Zahnerkrankungen, entzündete Bisswunden, Parasiten, Würmer und Katzen-Aids: Es ist nicht schön, was Simone Reusch und Petra Gerter auf Fotos festgehalten haben. Die beiden Tierschützerinnen kümmern sich ehrenamtlich um wild lebende Hauskatzen, betreuen sie an Futterplätzen und fangen sie ein, um sie behandeln und kastrieren zu lassen.
Das Ziel ist zu verhindern, dass sich die Tiere unkontrolliert vermehren. „Vielen ist das Problem nicht bewusst“, sagt Petra Gerter, die auf ihrem Grundstück in Wurmberg alte, kranke und behinderte Katzen betreut.
Die frei lebenden Tiere ziehen sich tagsüber zurück und kommen erst in der Dämmerung aus ihrem Versteck. Die meisten sind krank und verletzt.
Die Katzenschwemme ist ein Riesenproblem.Simone Reusch, Tierschützerin
Was das Problem verschärft, sind viele ausgesetzte Tiere, die in Corona-Zeiten angeschafft wurden und nun lästig werden, weil die Halter wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren oder im Sommer in Urlaub fahren. Zwei Katzen hat Simone Reusch unlängst am Wegesrand in Heimsheim eingefangen.
„Die Katzenschwemme ist ein Riesenproblem, weil Tierheime und Pflegestellen überfüllt sind“, sagt die Gemeinderätin (Unabhängige Bürgerliste Mönsheim), die das Thema mit Erfolg in das Gremium getragen hat.
Mönsheim war die erste Gemeinde im Enzkreis, die die Verordnung Ende 2020 eingeführt hat. Heimsheim und Wurmberg haben inzwischen nachgezogen.
Tierschützerin aus dem Enzkreis fängt mehr als 20 Katzen pro Jahr ein
Die Verordnung sichert die ehrenamtliche Arbeit von Reusch und Gerter rechtlich ab. Beide Frauen sind Katzenbeauftragte ihrer Gemeinden. Mit Hilfe mehrerer Mitstreiter betreuten sie Futterstellen in Mönsheim und Wurmberg.
Auf Reuschs Grundstück außerhalb von Mönsheim stehen für wild lebende Katzen Rückzugsmöglichkeiten und Futter bereit. Die Situation beobachtet die Tierschützerin mit einer Kamera. 20 bis 25 Katzen pro Jahr fängt sie mit Lebendfallen ein, bringt sie zum Tierarzt und lässt sie kastrieren.
Vorher muss eine Kastrationsfreigabe eingeholt und abgeklärt werden, ob das Tier gechippt und registriert ist und ob es sich nicht möglicherweise um eine ausgebüxte Hauskatze handelt. Die Kosten übernimmt die Gemeinde. Rund 80 Euro sind es bei einem Kater, etwa 130 bei einer Katze. Nach der Kastration wird das Tier an der Stelle wieder ausgesetzt, wo es eingefangen wurde.
Wiernsheim erwägt Einführung der Schutzverordnung
Gerter und Reusch fänden es sinnvoll, wenn das Land die Katzenschutzverordnung flächendeckend einführen würde. Es bleibt jeder Gemeinde überlassen, sie einzuführen. In den meisten ist das derzeit kein Thema. Manche Gemeinden scheuen die Kosten und mögliche Klagen von Katzenhaltern, die ihre Freigänger kastrieren lassen müssen.
In Wiernsheim, wo die Verordnung zuletzt noch abgelehnt wurde, will sie der neue Bürgermeister Matthias Enz (parteilos) im Herbst erneut im Gemeinderat auf die Tagesordnung setzen, wie er auf Nachfrage mitteilte.
„Ich bin für eine Katzenschutzverordnung. Meine Meinung habe ich mir in Gesprächen mit Tierärzten und Katzenhaltern gebildet. In der Sitzung möchten wir die Notwendigkeit einer entsprechenden Verordnung noch durch einen Fachvortrag ergänzt haben“, so Enz.
Ich bin für eine Katzenschutzverordnung.Matthias Enz, Bürgermeister von Wiernsheim
Die Katzenschutzverordnung sei in den vergangenen Jahren kein Thema im Pforzheimer Gemeinderat gewesen, teilt der Abteilungsleiter Veterinärdienst und Lebensmittel, Siegfried Rempfer, auf Nachfrage mit: „Da die Umsetzbarkeit und Überwachbarkeit solch einer Verordnung fraglich ist, zahlt die Stadt Pforzheim dem Tierheim stattdessen einen Zuschuss für die Kastration herrenloser Freigänger-Katzen. Diese Vorgehensweise hat sich bisher sehr gut bewährt.“
Einen anderen Weg geht auch die Gemeinde Königsbach-Stein. Es gebe keine Probleme mit einer Überbevölkerung von Katzen, teilt Bürgermeister Heiko Genthner mit.
Das Ordnungsamt habe das Thema im Blick und kooperiere mit Ehrenamtlichen, wenn es um das Fangen und Kastrieren von Freigängerkatzen gehe. Das Amt gehe Hinweisen aus der Bevölkerung auf eine Überbevölkerung nach und mache sich ein Bild von der Situation.
„Im Dialog mit den Beteiligten und je nach Anzahl der Katzen auch in enger Abstimmung mit dem Veterinäramt des Landkreises ergreifen wir die erforderlichen Maßnahmen, die teilweise auch mit Unterstützung der Beteiligten umgesetzt werden“, so Genthner. „Dadurch können wir eine erfolgreiche Präventionsarbeit leisten und Einzelfälle schnell und effektiv bekämpfen.“
Mehr Unterstützung von Ämtern und Tierheim gewünscht
Generell wünschen sich Reusch und Gerter mehr Unterstützung von den Veterinärämtern und vom Pforzheimer Tierheim. Hier begrüßt man die Katzenschutzverordnung: „Sie hilft, Krankheiten wie Katzen-Aids einzudämmen“, sagt Tierheimleiterin Kristin Hinze.
Kastrierte Freigänger seien seltener in Revierkämpfe verwickelt und hätten weniger Lust, sich zu paaren. Die Gefahr für Verletzungen und Übertragungen von Krankheiten sei damit geringer – auch an „normale Freigänger“, die nachts draußen unterwegs sind.
Es müsste in Pforzheim und Enzkreis mehr passieren im Tierschutz.Petra Gerter, Katzenbeauftragte
„Es müsste in Pforzheim und Enzkreis mehr passieren im Tierschutz. Der wird fast nur von Ehrenamtlichen abgedeckt“, sagt Petra Gerter. Geschätzt zwei Millionen Katzen leben wild in Deutschland. „Es ist ein Problem, das keiner sieht“, sagt Reusch. „Aber für die Tiere ist es ein elendes Leben auf der Straße.“