In einer Sondersitzung wollte der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss des Enzkreises an diesem Montag eigentlich den Baubeschluss treffen und die Auftragsvergabe für eine Flüchtlingsunterkunft in Knittlingen in die Wege leiten.
Doch aus der Eilentscheidung wurde nur eine Empfehlung an den Kreistag für dessen nächste reguläre Sitzung am 3. April. „Ursache ist der Brandschutz“, gestand Landrat Bastian Rosenau (parteilos), der noch nicht geregelt sei.
80 Flüchtlingen sollen in Knittlingen unterkommen
Trotz der mehrwöchigen Verzögerung hält die Enzkreisverwaltung daran fest, die Unterkunft für 80 Flüchtlinge im Pflegmühlweg 88 in Knittlingen bis zum Frühjahr 2024 fertigzustellen. Der Knittlinger Gemeinderat hat dem Vorhaben bereits zugestimmt.
Der Enzkreisausschuss war sich jetzt auch weitgehend einig, dass für die drei zweigeschossigen Holzbauten eine pragmatische Lösung gefunden ist: Knittlingen stellt den Bauplatz zur Verfügung, der Kreis baut und das Land bezahlt. Nicht mitgehen wollen diesen Weg zwei AfD-Kreisräte, die sich der Stimme enthielten.
Die Politik muss dringend die Rahmenbedingungen ändern.Bastian Rosenau, Landrat
Landrat Rosenau beklagte anfangs der Sitzung, dass die Kommunen und Kreise bei der Anschlussunterbringung der Flüchtlinge, die derzeit überwiegend aus der Ukraine kommen, „am Ende der Nahrungskette stehen“. Er und Neulingens Bürgermeister Michael Schmidt (CDU) hatten sich jüngst in einem Brandbrief an Land und Bund gewandt, und auf das Dilemma zur Neige gehender Ressourcen für die Unterbringung hingewiesen.
„Die Politik muss dringend die Rahmenbedingungen ändern“, war laut Rosenau die Zielrichtung des Schreibens, das inzwischen mit „freundlichen Worten“ beantwortet worden sei.
Das vordringliche Ziel des Enzkreises sei bislang, die Unterbringung der Flüchtlinge in Hallen und Zeltstädten zu vermeiden. „Das ist den Gemeinden und deren Einsatz zu verdanken“, stellte der Landrat als großen solidarischen Akt heraus. Angesichts verbrauchter Kapazitäten bleibe die Herausforderung aber erhalten.
Baden-Württemberg wird Bau und fortlaufende Kosten übernehmen
Für den weiter steigenden Bedarf entstehen derzeit vier Projekte, darunter, wie berichtet, das In Knittlingen. Für den modularen Holzbau habe man sich laut Hilde Neidhardt wegen der energetischen Ausrichtung und dem Bautempo entschieden. Die Erste Landesbeamtin verwies auf die Kosten von insgesamt 4,7 Millionen Euro.
Diese – wie der Erbbauzins an die Stadt Knittlingen – werden komplett vom Land getragen. Bei der Heizung will das Büro Lennermann Krämer Architekten von den angedachten Wärmepumpen abrücken und lieber Infrarot-Deckenstrahler einbauen, die von der Photovoltaik-Anlage gespeist werden.
Als grundsätzliche Frage warf Günter Bächle (CDU) auf, „wie viele Asylbewerber abgeschoben werden dürften, aber nicht könnten“. Die glaubte AfD-Kreisrat Christoph Wichardt beantworten zu können: „Wenn die 850 ausreisepflichtigen Asylbewerber aus dem Enzkreis abgeschoben würden, bräuchten wir keine weiteren Unterkünfte zu bauen.“ Er fühle sich von der Bundesregierung erpresst und sei hier vor Ort in einem Dilemma.
Grüne verweisen auf Nachnutzung der Unterkunft
Für Peter Pförsich (Grüne) ist das „kein Dilemma, sondern eine Sachentscheidung“. Vor Ort gelte es pragmatische Entscheidungen zu treffen. In Illingen habe man vor Jahren nach dem gleichen Modell eine Flüchtlingsunterkunft gebaut. „Das war ein Win-Win- Projekt“, so Pförsich, wie auch jetzt. Dazu zähle auch die geplante gute Nachnutzung.
Michael Schmidt sah bereits den Enzkreis „am Abgrund“ stehen, ist aber überzeugt, jetzt eine gute Lösung gefunden zu haben. Er sieht weiterhin das Damoklesschwert von Hallen vor sich, die als Drehscheibe für Flüchtlinge dienen müssten. Dem will Landrat Rosenau begegnen, indem der Kreis gemeinsam mit Pforzheim und den Gemeinden weiterhin auf die Politik zugehen und klarmachen müssten, „dass wir am Ende der Fahnenstange sind“.