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2.300 Geflüchtete aus der Ukraine

Flüchtlingsunterbringung bringt Enzkreis an seine Grenzen

Die Unterbringung von Flüchtlingen bringt den Enzkreis räumlich an seine Grenzen. Der Sozial- und Kulturausschuss diskutierte das Thema am Donnerstag. Klar war: Die Belegung von Gemeindehallen soll vermieden werden.

Sozialausschuss
Diskussion im Ausschuss: Über die Unterbringung von Flüchtlingen im Enzkreis informierte Landrat Bastian Rosenau die Mitglieder des Sozial-und Kulturausschusses. Foto: Torsten Ochs

„Wir haben Platzbedarf an allen Ecken und Enden“, verdeutlichte Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau (parteilos) das Problem. 2.300 Flüchtlinge aus der Ukraine und ü500 Geflüchtete aus anderen Ländern müsse der Kreis derzeit unterbringen – Tendenz steigend. 240 Plätze in der vorläufigen Unterbringung seien derzeit noch frei. Rosenau schätzt, dass auch diese in einem Monat belegt seien.

Die derzeitigen Zugangszahlen lägen zwar noch unter dem Niveau von 2015/16, allerdings habe es damals mehr Kapazität im Enzkreis gegeben, weil auch Container und Hallen für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt wurden. Und das ist die Sorge des Landrats: dass die Gemeinden keine anderen Möglichkeiten haben, als Gemeindehallen umzunutzen. Und das auf unbestimmte Zeit.

Wir kriegen das Thema gebacken – mittelfristig.
Bastian Rosenau, Landrat

Ausschuss-Mitglied Rita Talmon (Grüne) berichtete, dass Flüchtlinge auf einer Ebene des Öschelbronner Johanneshauses untergebracht werden sollen. „Das hilft uns sehr. Zwei weitere solcher Objekte und wir kommen um die Hallennutzung rum“, sagte Rosenau: „Aber es bleibt Spitz auf Knopf.“

Rosenau gab sich dennoch optimistisch: „Wir kriegen das Thema gebacken – mittelfristig. Langfristig muss sich aber etwas ändern. Ein Weiter-so kann es nicht geben.“

Staatssekretär Siegfried Lorek (Mitte) lobt Engagement und Hilfsbereitschaft für ukrainische Flüchtlinge im Enzkreis. In Sachen Registrierung sei dieser sogar vorbildhaft gewesen.
Informationen vor Ort: Staatssekretär Siegfried Lorek (Mitte) lobte bei seinem Besuch im Mai das Engagement und Hilfsbereitschaft für ukrainische Flüchtlinge im Enzkreis. Die Kreisverwaltung wünscht sich, dass Bund und Land mehr auf kommunale Praktiker hören. Foto: Stefan Friedrich

Wie berichtet, haben Rosenau und Michael Schmidt als Vertreter der 28 Kreis-Bürgermeister (beide parteilos) aus diesem Grund einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sowie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Innenminister Thomas Strobl und Justizministerin Marion Gentges (beide CDU) geschrieben.

In dem Schreiben beklagen die Enzkreis-Vertreter die wachsende Zahl von neuen gesetzlichen und gesellschaftlichen Aufgaben. Die Krisenbewältigung sei inzwischen eine „Standardaufgabe“, so Rosenau und Schmidt: „Wir möchten es daher deutlich betonen: Es kann so nicht weitergehen. Gesetze und Vorgaben in immer kürzerer Zeit mit allzu häufig handwerklichen Fehlern, die eine Umsetzung vor Ort sehr erschweren, bringen eine schlicht nicht mehr zu bewältigende Aufgabenflut mit sich.“

Unterbringung von Flüchtlingen: Lob für Brief des Enzkreises an Bund und Land

Beispielhaft nennen die Enzkreis-Vertreter die Flüchtlingssituation. Städte und Gemeinden hätten schlicht keine weiteren Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen mehr. Die kommunalen Unterbringungsmöglichkeiten seien noch mit Flüchtlingen von 2015/16 belegt.

In der Kürze der Zeit und unter den aktuellen Bedingungen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sei unmöglich. Landrat Rosenau appellierte bei der Ausschuss-Sitzung am Donnerstag an Spitzenpolitiker von Bund und Land, mehr auf die Praktiker vor Ort in den Kommunen zu hören.

Der Brief ist mehr als berechtigt.
Erik Schweickert, Landtagsmitglied

Ausschuss-Mitglieder wie Landtagsmitglied Erik Schweickert (FDP) lobte die Aktion: „Der Brief ist mehr als berechtigt.“ Und Günter Bächle (CDU) bedankte sich für das Schreiben: „Ich stehe voll dahinter.“

Bächle regte an, dass das Land auch leerstehende Gebäude wie Schlösser und Pfarrhäuser für die Flüchtlingsunterbringung nutzt. Das Land müsse Kapazitäten stärker nutzen, fand auch Erik Schweickert, der in dem Zusammenhang leerstehende Hotels und Fabrikgebäude nannte. Till Neugebauer (SPD) regte zudem an, mit Kirchen in Kontakt zu treten, um Flüchtlinge in Gotteshäusern und Gemeindehäusern unterzubringen.

Personal soll aufgestockt werden

Auch personell hat das Thema Auswirkungen: 144.000 Euro an Landesmitteln erhält der Enzkreis aus dem Pakt für Integration. Damit kann der Kreis sein Integrationsmanagement für zwölf Monate um 2,5 Personalstellen auf insgesamt 22,25 Stellen aufstocken.

Das Landratsamt will nun die Träger Internationaler Bund und den Verein „miteinanderleben“ beauftragen, die Stellen zu besetzen. Der Ausschuss stimmte zu.

Neuer Dezernent im Landratsamt

Und noch eine Personalie: Mit dem Thema Migration und Flüchtlinge im Enzkreis beschäftigt sich künftig Holger Nickel. Er ist derzeit im Leitungsstab des baden-württembergischen Innenministeriums tätig und wird ab 1. November im Landratsamt Dezernent für Landwirtschaft, Forsten und öffentliche Ordnung.

Der Jurist ist Nachfolger von Daniel Sailer, der nach rund drei Jahren beim Enzkreis ins Justizministerium des Landes wechselt. „Wir bedauern den Weggang natürlich, aber sind froh, dass angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen auf dieser wichtigen Position keine Vakanz entsteht“, betonte Landrat Rosenau.

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