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Schlappe für Umweltminister

Gerichtsentscheidung weckt Zweifel am Windpark Straubenhardt

Das Land Baden-Württemberg hat Windkraftanlagen im Wald jahrelang zu Unrecht genehmigt. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Dezember festgestellt. Doch Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) redet die Konsequenzen weiterhin klein. Und die Behörden weigern sich, bestehende Genehmigungen zu überprüfen. Beim umstrittenen Windpark Straubenhardt kommen sie allerdings nicht darum herum.

Die elf Windräder drehen sich bei Straubenhardt seit bald zwei Jahren.
Die elf Windräder drehen sich bei Straubenhardt seit bald zwei Jahren. Foto: Stefan Jehle

Seit mehr als zwei Jahren drehen sich die Windräder zwischen Straubenhardt, Bad Herrenalb und Dobel. Trotz des erbitterten Widerstands windkraftkritischer Bürger, des Gesundheitszentrums Dobel (Waldklinik), der Stadt Bad Herrenalb und auch der Gemeinde Dobel ging die letzte der elf Anlagen Ende März 2018 ans Netz. Nun gibt es Zweifel, ob bei der Genehmigung alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Grund dafür ist eine juristische Niederlage des Landes Baden-Württemberg. Es ging in dem Gerichtsverfahren zwar um andere Projekte, zwei geplante Windparks im Südschwarzwald, doch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim sind von grundsätzlicher Bedeutung. Denn der VGH hat die bisherige Genehmigungspraxis von Windkraftanlagen in Baden-Württemberg für rechtswidrig erklärt.

Karlsruher Rechtsanwalt war erfolgreich

Geklagt hatte der Verein Naturschutzinitiative, ein bundesweit tätiger Umweltverband, der sich für den Erhalt von Natur- und Landschaftsräumen einsetzt und rechtswidrige Eingriffe abwehrt. Vertreten wird er von dem Karlsruher Rechtsanwalt Rico Faller. „Baden-Württemberg hat als einziges Bundesland einen Sonderweg eingeschlagen“, erklärt der Verwaltungsjurist das Kernproblem.

„Wenn an Windkraft-Standorten Wald gerodet werden musste, ist das Genehmigungsverfahren auf zwei unterschiedliche Behörden aufgeteilt worden. Die immissionschutzrechtliche Genehmigung wurde durch das jeweilige Landratsamt erteilt, aber für die Waldumwandlung war das Regierungspräsidium Freiburg zuständig“, so Faller.

Dadurch seien viele problematische Punkte, etwa zum Artenschutz oder Landschaftsbild, in dem vor Ort geführten Verfahren nicht so behandelt worden, wie dies das Europarecht und auch das deutsche Umweltrecht verlangen, sagt der Jurist.

Vergangenen Dezember hat der VGH diesen baden-württembergischen Sonderweg gekippt. In der Stuttgarter Landesregierung bemüht man sich seitdem um Schadensbegrenzung. Anfang Februar, also bereits wenige Wochen nach der Niederlage vor Gericht, bezeichnete Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller die beiden beklagten Windpark-Projekte in Südbaden als Einzelfälle.

„Ich bin erleichtert, dass wir keine weiteren Projekte im Land haben, die so gelagert sind“, behauptete der Grünen-Politiker per Pressemitteilung. „Das macht es in diesem Einzelfall nicht leichter und besser für den betroffenen Projektierer. Aber es ist eben ein Einzelfall.“

Insgesamt sind 95 Windkraftanlagen betroffen

Doch wie kam Untersteller zu diesem Ergebnis? Wie gründlich hat er zuvor alle Alt-Fälle überprüfen lassen? Es geht immerhin um 95 Windkraft-Anlagen in baden-württembergischen Wäldern, davon 29 im Regierungsbezirk Karlsruhe.

Die Antwort ist erstaunlich. Sie kommt aus dem Regierungspräsidium Freiburg und lautet: Bis auf die beiden beklagten Fälle in Südbaden seien die bisher erteilten Waldumwandlungsgenehmigungen alle bestandskräftig. „Daher bestand bisher keine Erfordernis, diese zu überprüfen.“

Rechtsanwalt Rico Faller will das den Behörden nicht durchgehen lassen. „Sollte tatsächlich Bestandskraft eingetreten sein, bedeutet dies lediglich, dass kein Rechtsbehelf einer Gemeinde, eines Bürgers oder eines Umweltverbandes mehr eingelegt werden kann“, sagt der Jurist.

„Dies bedeutet aber mitnichten, dass der Zustand rechtmäßig ist.“ Die Behörden seien verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Genehmigung, die rechtswidrig zustande gekommen ist, wieder aufgehoben oder nachjustiert werden müsse.

Dass der Umweltminister die Alt-Fälle nicht mehr antasten möchte, sei ein Verstoß gegen Unionsrecht, so Faller. „Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass gerade bestandskräftige Genehmigungen, die beispielsweise wegen unterlassener Umweltverträglichkeitsprüfung gegen europäisches Recht verstoßen, von Amts wegen zu überprüfen sind. Denn nur so lassen sich europarechtskonforme Zustände herstellen.“

Klage gegen Windpark Straubenhardt läuft noch

Ob beim Windpark Straubenhardt nach der angeblichen „Einzelfall“-Entscheidung des VGH alles so bleiben kann, wie es ist, wird offenbar auch im Umweltministerium hinterfragt. Denn ganz am Ende der Pressemitteilung taucht dieses Projekt auf.

Der Grund ist die laufende Klage eines Anwohners, der mit Unterstützung der Bürgerinitiative „Gegenwind Straubenhardt“ vor das Verwaltungsgericht Karlsruhe gezogen ist. Bei Windkraft-Vorhaben, gegen die noch Gerichtsverfahren laufen, müsse „im Einzelfall geprüft werden, ob eine Anpassung an die neue Rechtsprechung“ notwendig werde, räumt das Umweltministerium ein.

Der Betreiber des Windparks, die Altus AG aus Karlsruhe, sieht das gelassen. „Wir rechnen nicht damit, dass die bestehende Genehmigung widerrufen wird“, sagt Projektleiterin Susanne Alte.

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