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Hölzerne Kunst im Wald

Kettensägen-Schnitzer Dieter Binder stellt Holzskulpturen im Enzkreis aus

Mit dem in den USA populären „Chainsaw-Carving“, also Kettensägen-Schnitzen, hat sich Dieter Binder aus Zaisersweiher einen Namen gemacht. Jetzt sind einige seiner Holzskulpturen im Wald im Enzkreis zu sehen.

Von der Eule bis zum Waldschrat: Radfahrer legen spontan eine Pause ein und staunen über die mit Kettensägen geschnitzten Skulpturen.
Von der Eule bis zum Waldschrat: Radfahrer legen spontan eine Pause ein und staunen über die mit Kettensägen geschnitzten Skulpturen. Foto: Ulrike Stahlfeld

„Oh, hier ist noch eine, das ist ja super!“ ruft es durch den Wald kurz vor Schützingen. Zwei Frauen kommen aus Richtung Illingen den Radweg entlang. Staunend bremsen sie ab, als sie die Holzskulpturen am Wegesrand entdecken. Kurzerhand stellen sie die Fahrräder beiseite und genießen den kurzen Spaziergang entlang einer Ausstellung mitten in der Natur. Dieter Binder aus Zaisersweiher freut das.

„Sind Sie der Künstler?“ wird er von einer der beiden Radfahrerinnen gefragt. „Künstler? Wo fängt Kunst an und wo hört sie auf?“ fragt Binder kurzerhand zurück und schon entspinnt sich eine grundsätzliche Diskussion über Kunst an sich. „Ich bin kein Künstler“, findet jedenfalls der 56-Jährige, der die Holzskulpturen mit Kettensägen erschaffen hat.

Die beiden Besucherinnen seiner Ausstellung entlang des Radeweges an der „Schützinger Staig“ sind da anderer Meinung. „Wer so etwas machen kann, der ist ein Künstler“, stellen Marlene Rohde und Inge Ecker fest und lassen keine Widerrede zu.

Dann besteigen die beiden Vaihingerinnen wieder ihre Fahrräder und weiter geht es in Richtung Diefenbach. Dort wird bereits der nächste „Original Binder“ auf sie warten. Hoch oben auf dem König empfängt ein Waldschrat, den er aus einem Baumstumpf gesägt hat, die Ausflügler.

Binders Holzskulpturen stehen sogar auf dem Brennerpass

Der nächste Radler, der vorbeikommt, kennt die Skulptur in Diefenbach schon. „Da gehöra Dächle drüber, damit alles so bleibt. Der am König droben, der isch schon im Wetter“, regt er an, die Skulpturen entlang des Radweges zu schützen. „Das ist vergängliche Kunst“, entgegnet Binder, der seit 2019 ehrenamtlich an der „Waldgalerie“ gearbeitet hat, die nun mit sechs Skulpturen komplett ist.

Derzeit arbeitet Dieter Binder an einer fünf Meter hohen Eiche, die über 300 Jahre alte ist.
Derzeit arbeitet Dieter Binder an einer fünf Meter hohen Eiche, die über 300 Jahre alte ist. Foto: Ulrike Stahlfeld

Der heulende Wolf, der Adler, die Hand, der Waldschrat, die Eule und der aus einem Vorhang hervor schauende Kasper sind allesamt in Absprache mit dem zuständigen Förster Rolf Esslinger aus Baumstümpfen entstanden. Die Bäume stehen in einem als Bannwald ausgewiesenen Bereich, mussten aber abgesägt werden, um die Sicherheit von Rad- und Autofahrer nicht zu gefährden.

Doch längst nicht nur Ausflügler aus der Region dürfen sich hier und unter anderem beim Füllmenbacher Hof oder auf dem Wanderparkplatz bei Hohenhaslach über die Holzkunst von Dieter Binder freuen. Vor kurzem schickte er einen hölzernen Fuchs nach Berlin. Selbst auf dem Brennerpass stehen seine Werke: „20 bis 30 Skulpturen stehen in den Tälern“, so Binder. Und auch im Urlaub in der Schweiz hat er seine Motorsägen dabei.

Chainsaw-Carving aus „Jux und Dollerei“

Kürzlich waren seine Arbeiten im ZDF-Morgenmagazin zu sehen und selbst für Andrea Berg und Uschi Glas ist Binders auch in den USA populäres „Chainsaw-Carving“ (Kettensägen-Schnitzen) ein Begriff. Uschi Glas verewigte er als das Halbblut Apanatschi im Film Winnetou in Holz. Für Andrea Berg schnitzte er eine 2,50 Meter große Eule. Die Schlagersängerin war bei ihrer Mosaik-Tour mit einem dieser Tiere auf der Bühne zu sehen gewesen.

Auch seinen Schulkameraden von einst, keinen Geringeren als Harald Glööckler, hat Dieter Binder aus einem Holzstamm quasi herausgeschält. Wolfgang Kienzle vom Maulbronner Musikpark gibt es ebenfalls als übergroße Holzstatue. Er habe 2006 aus „Jux und Dollerei“ mit diesem Hobby angefangen, erzählt Binder, der seit 35 Jahren bei Mahle als gelernter Schlosser und Elektriker in der Instandhaltung beschäftigt ist.

Und als sei das nicht genug: Gemeinsam mit seiner Ehefrau Uschi betreibt er seit fünf Jahren zudem die Besenwirtschaft „Zum Kuckuck“ in Zaisersweiher, die nun allerdings coronabedingt geschlossen ist. Der den Gästen angebotene Wein stammt vom rund 30 Ar großen eigenen Weinberg im Gewann Eichelberg auf Lienzinger Gemarkung.

Besucher der Besenwirtschaft dürfen zudem Binders Edelstahl-Kunst bewundern. Dort ist auch ein besonderer Fund des Holzbildhauers zu sehen. Einmal traf er mit seiner Säge auf einen Kugeleinschuss – vermutlich aus dem ersten Weltkrieg.

Ohne handwerkliches Geschick geht es nicht

„Ich brauche nicht viel Schlaf“, antwortet Dieter Binder bescheiden auf die Frage, wie er die vielen Tätigkeiten unter einen Hut bringt. Das Sägen sei ein Ausgleich zur Tätigkeit in der Industrie: „Da kann man seine Kreativität ausleben.“

„Es macht Spaß etwas zu tun, woran andere ihre Freude haben“, sagt er. Ein gewisses Maß an handwerklichem Geschick müsse aber natürlich vorhanden sein, um mit Hilfe von unterschiedlichen Motorsägen einen Holzblock so zu bearbeiten, dass am Ende zum Beispiel ein überdimensionaler Bär entstehe. Aber er habe schließlich schon als 15-Jähriger mit der Motorsäge Holz gemacht, stapelt er dann wieder tief.

Binder fertigt selten vorab eine Skizze an, räumt ein, dass man eben ein räumliches Vorstellungsvermögen besitzen müsse. Nur bei neuen Figuren, da nimmt er gelegentlich ein Foto als Vorlage. Die Skulptur existiert bei Binder schon fertig in seinem Kopf, bevor er die Säge zum ersten Mal ansetzt. Dann geht alles schnell. In nur drei Stunden war die Eule am Radweg fertig, inklusive fein herausgearbeitetem Gefieder, erzählt er. Die Schwerter seiner Sägen sind zwischen 30 Zentimeter und 1,50 Meter lang.

Etwas ruhiger lässt es Binder allerdings bei der über 300 Jahre alten und rund fünf Meter hohen Eiche angehen, die derzeit in seinem Open-Air-Atelier bei Zaisersweiher steht. Oben auf dem mächtigen Holzstamm breitet bereits ein Adler seine Flügel aus. Der untere Teil ist noch unbearbeitet. Nachdenklich fährt er mit der Hand über das Holz. Dann ist sich der Künstler fast sicher: „Ich denke, dass es ein Bär wird.“

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