gerichts muss nun der Bundestag die Sterbehilfe neu regeln. Diskussionsgast Castellucci arbeitet an diesem Gesetzesvorhaben für die SPD-Fraktion federführend mit.
„Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern. Es kommt in dieser Sache aus Balance an: Auf der einen Seite, die selbstbestimmte Entscheidung von Menschen zu respektieren, andererseits einer Normalisierung des Suizids vorzubeugen“, erklärte Castellucci seine Position zum Thema Sterbehilfe.
Umstrittenes Gutachten als Voraussetzung für Sterbehilfe
Der Bundestagsabgeordnete möchte im Gesetzesentwurf der SPD deswegen eine Beratungspflicht verankern. Personen, die beispielsweise unheilbar krank sind und einen Sterbewunsch haben, müssten so zukünftig zwei psychiatrische Gutachten und ein Beratungsgespräch vorweisen können, um dann professionelle Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können.
Bei Diskussionsteilnehmern stieß dieser Vorschlag auf Kritik. „Ich empfinde das als bevormundend. Wo bleibt die Würde bei der Sterbehilfe, wenn ich mich zuvor Psychologen und Beratern stellen muss und meine Urteilsfähigkeit in Frage gestellt wird?“, so ein Besucher, der Sternenfels lebt. Palliativmediziner Huber, der in der Brettener Rechbergklinik als Oberarzt arbeitet, reagierte mit einer Gegenfrage. „Was wäre denn ihr Gegenvorschlag zu den bislang vorgesehenen Gutachten?“, fragte Huber. Eine konkrete Antwort bekam der Palliativmediziner nicht.
Dafür schaltete sich Bundestagsabgeordneter Castellucci ein. „Das Bundesverfassungsgericht hat eben nicht nur festgestellt, dass ein jeder das Recht hat seinen Tod frei zu wählen. Es hat den Staat auch damit beauftragt, sicherzustellen, dass ein Mensch seinen Sterbewunsch aus freiem Willen und nicht aufgrund äußerer Einflüsse äußert“, sagte der SPD-Politiker.
Die Diskussionsrunde gestaltete sich im Folgenden emotional. Immer wieder berichteten einzelne Diskussionsteilnehmer von persönlichen Schicksalen und Erfahrungen mit dem Sterbewunsch eines Mitmenschen. So berichtete eine Frau vom Tod ihrer Mutter, die sich nach schwerer Krankheit das Leben nahm. „Sie wollte sterben wie sie war: Selbstbestimmt“, sagte die Seniorin.
Gleichzeitig wurde Kritik am Pflegesystem laut. „Damit ein würdevolles Altern und Sterben möglich ist, muss sich hier etwas tun. Teilweise verhält sich Deutschland gesundheitspolitisch wie ein Entwicklungsland“, urteilte Teilnehmer und Pflegekoordinator Markus Willhelm.