Anfang Mai wurde die Erstunterbringung des Enzkreises im alten Gebäude der Klinik Öschelbronn bezogen. Schnell waren 51 Plätze der rasch zu Wohnräumen umgebauten Patientenzimmer belegt – maximal können hier um die 250 Flüchtlinge aus der Ukraine unterkommen.
„Pro Woche haben wir zwischen 25 und 30 Neuzugänge“, bestätigt Andrea Fietkau, die im Auftrag der Gemeinde die Betreuung durch die mehr als 30 ehrenamtlichen Helfer organisiert.
Am vergangenen Wochenende waren rund 110 Plätze der „Unterkunft am Eichhof“ belegt. „Das schwankt ständig“, sagt Fietkau. Denn immer wieder verlassen Leute das Haus, um in eine der als frei gemeldeten Wohnungen in den Enzkreisgemeinden umzuziehen.
Die Betreuung im Haus ist seit Beginn ständig intensiviert worden. So werden inzwischen an drei Tagen der Woche für jeweils zwei Stunden von Lehrern aus den Reihen der Ehrenamtlichen Sprachkurse angeboten.
„Obwohl es kein Zertifikat gibt, ist die Nachfrage mit rund 20 Teilnehmern riesig“, so Fietkau. Ähnlich begehrt seien die Spielangebote für Kinder.
Eine Friseurin kommt regelmäßig ins Haus, um die Haare der Bewohnerinnen zu schneiden und zu richten. „Das ist kein Luxus, sondern hilft, sich etwas wohler zu fühlen.“
Mangel an Sommerklamotten in der Kleiderkammer
Doch es gibt auch Bereiche, wo Mangel herrscht. So fehlt in der Kleiderkammer Sommerkleidung, wie Fietkau feststellte, und bittet um entsprechende Spenden.
Ein großes Problem scheint auch der Schulunterricht für die zahlreichen Kinder zu sein. „Es ist zu wenig Platz da und es gibt zu wenig Lehrer für den Unterricht“, beklagt die Helferin. Auch die Bearbeitung der Papiere für die Auszahlung des Flüchtlingsgeldes durch den Enzkreis dauere sehr lange.
Fietkau selbst hat in ihrem Haus seit Anfang März eine fünfköpfige Familie untergebracht, die elf Wochen auf das Geld warten musste – Fietkau hat sie bislang aus der eigenen Tasche versorgt.
Die Stimmung in der Unterkunft am Eichhof, so die Ehrenamts-Koordinatorin, sei dennoch sehr gut. Die Leute würden sich untereinander stark unterstützen. Zum Beispiel Yuliia, die schon recht gut Deutsch kann und beim Dolmetschen hilft.
Ihren Nachnamen möchte die junge Frau aus Sorge um ihre Familie lieber nicht in der Zeitung sehen. Die junge Ukrainerin stammt aus Cherson, im Süden des von Russland attackierten Landes. Sie spricht neben Deutsch auch etwas Englisch. Yuliia wirkt recht gefasst. Und das, obwohl ihre Heimatstadt in großen Teilen von russischen Truppen besetzt ist.
Es gibt zu wenig Lehrer für den Unterricht.Andrea Fietkau, Organisatorin der Ehrenamtlichen
Die Eltern und ihr Bruder sind noch in der Ukraine, mussten aber ihre angestammte Wohnung verlassen. „Dort sind jetzt russische Soldaten“, erzählt sie voll Bitterkeit. Die Flucht dauerte etwa eine Woche. Als sie die Grenze erreichte, sei sie sehr erleichtert gewesen. Danach hätte sie von vielen Seiten Hilfe bekommen.
Kontakt zu Verwandten im Kriegsgebiet
Und auch die Flüchtlinge untereinander hätten sich unterwegs sehr geholfen. Mit vielen habe sie noch Kontakt. Mit einer Gratis-SIM-Karte oder auch über das Internet, das per WLAN in der „Unterkunft am Eichhof“ zur Verfügung gestellt wird, telefoniert sie mehrmals am Tag mit ihren Eltern und fragt, wie es ihnen geht.
„Meine Eltern wollten in der Heimat bleiben“, so Yuliia. Ihnen sei es aber wichtig gewesen, dass ihre Tochter das Land verlässt. Laut Yullia befinden sich die Eltern derzeit „mehr oder weniger in Sicherheit“.
Wie viele junge Ukrainer hat Yuliia eine gute Ausbildung genossen: Nach der Schule studierte sie an einer Universität und hat einen Abschluss als Diplom-Kauffrau gemacht. „Meinen bisherigen Arbeitsplatz habe ich bereits am ersten Tag des Kriegs verloren, weil das Gebäude durch Kriegseinwirkungen zerstört worden ist“.
Für Yuliia war Deutschland als Fluchtziel eine ausgemachte Sache: Vor vier Jahren war sie hier als Gaststudentin und hat das Land schon etwas kennengelernt. Sich eine Arbeit zu suchen, steht auf ihrem Wunschzettel. „Doch davor will ich noch besser Deutsch lernen.“