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Prozessauftakt

Impfgegner steht vor Gericht, weil er seinen in Mühlacker lebenden Sohn nach Panama entführte

Ein 51-Jähriger steht in Pforzheim wegen schwerer Kindesentziehung vor Gericht. Er wollte nicht, dass sein in Mühlacker lebender Sohn gegen Corona geimpft wird, deshalb entführte er ihn nach Panama. Jetzt drohen dem Mann bis zu zehn Jahre Haft.

Bildmontage: Foto der Mutter mit ihrem Sohn, im Hintergrund ein Sandstrand in Panama
Glückliches Ende: Die Bildmontage zeigt ein Foto des entführten Sohnes mit seiner Mutter, im Hintergrund ein Sandstrand in Panama. Foto: IMAGO/agefotostock/privat

Oh, wie schön ist Panama: Die Geschichte vom kleinen Tiger und dem kleinen Bären, die unbedingt nach Panama wollen, kennt fast jedes Kind. Mit welcher Geschichte lockte der Angeklagte seinen kleinen Jungen nach Panama?

Warum ausgerechnet das Entwicklungsland in Mittelamerika? Derlei Fragen dürften zum Prozessauftakt an diesem Dienstag vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Pforzheim eine Rolle spielen.

Dort ist ein 51-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen wegen eines besonders schweren Falls der Entziehung Minderjähriger angeklagt. Der Mann hatte seinen Sohn heimlich außer Landes gebracht, nachdem der Zehnjährige, der bei seiner Mutter in Mühlacker lebt, in den Weihnachtsferien zu Besuch bei seinem leiblichen Vater war.

Verzweifelte Mutter aus Mühlacker rief bei RTL zur Hilfe auf

Der Fall hatte Anfang dieses Jahres für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt. Die Mutter hatte über Soziale Netzwerke und auch mit einem Aufruf im Sender RTL um Hilfe gebeten.

Ihr Sohn war zwischen den Jahren bei seinem leiblichen Vater nahe Bergisch Gladbach in Nordrhein-Westfalen gewesen. Als die Mutter den Jungen am 2. Januar am Hauptbahnhof in Köln abholen wollte, wartete sie vergeblich. Zuvor hatte sie schon Böses geahnt.

Flughafen in Panama: Hier soll der Vater, der von der Mutter getrennt lebt, mit dem gemeinsamen Sohn am 28. Dezember 2021 angekommen sein.
Der internationale Flughafen in Panama: Hier soll der Vater mit seinem Sohn am 28. Dezember 2021 angekommen sein. Foto: Niyi Fote via www.imago-images.de imago images/TheNews2

Der Mann, ein gebürtiger Belgier, hatte nämlich einen Brief hinterlassen, in dem er als Motiv unter anderem angab, dass er Impfgegner sei und nicht gewollt habe, dass sein Sohn geimpft werde. Die Familie des Vaters in Belgien informierte die Mutter in Mühlacker.

Nach dem Mann und seinem Sohn wurde mit einem internationalen Haftbefehl gefahndet. Unter anderem Interpol und das Bundeskriminalamt waren Berichten zufolge eingeschaltet. Die Mutter suchte auch selbst in Panama nach ihrem Kind und startete mit ihrem Mann, dem Stiefvater des Zehnjährigen, einen Such- und Spendenaufruf.

Entführung nach Panama: Muss der Junge gegen seinen Vater aussagen?

Nach mehr als einem Monat dann die glückliche Wendung. „41 Tage Suche gingen gestern in der Nähe von Pedasi/Panama zu Ende“, meldete die Familie Anfang Februar auf Facebook. Der Vater des Jungen wurde in Pedasi (Panama) von der dortigen Polizei verhaftet, wie Henrik Blaßies, Sprecher der Staatsanwaltschaft Pforzheim, gegenüber dieser Redaktion bestätigte. Demnach wurden Vater und Sohn in einem Hotel an der Pazifikküste Panamas entdeckt und später an Deutschland ausgeliefert.

Die für die Stadt Mühlacker zuständige Staatsanwaltschaft in Pforzheim führte seither das Verfahren und erhob gegen den Mann schließlich im August Anklage.

Laut Strafgesetzbuch sind zunächst bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe möglich, wenn ein Angeklagter einen Minderjährigen beispielsweise durch List einem Elternteil entzieht. Eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren ist möglich, „wenn der Täter das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer Schädigung der seelischen Entwicklung bringt.

„Wir gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für den verschärften Tatbestand erfüllt sind“, erklärte Staatsanwalt Henrik Blaßies zuletzt dieser Redaktion. Schließlich sei der Junge mehr als einen Monat in einem fremden Land aus seiner gewohnten Umgebung gerissen gewesen – ohne Kontakt zu seiner Mutter.

Der Prozessauftakt ist für diesen Dienstag angesetzt. Bei der Anklagebehörde hofft man, dass man dem Jungen eine Zeugenaussage ersparen kann.

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