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Straffälligenhilfe

Wenn Mutter oder Vater in Haft sind, hilft Anne-Kathrin Heim den Familien

Ein Vater kommt in Haft, eine Mutter wird im Maßregelvollzug behandelt. Was macht das mit den Familien? Eine Sozialarbeiterin aus dem Enzkreis berichtet.

Sozialarbeiterin Anne-Kathrin Heim steht vor einem Plakat der Straffälligenhilfe.
Anne-Kathrin Heim ist Sozialarbeiterin. Für den Verein „Chance“ vom Netzwerk der Straffälligenhilfe kümmert sie sich um Familien, in denen ein Elternteil inhaftiert ist. Foto: Straffälligenhilfe Baden-Württemberg

Anne-Kathrin Heim betreut seit 2021 das Eltern-Kind-Projekt des Vereins „Chance“ vom Netzwerk der Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg für den Enzkreis und die Stadt Pforzheim.

Die Hauptanstalt, in der sich die Sozialarbeiterin um inhaftierte Elternteile kümmert, ist die Justizvollzugsanstalt Heimsheim.

Das Eltern-Kind-Projekt wird seit 2010 in Baden-Württemberg angeboten. Es wird landesweit von den jeweiligen Vereinen der Straffälligenhilfe umgesetzt.

Die Inhaftierung eines Elternteils ist für Familien ein einschneidendes Erlebnis. Wie kann das Eltern-Kind-Projekt da helfen?
Anne-Kathrin Heim

Wenn ein Elternteil in Haft muss, bedeutet das erst einmal einen Kontaktbruch, der die Kinder unvermittelt trifft. Es verändert ihre gesamte Lebenssituation und sie reagieren zunehmend überfordert, fühlen sich alleingelassen, sind traurig, wütend und haben meist große Selbstzweifel. In dieser Extremsituation erhalten Eltern und Kinder Unterstützung von mir.

Ich versuche im Projekt die Auswirkungen der Inhaftierung abzumildern. Als Erstes bemühe ich mich, mit den Eltern darum, den Kindern die Trennung vom fehlenden Elternteil kindgerecht oder jugendgerecht zu erklären. Parallel fördern wir in der Elternarbeit einerseits die Stabilisierung des Umfeldes und andererseits den inhaftierten Elternteil in seiner/ihrer Elternrolle, um die neue Lebenssituation zu meistern.

Je nach Ausgangssituation und Konstellation können ganz unterschiedliche Bedarfe entstehen.

Das klingt sehr umfangreich. Welche Aufgaben entstehen in Ihrem Arbeitsalltag daraus?
Anne-Kathrin Heim

Das stimmt, mein Tätigkeitsfeld ist groß. Ich bin Sprachrohr der Kinder, Advokatin der Familie, Spielgefährtin der Kleinsten, verlängerter Arm der Gefangenen. Zudem Fahrdienst, Seelsorgerin, Organisatorin, Multitaskerin. Im Prinzip Mädchen für alles.

In unserem Bereich gibt es kein Schema F, an dem man sich orientieren kann. Jeder Fall, jede Familie hat einen ganz individuellen Bedarf. Das macht die Arbeit einerseits extrem spannend und interessant, andererseits fordert sie auch ein ständiges Umdenken und Spontanität. Man muss in jedem Bereich ein gewisses Vorwissen beziehungsweise Grundwissen mitbringen.

Und wie sieht die Umsetzung dann in den Haftanstalten aus?
Anne-Kathrin Heim

In der JVA Heimsheim gibt es zum Beispiel einen kleinen Raum mit Kinderspielsachen, wo die Familien im Rahmen eines Sonderbesuchs Kontakt haben können. Hier kann zum Beispiel gemeinsam gespielt werden. Diese Treffen zwischen den Kindern und dem inhaftierten Elternteil werden von mir organisiert und begleitet. Außerdem biete ich auch Freizeitaktivitäten für betroffene Kinder an. Mein Ziel ist es, den Kindern schöne Momente zu ermöglichen.

Meine Vorgängerin hat auch Gruppentreffen mit Vätern und ihren Kindern organisiert. So konnten die Väter und auch die Kinder sich austauschen und bewusstmachen, dass sie mit ihrer schwierigen Lebenssituation, nicht alleine sind. Allerdings fanden solche Gruppenaktivitäten aufgrund von Corona in den letzten zwei Jahren nicht statt. Sehr schade eigentlich.

Wie werden die Inhaftierten auf das Eltern-Kind-Projekt aufmerksam?
Anne-Kathrin Heim

Unter anderem durch Plakate, aber vorwiegend durch den dortigen Sozialdienst. Als externe Mitarbeiterin bin ich regelmäßige vor Ort, so dass die Gefangenen das Gespräch mit mir suchen können. Manchmal kommt es aber auch vor, dass ich über den zuständigen Kollegen im Eltern-Kind-Projekt am nächsten Wohnort des Kindes kontaktiert werde. Die Teilnahme am Projekt ist kostenlos und freiwillig.

Wie viele Inhaftierte betreuen Sie?
Anne-Kathrin Heim

Aktuell betreue ich gemeinsam mit zwei Honorarkräften 23 Gefangene der JVA Heimsheim, einen Gefangenen im Maßregelvollzug Hirsau und zwei Familien. Ich bin zuständig für den gesamten Enzkreis und die Stadt Pforzheim und bin die einzige in diesem Gebiet, die das Eltern-Kind-Projekt anbietet. Mein Stellenanteil umfasst 50 Prozent, wobei der Bedarf definitiv höher ist.

Wie ist die Resonanz?
Anne Kathrin Heim

Die Resonanz ist durchweg positiv. Die Inhaftierten und auch die Familien sind sehr dankbar, gehört und ernst genommen zu werden. Sie schätzen es, nicht vorverurteilt und in solch einer Extremsituation nicht alleine gelassen zu werden.

Ganz persönlich, was freut Sie in Ihrem beruflichen Alltag am meisten?
Anne-Kathrin Heim

Das Schönste an meiner Arbeit sind definitiv die Familienzusammenführungen. Väter, die ihre Kinder beispielsweise das erste Mal in die Arme schießen. Es ist so schön, solche Momente miterleben zu dürfen.

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