Skip to main content
Tim Winkler zeigt seine Warhammer-Spielfiguren. Er bemalt die Miniatur-Figuren in stundenlanger Arbeit selbst.

Strategiespiel mit Figuren

Es kommt aufs Detail an: „Warhammer“-Spieler aus Neulingen bemalt 200 Miniatur-Figuren

Alle Hauttöne passen, die Flammen auf den winzigen Fackeln sehen realistisch aus: Tim Winkler aus Neulingen verkünstelt sich an seinen „Warhammer“-Figuren. Warum er schon 200 bemalt hat.
von Anika von Greve-Dierfeld (dpa)
3 Minuten
von Anika von Greve-Dierfeld (dpa)
3 Minuten

Nur am Bildschirm zocken – das ist Spielern wie Tim Winkler zu langweilig. Er hat sich was aufgebaut. In seiner Wohnung in Neulingen im Enzkreis steht eine Armee von Monstern und Kriegern. Knapp 30 Mann beziehungsweise Frau stark.

Kleine Figuren sind das, zwischen drei und fünf Zentimetern groß. Und jede ist einzigartig. Denn der 31-Jährige bemalt seine Figuren in stundenlanger Arbeit selbst. Damit gehört er zu einer großen Zahl von Menschen, die sich nicht nur generell für Tabletop-Spiele interessieren, sondern die passenden Mini-Figuren eigenhändig bemalen.

Tabletop-Spiele sind Strategiespiele, die auf einer Tischplatte ausgetragen werden. Dabei treten Spieler mit Miniaturen-Gruppen gegeneinander an.

Wer etwas auf sich hält, steckt viel Zeit und Herzblut in die Gestaltung seiner Plastikfigürchen. Denn: „Nicht-bemalte Figuren sind verpönt“, sagt Winkler. Man brauche viel Hirnschmalz für das Farbkonzept. Er versuche, ständig auf dem Laufenden zu bleiben und sich von Kollegen etwas abzuschauen.

Unbemalte Figuren sind in der Spiel-Szene ein No-Go

Generell gilt für Winkler und seine Mitstreiter: Sie spielen nur mit Figuren, die sie selbst bepinselt haben. Auf Turnieren sei es zumeist verboten, mit unbemalten Figuren anzutreten – oder es gibt dafür Punkteabzug.

Winkler hat inzwischen rund 200 Figuren selber bemalt. Die meisten sind aus dem Tabletop-Spiel „Warhammer 40.000“. Seit er 13 ist, beschäftigt sich der Neulinger mit Tabletop-Spielen. Er malt schon seit Jahren.

Im Gegensatz zu anderen Spielern gestaltet Winkler seine Figuren, wenn sie noch in Einzelteile zerlegt sind. Erst danach setzt er sie zusammen.

Tim Winkler nimmt sich viel Zeit für das Gestalten seiner Figuren. Der Hobbymaler aus Neulingen achtet auf Schattierungen und Farbverläufe.
Tim Winkler nimmt sich viel Zeit für das Gestalten seiner Figuren. Der Hobbymaler aus Neulingen achtet auf Schattierungen und Farbverläufe. Foto: Uli Deck/dpa

Die Einzelteile bereitet er entsprechend vor: Sie werden zunächst „entgratet“. Dafür entfernt Winkler an seinem Mal-Arbeitsplatz mit einem Skalpell die überstehenden Plastikrückstände, die beim Herauslösen aus den Gussrahmen des Bausatzes entstehen.

Dann wird geglättet und grundiert. Anschließend beginnt die eigentliche Malarbeit. Auf einer seiner Figuren hat Winkler Farbverläufe auf winzigen Schwertern von rot nach schwarz gestaltet. Das heißt „lacing“. Dafür werden wenig Farbpigmente mit viel Wasser auf den Pinsel genommen, sodass keine Kanten entstehen.

Der Neulinger achtet auf Schattierungen und Farbverläufe

Bis zum gewünschten Resultat dauere es auch mal Stunden, sagt Winkler. Gold- oder Silbertöne für Rüstungsteile, Verzierungen oder Waffendetails legt er mühselig übereinander. Damit etwa der Lichteinfall auf einem klitzekleinen Helm oder einem winzigen Knieschutz stimmt.

Hauttöne müssen getroffen werden, Flammen auf winzigen Fackeln realistisch aussehen. Der Faltenwurf der purpurnen Roben seiner Kämpfer wirkt mit den Schattierungen wie auf einem Gemälde. Gerade hat Winkler sich eine Airbrush bestellt. Mit der speziellen Spritzpistole will er das Aufeinanderschichten von Farben erleichtern.

Auch kleinste Rillen, etwa in den Federn von Wappentieren, schattiert Winkler. Sie sind in der Tiefe dunkler und oben heller. Dabei hilft Tusche mit einem hohen Wasseranteil, sodass sich die Pigmente in den Vertiefungen ablagern. Es sieht verblüffend echt aus.

Den Kopfteil einer Warhammer-Spielfigur bepinselt Tim Winkler mit schwarzer Farbe. Details sind ihm wichtig.
Den Kopfteil einer „Warhammer“-Spielfigur bepinselt Tim Winkler mit schwarzer Farbe. Details sind ihm wichtig. Foto: Uli Deck/dpa

„Rillen sind meine Spezialität“, sagt der 31-Jährige. Nur mit den Augen der Figürchen tut er sich nach eigenen Worten schwer. Meistens verpasst er ihnen mit fluoreszierender Farbe eine gespenstisch-gefährliche Aura. Winzige Pupillen zu malen und trotzdem einen guten Gesichtsausdruck hinzubekommen, das sei schwer, sagt er.

Die Maler-Szene ist groß: Im Internet gibt es unzählige Anleitungen mit Tipps und Tricks zu Farbgebung, Schattierungen, Pinselstärke, der besten Grundierung, oder zur Frage, wann Trockenfönen sinnvoll ist.

Bei Wettbewerbe werden die schönsten Figuren ausgezeichnet. Und es gibt sogar professionelle Bemal-Studios, die auf Wunsch Figuren nach den individuellen Vorstellungen ihrer Besitzer gestalten.

Karlsruher kommt vor lauter Malen fast nicht zum Spielen

Doch selber malen ist nach wie vor der Goldstandard. Das ist auch die Leidenschaft des Karlsruhers Moritz Post. Erst vor zwei Jahren hat er angefangen und kommt vor lauter Malen fast gar nicht zum Spielen, wie er erzählt. Seine Spezialität: So zu malen, dass Lichteffekte exakt mit der Realität übereinstimmen.

Spiele-Experte Henning Mützlitz vermutet, dass es inzwischen tausende solcher Maler in Deutschland gibt. Die Zahl dürfte sich im fünfstelligen Bereich bewegen, sagt der Chefredakteur des Magazins „Geek“. Er verantwortet bei der Zeitschrift den Spielbereich.

Das ist keine Nerd-Beschäftigung.
Tim Winkler aus Neulingen

Seinen Worten zufolge ist das Figurenbemalen ein wesentlicher Teil des Tabletop-Hobbys. Es hat in den vergangenen zwei Jahren nochmals einen Schub bekommen. „Es ist kreativ und kontemplativ“, sagt Mützlitz. Fortgeschrittenen ginge es vor allem darum, dass mit jeder bemalten Figur ein Unikat entstehe.

Unbemalt kostet eine einzelne Figur mitunter 40 bis 60 Euro kosten. Wer sich eine ganze Armee von einem Malstudio bemalen lassen würde, müsste bis zum Zehnfachen ausgeben, sagt Tim Winkler. Er sitzt bis zu sechs Wochen an einer Figur.

Im Ranking der Miniaturenbemaler würde er sich im „oberen Drittel“ verorten. Wichtig ist ihm, dass sein Hobby aus dem Schattendasein herauskommt. „Das ist keine Nerd-Beschäftigung“, sagt der 31-Jährige.

Er vernetze sich mit Gleichgesinnten auf diversen Foren im Internet – auch in einem Pforzheimer Club trifft er sich regelmäßig. „Mir macht es sehr viel Spaß und ich bin noch lange nicht müde.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang