Gerhard Rothfuss ist von der Statik angetan. Mit seiner Frau Claudia steht der Bauingenieur im Kreuzgang des Klosters Maulbronn und bestaunt das Deckengewölbe, das von kunstvoll gestalteten Säulen getragen wird.
Statikprüfungen seien sein täglich Brot, erzählt er, allerdings meist im Metallbau. „Die Statik dieses Gewölbes würde unsere Prüfung auf jeden Fall bestehen“, erklärt der Fachmann.
Und wenn man bedenke, dass heutige Traglastprüfungen auf 20 oder 30 Jahre ausgelegt sind, und das Kloster bereits seit Jahrhunderten unerschütterlich stehe, könne man den Baumeistern nur Respekt zollen.
Besucher haben Test vorher geplant
Das Ehepaar ist eigens aus dem Remstal nach Maulbronn angereist. „Wir wollten im Herbst schon einmal kommen, das war dann aber wegen des Lockdowns nicht möglich“, berichten sie.
Jetzt nutzen sie gleich den ersten Öffnungstag, um sich das UNESCO-Welterbe einmal genauer anzusehen. Ihren Klosterbesuch haben sie sorgsam geplant und bewusst gleich den ersten Öffnungstag ausgesucht, weil da der Andrang wohl nicht so groß sei.
Am Bahnhof haben sie den Corona-Test gemacht und sind dann zum Kloster marschiert. Mit dem Audioguide erkunden sie die Anlage, denn Führungen sind derzeit noch nicht gestattet.
Corona-Wartestühle aufgestellt
Rund 80 Besucher haben das Kloster am Samstag besucht, ist von der Klosterverwaltung zu erfahren, die zahllosen Radler, Wanderer und Spaziergänger im Innenhof der weitläufigen Anlage gar nicht mitgezählt. Denn auch ohne die Innenräume zu betreten, ist die Klosteranlage ein beliebtes Ausflugsziel, das auch zu einem Spaziergang auf einem Rundweg um das Areal einlädt.
Dutzende Besucher belagern die Tische und Bänke im Klosterhof, vor der Eisdiele hat sich eine lange Warteschlange gebildet, und auf den Grünstreifen haben sich Ausflügler zum Picknick niedergelassen.
Auch die Kloster-Buchhandlung und der urige Laden der „Kräuterhexe“ haben geöffnet. Die hat Corona-Wartestühle aufgestellt, weil immer nur zwei Besucher das Geschäft betreten dürfen.
Zahlreiche Anfragen zur Öffnung
„Am Sonntag bis zur Mittagszeit hatten wir bereits 70 Besucher“, bekundet Petra Mohr, die stellvertretende Verwaltungsleiterin der Einrichtung, die sich über die fröhlichen Gesichter der Besucher besonders freut.
Seit Tagen liefen bereits die Telefone heiß mit Anfragen, wann das Kloster denn endlich wieder geöffnet habe. Geimpft, getestet oder genesen müssen die Besucher sein. „Wir mussten leider einige wegschicken, weil sie keinen diesbezüglichen Nachweis hatten“, sagt Mohr.
Das sei zwar schade, doch als Landesbetrieb müsse man sich auch an die Landesverordnung halten. Knapp 100 Besucher gleichzeitig sind derzeit erlaubt, in normalen Spitzenzeiten kämen allerdings weitaus mehr, informiert die Kloster-Mitarbeiterin, die schon sehnlichst darauf wartet, dass die Inzidenz unter 50 fällt und die ganzen Beschränkungen nicht mehr bestehen.
Kenntnisreiche Seniorin
Einsam schiebt Maria Winter aus Dillingen an der Donau ihren Rollator durch die Klosterkirche. „Vor lauter Frust darüber, dass schon Ostern und Pfingsten ins Wasser gefallen sind, habe ich mich heute mit meiner Tochter auf den Weg gemacht, um etwas Schönes zu erleben“, erzählt die 87-Jährige.
Das Kloster hat sie schon zwei Mal besucht und ist immer wieder von der prächtigen Bauweise begeistert. Und einen Blick für Details hat die rüstige Dame ebenfalls. „Da ist die Bundeslade abgebildet mit König David und seiner Harfe“, sagt sie und zeigt erfreut auf eine Schnitzerei am Chorgestühl.
Auch sonst kennt sich Maria Winter gut aus und weiß von vielen evangelischen Pfarrern zu berichten, die hier ausgebildet und sehr unglücklich waren. „Der Hölderlin war auch dabei“, erinnert sie sich noch.