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90 Mitarbeiter infiziert

Gemeinden besorgt wegen Corona-Fällen bei Birkenfelder Müller-Fleisch – Personal wohnt in Containern

Wie groß sind die Auswirkungen der Coronainfektionen unter den Mitarbeitern von Müller-Fleisch in Birkenfeld für die Region? Während die Tests über das Wochenende andauern, betrachten die Nachbarkommunen die Lage mit Sorge. Grund dafür ist auch ein Datenproblem.

igm
Testgelände in Birkenfeld Die Firma Müller-Fleisch in Birkenfeld ist stark vom Coronavirus betroffen mit über 90 Infizierten – mindestens. Das Gesundheitsamt Enzkreis möchte nun alle über 1.000 Mitarbeiter untersuchen. Foto: None

Auf den ersten Blick sieht alles normal aus bei der Firma Müller-Fleisch in Birkenfeld. Lastwagen kommen herein, bringen Kühe zum Schlachten, andere fahren wieder zurück, beliefern Supermärkte und sonstige Kunden des Großunternehmens. Die Mitarbeiter, die man vor Ort sieht, tragen ihre Schutzausrüstung wie eh und je.

Dabei liegen die Nerven blank im Enzkreis und auch darüber hinaus. Tests von 250 Mitarbeitern der Firma haben ergeben, dass mehr als 90 davon mit dem Coronavirus infiziert sind – und das war nur der Beginn eines umfangreichen Tests, wie das Gesundheitsamt Enzkreis mitteilt.

Der Großteil der Mitarbeiter sind „externe Dienstleister”

Über das Wochenende soll die gesamte Belegschaft untersucht werden. Das sind nach Angaben von Betriebsleiter Lothar Kusche 450 „eigene Mitarbeiter“, hinzu kommt „ein Großteil externer Dienstleister“. Wie viele das sind, wollte Kusche dieser Redaktion nicht sagen. Im Enzkreis schätzte eine Pressesprecherin die Zahl der Gesamtbeschäftigten auf etwa 1.100. Bis zu 450 Tests seien am Wochenende geplant.

Die Produktion jedenfalls läuft erst einmal weiter, wenngleich sämtliche Mitarbeiter nun vorsorglich unter Quarantäne stehen. „Das bedeutet, dass sie zur Arbeit kommen, aber ansonsten die eigenen vier Wände nicht verlassen dürfen“, erläutert Brigitte Joggerst, Leiterin des Gesundheitsamtes.

Landrat hält Fleischqualität für nicht gefährdet

Den Sorgen, kontaminiertes Fleisch könne nun an die Fleischtheken gelangen, schob Landrat Bastian Rosenau einen Riegel vor: „Eine Gefahr für den Verbraucher bestand zu keiner Zeit und besteht auch weiterhin nicht“, betont er. Bislang sei kein einziger Fall bekannt, bei dem das Virus über Lebensmittel übertragen worden sei.

Hinzu komme, dass das betreffende Lebensmittel, also Fleisch, normalerweise vor dem Verzehr gekocht, gebraten oder gegrillt werde – wodurch man das Virus zuverlässig abtöte. Das Gros der Infizierten zeige übrigens keine Symptome.

Geht Neuenbürger Corona-Anstieg auf Müller-Fleisch zurück?

523 Corona-Fälle waren am Donnerstagabend in Pforzheim und Enzkreis bekannt – inklusive der 90 bestätigten Fälle bei Müller-Fleisch – und drei Viertel der Belegschaft musste zu diesem Zeitpunkt noch getestet werden. Woher kommt also diese Häufung? Horst Martin ist Bürgermeister der Birkenfelder Nachbargemeinde Neuenbürg. Trotz ihrer mehr als 8.000 Einwohner ist sie mit 31 Fällen auf Platz vier bei Corona-Fällen in absoluten Zahlen im Enzkreis – 19 davon kamen in der vergangenen Woche hinzu.

Dass es sich um Müller-Mitarbeiter handelt, will Martin zwar nicht bestätigen. Er ergänzt aber: „Es ist keine Vielzahl einzelner Haushalte betroffen, sondern eine Wohnsituation, die nahelegt, dass sich viele untereinander infizieren“ – die etwa in Containern leben. Die Betroffenen seien auch „eher jüngere Bürger, die erst seit kurzem in Neuenbürg leben“.

Das Problem sind die Unterkünfte.
Martin Steiner, Bürgermeister von Birkenfeld

Ähnlich äußert sich auch Birkenfelds Bürgermeister Martin Steiner. Demnach sei die Gemeinde selbst gar nicht so stark betroffen, da viele Arbeiter im gesamten Enzkreis oder in den benachbarten Kreisen sowie der Stadt Pforzheim leben. „Das Problem sind die Unterkünfte“, sagt auch er.

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Quarantäne von Corona-Infizierten ist kaum überprüfbar

Dort soll zwar nun die Quarantäne gelten – die zu kontrollieren, scheint aber kaum möglich. Das betont Neuenbürgs Bürgermeister Horst Martin: „Das Problem ist: Die Kommune hat keine Befugnisse dazu. Und die Polizei bekommt die Informationen nicht.“

Er selbst dürfe sie aus Gründen des Datenschutzes auch nicht weitergeben. „Es ist traurig, dass es die Politik nicht gebacken bekommen hat, hier praktikable Lösungen zu ermöglichen.“

Ausgerechnet in Neuenbürg hatte man am vergangenen Wochenende erfahren, was das bedeuten kann. Nach einem Polizeieinsatz mussten acht Beamte der Neuenbürger Wache in Quarantäne. Sie hatten in einem Streit eingreifen und einen Mann fixieren müssen, der mit dem Virus infiziert war. „Die haben davon erst später erfahren“, so Martin. Auch deshalb blicke er sorgenvoll nach Birkenfeld.

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