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Alter Brauch neu belebt

In Ersingen kümmert sich volljährig gewordener Jahrgang um das Stellen des Maibaums

Rund 20 junge Leute haben sich in Ersingen zusammengetan, um einen alten Brauch neu aufleben zu lassen. Sie schmücken und stellen den Maibaum.

Mit vereinten Kräften: Zusammen mit einigen erwachsenen Helfern tragen die jungen Leute die Maitanne nach dem Fällen aus dem Wald bis zu der Stelle, an der sie auf ein Transportfahrzeug verladen wird.
Mit vereinten Kräften: Zusammen mit einigen erwachsenen Helfern tragen die jungen Leute die Maitanne nach dem Fällen aus dem Wald bis zu der Stelle, an der sie auf ein Transportfahrzeug verladen wird. Foto: Nico Roller

Nach dem ersten Aufheulen der Motorsäge dauert es nicht lange, bis die rund 15 Meter hohe Tanne flach auf dem Waldboden liegt, bis im unteren Bereich die Äste entfernt sind und das Reisig zur Seite geschafft ist. Mit einem Kranz, einer Tafel und buntem Schmuck aus Papier versehen, wird die Tanne am Samstagmorgen ab 9 Uhr auf dem Ersinger Dorfplatz aufgestellt.

Eine Arbeit, um die sich Jugendliche aus dem Ort kümmern – und zwar diejenigen aus den Jahrgängen 2003 und 2004. Denn es ist ein alter Brauch in Ersingen, dass immer die Jugendlichen die Maitanne schmücken und stellen, die vor kurzem volljährig geworden sind und zur Bundeswehr eingezogen würden, wenn es die allgemeine Wehrpflicht noch gäbe.

„Wir wollen diese Tradition gern am Leben halten“, sagt der 19-jährige Niklas Leschhorn, der das Ganze zusammen mit Lea Hemminger federführend organisiert. Rund 20 junge Leute haben sich zusammengetan, um einen Brauch zu pflegen, den es in Ersingen laut Kevin Jost „schon immer“ gegeben hat.

Brauch ist schon im Jahr 1658 schriftlich belegt

Der Vorsitzende des Kämpfelbacher Heimatvereins weiß, dass schon für das Jahr 1658 das Aufstellen einer Maitanne schriftlich belegt ist. „Das Setzen der Maitanne ist Sache der Rekruten, die die Maitanne vor dem Wirtshause, wo sie am meisten verkehren, aufpflanzen“, heißt es in der „Geschichte der ehemals frauenalbischen Dörfer Ersingen und Bilfingen“, die 1930 vom Hauptlehrer Gustav Adolf Reiling verfasst wurde.

Zwar verlagerte sich der Brauch später vom favorisierten „Wirtshause“ auf den Dorfplatz. Aber sonst blieb vieles gleich. So wird die Maitanne auch heute noch nach dem Fällen ihrer Äste beraubt und darf nur ihre Krone behalten, die anschließend unter anderem mit bunten Papierrosen geschmückt wird.

Am Stamm wird eine Tafel angebracht, aus der der Jahrgang ablesbar ist. Auch eine Tradition, die es heute immer noch gibt – allerdings ergänzt um einen Spruch, den die Jugendlichen selbst verfassen. 1996 war auf der Tafel zu lesen: „S’isch ungloblich, aber wohr, die Zusatzchance beim Lotto wird 19 Johr, genauso alt wie mir ewe: Spiel 77 – än Gewinn fürs Lewe.“ Es handelte sich um den Spruch, den Jost und seine Kollegen sich damals ausgedacht hatten.

Er kann sich noch gut an diese Zeit erinnern, in der es üblich war, dass ein Jahrgang den Brauch des Maitannen-Stellens an den nächsten weitergab. „Man hat das mitbekommen, sich bei den Älteren Tipps geholt“, erzählt Jost, der sich auch daran erinnert, dass sein Jahrgang die Tanne noch selbst gefällt hat: Weil einer der jungen Leute von Beruf Waldarbeiter war, konnte er sich nach einer entsprechenden Genehmigung des Försters darum kümmern.

Alter Brauch musste wegen Corona drei Jahre lang ausfallen

Damals gab es rund um das Stellen der Maitanne auch noch ein Fest, das die Jugendlichen selbst organisierten: zunächst auf dem Dorfplatz „uff de Brück“, später auf dem Wasserreservoir, dann auf einer Wiese außerhalb des Orts. Inzwischen veranstalten die Jugendlichen kein eigenes Fest mehr, sondern empfehlen, das des Musikvereins auf dem Kirchberg zu besuchen. Wegen Corona hatte der alte Brauch drei Jahre lang nicht stattfinden können.

Zwar ist auch in dieser Zeit eine Maitanne gestellt worden, aber nicht von den Jugendlichen. Umso mehr freut Jost sich, dass das Ganze nun wieder auflebt und sich viele Jugendliche der Jahrgänge 2003 und 2004 zur Mitwirkung bereit erklärt haben. Zusammen mit seinen Vereinskollegen Christian Kraft, Andreas Klittich und Dirk Maier traf Jost sich mit ihnen, um Tipps zu geben und Kontakte zu vermitteln. Tipps und Kontakte, für die die Jugendlichen sehr dankbar sind.

Sie freuen sich bereits auf den Samstag – und haben sich auch schon einen Spruch ausgedacht: „Die Irschinger Tradition darf nie unnergehe, wir 2003/2004er dürfen mit Stolz unner unserem Maibaum stehe.“ Beim Aufstellen der Maitanne werden sie am Samstag von einem ortsansässigen Landwirt und dessen Helfern unterstützt. Das Ganze sei zwar eine Menge Arbeit, sagt Niklas Leschhorn, aber sie lohne sich bestimmt: „Ich denke, es ist toll, wenn man sieht, wie die eigene Maitanne für alle sichtbar auf dem Dorfplatz steht.“

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